Protocol of the Session on August 27, 2003

feiert. Dann hat er die sozialen Sicherungssysteme verteuert, sich strikt gegen die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes ausgesprochen, damit die Arbeitslosigkeit nicht sinkt, Deutschland mit lahmer Hand zum Sorgenkind Europas gemacht und in zwei Rezessionen geführt: Die erste war 2001 und die zweite läuft gerade.

Jetzt will der Bundeskanzler endlich alles nicht nur anders, sondern auch besser machen. Mit fünf Jahren Verzögerung sollen die Menschen niedrigere Steuersätze genießen dürfen und trotzdem genauso viel Steuern zahlen wie vorher. Das Gesundheitssystem soll ohne Rücksicht auf die Patienten und die Entwicklung der Bevölkerung umgestellt werden. Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sollen unter dem Dach des Bürokratiemonsters Bundesanstalt für Arbeit verwaltet werden, damit Herr Gerster 11.000 neue Bürokraten einstellen darf. Die Gewerbesteuer soll erhöht werden, damit die Kommunen von mehr Geld träumen dürfen, das die insolventen Unternehmen nicht mehr zahlen können.

Herr Buß und Herr Stegner, dass Sie davon nichts verstehen, liegt einfach daran, dass Sie im öffentlichen Dienst sind. Sie haben noch nie selbst eine Mark für irgendetwas investieren müssen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich sage Ihnen voraus, was die Unternehmen und die Freiberufler tun werden. Sie werden aufhören, Ausbildungsverhältnisse zu generieren, damit sie die erhöhte Gewerbesteuer zahlen können, die sie zahlen müssen. Ich verweise darauf, dass die Hebesätze in Kiel ungleich höher sind als in den Umlandgemeinden. Die Ärzte werden Leute nicht mehr einstellen. Sie werden entlassen. Das wird die Folge einer entsprechenden Änderung der Gewerbesteuer sein.

(Beifall bei FDP und CDU)

Aber Sie können sicher sein, dass Sie dafür im Bundesrat keine Mehrheit bekommen.

Gerhard Schröder und seine Regierungstruppe sind das lebende Beispiel dafür, dass „gut gemeint“ das Gegenteil von „gut“ ist.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Hentschel, Sie können gern mit mir wetten. Ich nehme die Wette an, um eine Flasche Champagner. Sie können die Marke aussuchen, damit es nicht so teuer für Sie wird.

(Heiterkeit bei FDP und CDU)

Ich nehme die Wette an. Es wird eine Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer nicht geben. Das sage ich Ihnen voraus.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Jetzt habe ich schon zwei, die mit mir wetten wollen. Ich nehme auch die zweite Wette gern an. Lothar Hay und der Kollege Hentschel haben mit mir um eine Flasche Champagner gewettet, dass die Freiberufler nicht in die Gewerbesteuer einbezogen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Ich kann das bezahlen. Ich verdiene ja neben den niedrigen Diäten, die du bekommst, noch Geld mit ehrlicher Arbeit.

(Heiterkeit bei FDP und CDU)

Ich bezweifle nicht, dass Kollege Neugebauer uns nachher vollmundig erklären wird, wie die im Finanzplan 2003 bis 2007 vorgesehene stetige Senkung der Investitionsquote im Landeshaushalt auf 8,3 % im Jahre 2007 ein dynamisches Wirtschaftswachstum generieren und noch blühendere Landschaften mit mehr Beschäftigten schaffen soll. Hierzu zitiere ich erneut Peer Steinbrück - immer noch Sozialdemokrat und aus meiner Sicht immer noch einer der Vernünftigsten. Er sagte 1997, mit der Investitionsquote von nur noch 11,1 % im Etatentwurf 1997 sei die Schmerzgrenze bereits überschritten. Die starke Zunahme der Arbeitslosigkeit im Norden habe auch mit dem Rückgang der öffentlichen Investitionen zu tun.

Wenn das stimmt, dann hat der weitere Rückgang der Investitionsquote im Landeshaushalt mit weiteren Arbeitslosen zu tun, die Sie damit verantworten müssen und veranlasst haben. Oder Sie müssen hier jetzt erklären, Herr Steinbrück wisse nicht, was er gesagt habe, er sei dumm oder in seinem Amt als Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen überfordert.

(Zurufe)

- Das können Sie gern sagen.

