Protocol of the Session on August 27, 2003

„Für den Fall übrigens, was ich nicht hoffe, dass der Landtag einmal zu einer anderen Entscheidung kommt, würde nachgezahlt.“

Diese Nachzahlung fordern wir ein. Oder ich erkläre: Das Parlament ist vom Finanzminister belogen worden.

(Beifall bei der FDP)

Wir vermuten, dass erneut Geld nach NordrheinWestfalen verschenkt werden soll. Die HSH kauft den Rest der LEG günstig ein. Als Eigentümer von 16,86 % Anteil an der HSH erhält das Land mittelbar diesen Prozentsatz des Verlustes zurück. Die anderen 83 % verbuchen die anderen Eigentümer der HSH als geldwerten Vorteil, zum Beispiel die WestLB, der es bekanntermaßen nicht sehr gut geht.

(Wolfgang Kubicki)

Der Immobiliendeal war sowieso der Versuch, hintenherum mehr Schulden aufnehmen zu können, wie es das Bundesverfassungsgericht zutreffenderweise festgestellt hat. Bezahlt wurde er dadurch, dass die Landesbank sehr billiges Kapital bekam. Der Zinssatz betrug 0,6 %. Das ist ein geldwerter Vorteil, der schon wieder zu großen Teilen außerhalb SchleswigHolsteins verbucht wurde, unter anderem erneut bei der WestLB.

Herr Kollege Hay, ich höre immer sehr gern, dass es Vorschläge der Opposition geben möge. Es ist gar nicht so lange her, dass wir vorgeschlagen haben, die Haftkapitalvergütung heraufzusetzen. Das ist von der CDU und der FDP vorgeschlagen worden. Aber uns ist damals vorgehalten worden, das sei extrem unseriös. Das war noch nicht entschieden und noch nicht ausgehandelt. Es wurde gesagt, man könne das nicht etatisieren. Aber wir sind begeistert, dass Sozialdemokraten und Grüne sowie Herr Dr. Stegner mittlerweile diesem unseriösen Modell von FDP und CDU gefolgt sind, um den Haushalt zu sanieren.

Die Landesregierung verleiht also Geld zu 0,6 % und verschuldet das Land zu mehrfach höheren Zinssätzen. Wir haben schon damals gesagt: Als Kaufmannslehrlinge würden Sie nicht eingestellt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier zeigt sich ein Muster. Die Landesregierung hat nie ganze Sachen gemacht, sondern immer nur Teile des Tafelsilbers verramscht, um Haushaltslöcher zu stopfen. Die Gewinner saßen hauptsächlich außerhalb SchleswigHolsteins, vor allem bei der WestLB.

Das zeigt nach meiner Ansicht zweierlei: Erstens taugt diese Landesregierung nicht als Vermögensverwalter Schleswig-Holsteins, und zweitens gab und gibt es eine Geld-Pipelinie nach Nordrhein-Westfalen zum Schaden des Landes Schleswig-Holstein.

Ich frage mich: Warum? Schleswig-Holstein war doch nie Mitglied in Friedel Neubers Sparklub.

Sei es drum! Wir können die Zeit nicht zurückstellen. Aber wir können die Verantwortlichen anprangern. Die Hauptschuldige sitzt als Ministerpräsidentin auf der Regierungsbank.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das letzte oder vorletzte Kapitel der Geschichte der rot-grünen Depression handelt von der Bildungspolitik. Alle wissen, dass Bildung der Rohstoff ist, aus dem unser Wohlstand erwächst. Bildung ist für den einzelnen Menschen die beste Kapitalanlage, der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit, die beste Altersvorsorge und eine gute Voraussetzung für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben. Was in der Schulzeit verweigert

wird, können die meisten kaum noch aufholen, besonders die Leistungsschwächeren nicht.

Man sollte meinen, dies seien Gründe genug, unseren Kindern ein gutes Bildungssystem aufzubauen. Aber für Rot-Grün ist das nicht so.

PISA hat gezeigt, dass Deutschland weit zurückhängt und wir in Schleswig-Holstein noch weiter zurückhängen. Die Kultusministerkonferenz hat nachgewiesen, dass die schleswig-holsteinischen Schüler bis zu 10 % weniger Unterricht bekommen als im deutschen Durchschnitt. Der Mittelstand beklagt und weist nach, dass Abgänger von Haupt- und Realschulen immer weniger in der Lage sind, den Anforderungen von Lehrberufen zu genügen.

