Protocol of the Session on August 27, 2003

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kayenburg, ich habe Ihre Rede allerdings noch nicht so empfunden, sie klang mehr wie ein Jammertal.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Sie waren noch nicht sehr konstruktiv mit den Vorschlägen - wollen wir es einmal so sagen. Aber das kann ja in den nächsten Monaten noch kommen.

(Heinz Maurus [CDU]: Deshalb haben wir ja auch mehrere Lesungen beim Haushalt!)

Auf einen Punkt möchte ich allerdings eingehen, Herr Kayenburg. Sie haben tatsächlich gesagt, dass 50 Millionen € in diesem Haushalt wackelig sind, nämlich der im Bundeshaushalt bereits beschlossene Subventionsabbau, der den Ländern auch zugute kommt. Diese 50 Millionen €, die wir dadurch mehr bekommen sollen, seien unsicher. Sie haben nicht gesagt, warum sie unsicher sind.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Sie sind unsicher, weil die CDU in den Ländern und im Bund den Abbau von Subventionen blockiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben wieder nicht zugehört!)

Sie blockieren den Abbau von Subventionen und Sie wollen verhindern, dass es diese 50 Millionen € mehr für das Land durch den Abbau von Subventionen gibt. Und gleichzeitig kommen Sie hierher und werfen uns vor, die Einnahmen, die bereits im Bundeshaushalt stehen, seien unsicher. Das ist absurd und das ist ein Zeichen einer destruktiven Politik, Herr Kayenburg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Wir werden sehen und Sie sehr genau an Ihren Vorschlägen im Dezember messen. Wir werden sehr genau das Verhalten Ihrer Abgeordneten vor Ort in den nächsten Monaten beobachten.

(Zurufe von der CDU)

Sie können jetzt zeigen, ob Sie in der Lage sind, konstruktive Alternativen und Einsparvorschläge zu for

mulieren, oder ob Sie wiederum jeder Wählergruppe im Land das Blaue vom Himmel versprechen.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: So, wie Sie das machen!)

Ich bin sicher, die Bürger werden Sie an Ihren Vorschlägen und nicht an leeren Versprechungen messen. Hic Rhodos, hic salta!

(Zurufe von der CDU)

Die grüne Fraktion wird prüfen, ob es Spielräume für weitere Einsparungen gibt und an welchen Stellen es Korrekturbedarf gibt. Und wir werden wie gewohnt alle vorliegenden Vorschläge unvoreingenommen mit unserem Koalitionspartner beraten.

(Klaus Schlie [CDU]: Das ist ja schon mal viel wert!)

Wir werden aber alles tun - und das sage ich auch im Hinblick auf das nächste Jahr -, um das zu verhindern, was in Niedersachsen und in Hessen passiert ist, nachdem die CDU die Regierung übernommen hat. Dort ist die Neuverschuldung innerhalb von zwei Jahren verdreifacht worden. Das, was dort durch die Übernahme der Regierung durch die CDU passiert ist, weil sie gnadenlos Versprechungen gemacht hat und hinterher das Geld zum Fenster herausschmeißen musste,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Widerspruch bei der CDU)

das garantiere ich Ihnen - da können Sie noch so viel grinsen -, wird in Schleswig-Holstein nicht passieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Ich darf auf die vereinbarte Mittagszeit hinweisen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat ihre Hausaufgaben gemacht: erstens ein radikaler Sparhaushalt in einem Wahljahr - was sehr mutig ist -; zweitens ein klarer Schwerpunkt im Bereich Bildung; drittens ein Zukunftsinvestitionsprogramm, das auch auf Landesebene ein Beitrag zur Konjunkturbelebung liefert; viertens eine gelungene Zusammenführung von Landwirtschaft und Umwelt. Die Regierungskoalition hat damit in schwierigen Zeiten ihre Handlungsfähigkeit bewiesen.

Sie wissen schon, dass ich Haushaltsreden gern mit einem Zitat schließe - heute mit Max Frisch: „Die

(Karl-Martin Hentschel)

Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen!“

Ich finde, das ist der Regierung gut gelungen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Lachen bei der CDU)

Wir werden jetzt - mit hoffentlich positivem Beigeschmack - die Premiere in der neuen Kantine feiern. Der Landtagspräsident wird dort einige Worte an uns richten. Ich wünsche Ihnen allen guten Appetit. Um 15 Uhr setzen wir die Sitzung hier wieder fort. Bis dahin ist die Sitzung unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:08 bis 15:02 Uhr)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Nachmittagssitzung. Zunächst möchte ich auf der Tribüne Besucher begrüßen, und zwar den Sozialverband Deutschland, Ortsverband Schenefeld, und die Gemeindevertretung Pöschendorf. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es noch einmal, falls man es vergessen haben sollte: Erstmals in der über 50-jährigen Geschichte Schleswig-Holsteins berät der Landtag heute einen Zweijahreshaushalt. Ein Blick in die Runde der Bundesländer genügt, um festzustellen, dass wir damit kein Neuland betreten. Richtig ist auch, dass es mit einem Doppelhaushalt einfacher wird, perspektivische Entscheidungen zu treffen und Planungsziele zu verdeutlichen. All dies könnte man somit mit der guten Nachricht umschreiben.

Die schlechte Nachricht lautet, dass ein Doppelhaushalt in Anbetracht der schnellen wirtschaftlichen und konjunkturellen Entwicklung zu größeren Unsicherheiten bei der Schätzung von Einnahmen und Ausgaben führt. Dies gilt nicht zuletzt für das zweite Haushaltsjahr.

(Rainer Wiegard [CDU]: Dadurch gibt es mehr Planungssicherheit!)

Besonders die Einnahmesituation unseres Landes ist 2004/2005 äußerst unklar, denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die dem Doppelhaushalt

zugrunde liegen, sind so unsicher wie selten zuvor bei der Vorlage eines Haushaltsentwurfs. Bei den zu erwartenden Steuereinnahmen geht die Landesregierung in ihrem Haushaltsentwurf von den Daten der Mai-Steuerschätzung aus. Das ist - formal gesehen - völlig korrekt, greift aber zu kurz. Die Steuerschätzer gingen im Mai für 2003 von einem Wirtschaftswachstum von 0,75 % und für 2004 von 2 % aus. Man kann getrost sagen, dass diese Zahl in diesem Jahr nicht mehr zu erreichen sein wird, auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung in Schleswig-Holstein etwas positiver verläuft als im Bundesdurchschnitt.

Im ersten und zweiten Quartal haben wir es in der Bundesrepublik sogar mit einem kleinen Rückgang des Wirtschaftswachstums zu tun gehabt. Einige Wirtschaftsinstitute sprechen bereits von einer leichten Rezession, während der Bundeswirtschaftsminister von einer wirtschaftlichen Stagnation ausgeht. 2003 ist also höchstens noch ein Nullwachstum zu erwarten, während die Bundesregierung und die Wirtschaftsinstitute für 2004 Prognosen zwischen 1 % und 2 % Wirtschaftswachstum abgegeben haben.

Für 2005 gibt es noch überhaupt keine gesicherten Zahlen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Steuereinnahmen. Allein diese Tatsachen, die auch von der Landesregierung im Finanzplan 2003 bis 2007 offen ausgesprochen werden, zeigen, dass die Aufstellung eines Doppelhaushalts schon aus strukturellen Gründen mit vielen Unsicherheitsfaktoren belastet ist.

(Rainer Wiegard [CDU]: Dadurch gibt es mehr Planungssicherheit!)

- Lieber Kollege Wiegard, wenn man sich die Erfahrungen der anderen Bundesländer ansieht, so ist dies immer wieder ein Punkt, der positiv hervorgehoben wird.

(Beifall bei SSW und SPD)

Konkret heißt das, dass wir uns im nächsten Jahr auf einen Nachtragshaushalt - wenn nicht sogar auf zwei Nachtragshaushalte - einzustellen haben. Dies ist aber auch notwendig, damit der Landtag am Ball bleiben und sein vornehmstes Recht, nämlich das Haushaltsrecht, weiterhin wirkungsvoll ausüben kann. Es wird also künftig so sein müssen, dass die Haushaltsberatungen des Landtags viel mehr als bisher als Prozess aufzufassen sind.

Auch inhaltlich betrachtet enthält der Haushaltsentwurf gute und schlechte Nachrichten. Dabei ist es offensichtlich, dass die schlechten Nachrichten überwiegen; da beißt die Maus keinen Faden ab. Neben der strukturell bedingten unsicheren Einnahmesituati

(Anke Spoorendonk)

on hat es darüber hinaus selten so viele ungedeckte Schecks und offene Fragen in einem Haushaltsentwurf gegeben wie in diesem. Das hängt natürlich damit zusammen, dass sich die Bundesrepublik in einer der schwersten Krisen ihrer Geschichte befindet. Die Arbeitslosigkeit hat in diesem Sommer mit fast 4,5 Millionen Menschen, die davon betroffen sind, einen Stand erreicht, wie man ihn eigentlich seit der Weimarer Republik nicht mehr gesehen hat. Auch in Schleswig-Holstein haben wir leider in diesem Jahr einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen gehabt.

Dazu sprengt die Verschuldung von Bund, Ländern und Kommunen fast den Rahmen des Vorstellbaren. Alle gesetzlichen Sozialversicherungskassen - von der Arbeitslosenversicherung über die Pflegeversicherung bis hin zur Renten- und Krankenversicherung - sind mit geradezu katastrophalen Defiziten belastet. Kurzum: Deutschland braucht Reformen so nötig, wie ein Durstiger in der Wüste Wasser braucht.