Der Landesrechnungshof hat 2001 nachgewiesen, dass bis zum Schuljahr 2009/10 insgesamt 9.070 Lehrer in Schleswig-Holstein eingestellt werden müssten. Die Kultusministerin sagt, das werde alles durch die kleinen Klassen in Schleswig-Holstein ausgeglichen. Das ist aber schon vor dieser Behauptung widerlegt worden.

Bildung ist angeblich einer der Schwerpunkte der Landesregierung. Er ist so schwer, dass er untergegangen ist. Der quasisozialistische Bürokratiekoloss Bildungsministerium agiert nur noch als Produzent undurchführbarer Erlasssammlungen, ganz so wie GOSPLAN, die alte sowjetische Planbehörde.

Ergebnis: Diese Regierung nimmt die Bildungschancen unserer Kinder nicht ernst und nicht wahr, schmälert ihre Chancen und sägt damit an dem Ast, aus dem unser aller Wohlstand sprießt.

Seit Jahren rechnen wir der Landesregierung vor, dass wir viel mehr Lehrer brauchen. Die zeitliche Entwicklung der Schülerzahlen und der Eintritte von Lehrern in den Ruhestand hätten es auch ermöglicht, seit Mitte der 90er-Jahre viele Lehrer einzustellen, um den Schülerberg bis zum Ende des Jahrzehnts ordentlich bilden zu können. Wenn die Schülerzahlen wieder sinken, geht die Zahl der Lehrer wegen der Pensionierungsflutwelle noch viel schneller zurück. Alles bliebe einigermaßen im dynamischen Gleichgewicht ohne großen Unterrichtsausfall.

Aber Rot-Grün wollte es besser wissen. Jetzt fordert der von mir sehr geschätzte Kollege Lothar Hay, dass der Unterrichtsausfall 2005 kein Thema mehr sein soll - rechtzeitig zur Landtagswahl. Das rot-grüne Versagen soll unter den Teppich gekehrt werden.

Wie soll das gehen? Der Feuerwehrfonds für Unterrichtsvertretungen soll es richten. Das ist eine gute Idee, die die Ministerpräsidentin plötzlich im stillen Kämmerlein gehabt haben will. Ich sage Ihnen, woher

(Wolfgang Kubicki)

sie kommt: von der FDP. Seit Jahren fordern wir diesen Unterrichtsergänzungsfonds. Uns ist interessanterweise immer wieder gesagt worden, das sei nicht finanzierbar und nicht darstellbar. Aber jetzt geht es doch. Unser Name war wohl nicht reißerisch genug.

Wahrscheinlich hat die Ministerpräsidentin die Idee bekommen, als sie über unseren Änderungsanträgen zum Haushalt vom letzten Jahr gebrütet hat, weil sie endlich einmal gute Vorschläge lesen wollte.

Zum Bereich der inneren Sicherheit muss man nicht sehr viel sagen. Die Polizeibeamten vor Ort wissen ganz genau: Schleswig-Holstein ist nicht nur personell, sondern auch sachlich unterausgestattet. Es ist ausschließlich der hohen Motivation und Einsatzbereitschaft der Beamtinnen und Beamten zu verdanken, dass noch ein Höchstmaß an innerer Sicherheit in Schleswig-Holstein gewährleistet wird.

(Beifall bei der FDP)

Aber dass das Vertrauen in diese Regierung auf den Nullpunkt gesunken ist, muss ich Ihnen nicht erklären. Das kann jeder einzelne Abgeordnete vor Ort bei seinen Gesprächen mit den Polizeibeamten selber erfahren.

Ich mache das einmal an einer Zahl deutlich. Im Vergleich zu 1992 ist die unmittelbare Umweltverwaltung des Landes um über 1.000 Mitarbeiter gewachsen und die unmittelbare Anzahl der Polizeibeamten um 200 gesunken - trotz gestiegener Anforderungen, trotz erhöhter Kriminalitätsraten, trotz Auslandseinsätzen und vieler anderer Dinge mehr.

Der Personalhaushalt des Innenministers ist nicht auskömmlich. Er hat in seinem Haushalt für 2005 die höchste globale Minderausgabe seit Bestehen des Landes, von der er heute noch gar nicht erklären kann, wie er sie erwirtschaften will. Er hat bei der Deckelung seines Haushalts zusätzliche Belastungen durch Mietsteigerungen und durch neue Mietzahlungen bei der GMSH. All dies wird dazu führen, dass der Schwerpunkt innere Sicherheit in den Fluten der Ostsee versinken wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind der Auffassung: Jahrelang sind unsere Vorschläge als neoliberales Teufelszeug verschrien worden. Jetzt werden sie klammheimlich übernommen, aber schlecht umgesetzt - zu schlecht, zu wenig und vor allem zu spät. Das ist nach meiner Auffassung die Folge von keiner Ahnung und keinem Konzept.

Die Regierungskoalition braucht immer mehr Feuerwehrmaßnahmen und Feuerwehrtöpfe, um Feuer zu löschen, die sie selbst gelegt hat. Besser wäre es ge

wesen, die Feuer gar nicht erst entflammen zu lassen. Rot-Grün hatte lange Zeit, das zu lernen, hat es aber nicht geschafft. Jetzt bemängeln Sie immer häufiger, es gebe keine Alternativen zu den Feuertöpfen mehr.

Dass das falsch ist, werden wir Ihnen 2005 beweisen.

(Zurufe von der SPD)

- Da brauchen wir uns gar nicht zu streiten. Es ist ja nicht mehr lange hin. Es sind 18 Monate.

Dem Wunsch des Kollegen Hay, dass die SPD die beste Oppositionsfraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag werden soll und will, werden wir selbstverständlich Folge leisten. Wir halten es mit Sir Karl Popper, der erklärte: Es ist der Vorteil der Demokratie, dass das Volk schlechte Regierungen ohne Blutvergießen loswerden kann. Nach unserer Auffassung stellt Rot-Grün eine schlechte Regierung dar. Denn sie ist teuer, aber wertlos. Das beweist der Haushaltsentwurf zweifelsfrei.

Unser finanzpolitischer Experte, Dr. Garg - er ist übrigens Doktor der Finanzwissenschaft und nicht der politischen Wissenschaft -, wird es Ihnen nachher im Einzelnen darlegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Tage an der Macht sind für Rot-Grün gezählt. Ihre Zeit läuft ab. Die schleswig-holsteinische Bevölkerung wird die rot-grüne Depression 2005 beenden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation. In diesem Jahr werden voraussichtlich über 200 Millionen € an Einnahmen wegbrechen. Zugleich steigen durch die wachsende Arbeitslosigkeit die Sozialausgaben, die Sozialhilfe und das Wohngeld. Das wird mit Sicherheit zu einer erheblichen Steigerung der Neuverschuldung führen. Das sind Fakten, die auch die Opposition schlecht wegdiskutieren kann.

Herr Kayenburg, Sie haben behauptet, die Steuereinnahmen seien jedes Jahr gestiegen. Sie müssen sich die Zahlen aber einmal angucken. Tatsache ist, dass wir bei den Steuereinnahmen in diesem Jahr unter denen von 1998 liegen. Das liegt fünf Jahre zurück.

(Karl-Martin Hentschel)

Wenn Sie solche Zahlen nicht einmal zur Kenntnis nehmen, dann ist es logisch, dass Sie anschließend keine Ratschläge geben können, wie man es besser machen könnte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Landesregierung hat sich in dieser Situation entschieden, nicht prozyklisch zu reagieren. Das scheint mir vernünftig zu sein. Denn wir wollen nicht dazu beitragen, die Konjunktur abzuwürgen, sondern wollen im Gegenteil Wachstumssignale setzen.

Umso erfreulicher ist, dass es der Regierung gelungen ist, einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen. Es ist schon erstaunlich, Herr Kayenburg, dass Sie da der Regierung Verfassungsbruch vorwerfen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Jawohl!)

Ich frage Sie: Wie viele Briefe haben Sie denn an Ihre Parteikollegen Ministerpräsidenten in anderen Bundesländern geschrieben, um sie darauf hinzuweisen, dass sie sich verfassungswidrig verhalten? Der Einbruch dieses Jahres, der zu einem verfassungswidrigen Vollzug führt, wenn die Investitionsquote nicht eingehalten wird, ist etwas, was auf der Grundlage der jetzigen Konjunktur in allen Bundesländern passiert.

(Rainer Wiegard [CDU]: 200 Millionen sind kein Einbruch, Herr Hentschel! Das ist dummes Zeug! - Martin Kayenburg [CDU]: Das ist schön, dass Sie wenigstens akzeptie- ren, dass ein Verfassungsbruch vorliegt! - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Hören Sie genau zu!)