Auch ich will wie Herr Stegner, weil es immer gut ist, sich die Reden der Vergangenheit zu vergegenwärtigen - Herr Stegner hat gesagt, er habe das auch getan, aber wir hätten daraus nichts gelernt -, zitieren aus einer Rede der Ministerpräsidentin aus dem Jahre 1993, der ersten Rede zur Einbringung des Haushalts 1993:

„Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden in der Zwischenzeit viel vom Sparen, weil wir sparen müssen. Es geht aber um mehr als um Sparen. Es geht darum, in einer

(Wolfgang Kubicki)

Zeit knapper Mittel das Haus Deutschland von Grund auf zu stabilisieren, damit es für uns alle bewohnbar bleibt. Das bedeutet auch, sich die schmerzliche Aufgabe vorzunehmen, Ansprüche an den Staat auf das zu konzentrieren, was gemacht werden muss, um unsere Gesellschaft nicht auseinander fliegen zu lassen. Es ist und bleibt die größte Ungerechtigkeit gegenüber Menschen, Arbeitslosigkeit, Massenarbeitslosigkeit, Dauerarbeitslosigkeit zuzulassen.“

Frau Ministerpräsidentin, ich vergleiche einmal die Zahlen des Jahres 1993 mit den Zahlen des Jahres 2002. Ich lerne daraus, dass wir 1993, als Sie antraten, eine Arbeitslosigkeit von etwas über 93.000 Personen hatten und die Arbeitslosigkeit jetzt bei etwas über 122.000 Personen liegt. Das an sich laste ich Ihnen nicht an; was ich Ihnen anlaste, ist die Tatsache, dass die Schere der Arbeitslosigkeit in den westdeutschen Flächenländern immer weiter zulasten des Landes Schleswig-Holstein aufgegangen ist. Das bedeutet: Wir generieren in Schleswig-Holstein seit zehn Jahren jedes Jahr prozentual mehr Arbeitslosigkeit als bundesweit im Verhältnis der westdeutschen Flächenländer. Das ist eine Folge der mangelnden Wachstumsraten, die wir haben. Wenn wir hier nicht konsequent gegensteuern, müssen wir uns um den Haushalt 2010 keine Gedanken mehr machen, weil wir nichts mehr haben, was uns finanziert.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, addiert man, wie viel das Land jährlich zusätzlich hätte investieren müssen, um den Istwert der Investitionsquote von 1991 zu halten - ich habe 1991 als Vergleichsmaßstab genommen, Herr Kollege Kayenburg -, 14,6 %, dann hat Rot-Grün von 1991 bis 2002 knapp 3 Milliarden € zu wenig investiert, was den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge hatte, 3 Milliarden in der Kaufkraft von 2000.

Spätestens jetzt sollte allen klar sein, warum Schleswig-Holstein ein Opfer der rot-grünen Depression ist und wer für die lahmende Wirtschaft und die vielen Arbeitslosen mitverantwortlich ist: diese Landesregierung. Ihr Niveau zeigt sie mit der 100-Millionen-€Luftbuchung ZIP 2004: Ein echtes 3-Milliarden-€Loch soll jetzt - kurz vor der Landtagswahl - mit einer 100-Millionen-€-Blende notdürftig überdeckt werden. Das wären 3% des zehnjährigen Investitionsloches. Die anderen 97 % sind der Unterschied zwischen rotgrüner Utopie und der Wirklichkeit - Zehntausende Arbeitsplätze wären nicht verloren gegangen und Zehntausende hätten neu geschaffen werden können,

hätte die Regierung verantwortlich gehandelt, jedenfalls auf dem Niveau der Regierung Björn Engholm.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Bei Investitionen denkt die Landesregierung gleich an neue Schulden, was Frau Heinold zu Recht häufig beklagt - ohne bedauerlicherweise etwas dagegen zu tun.

Ich bin beim nächsten Kapitel der rot-grünen Depressionsgeschichte. Endlich einmal vorn. Frau Simonis hat Schleswig-Holstein an die Spitze der Schuldenstatistik der westdeutschen Flächenländer geführt. Jeder Mensch in Schleswig- Holstein hatte 2001 5.957 € Schulden. Das sind 2.039 € oder 52 % mehr als im Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer. Den Wert für 2002 hat der Finanzminister aus dem Finanzplan herausgelassen. Wahrscheinlich war ihm die Steigerung um 5,8 % auf 6.304 € zu hoch. Gleichzeitig hat die Ministerpräsidentin - ich habe es vorhin verlesen - seit 1993 jedes Jahr aufs Neue angekündigt, sie sei ganz verzweifelt, müsse aber trotzdem den Ausgleich des Haushaltes um mindestens ein Jahr nach hinten schieben. Damit ist jetzt Schluss. RotGrün will den Haushalt offenkundig nicht mehr ausgleichen. Ich kann das verstehen. Immer dieser Ärger - und in den letzten anderthalb Jahren ist es nun wirklich nicht mehr zu schaffen. Da haben Sie gesagt: Schluss mit der Pietät und her mit den Schulden! 595 Millionen € neue Schulden 2004 und 550 Millionen € 2005. Vor der Landtagswahl verliert RotGrün jede Scham. Ein verzweifelter Versuch, über die Runden zu kommen.

In letzter Zeit wird viel über die Konjunktur geredet, vor allem darüber, dass sie fehlt. Dieser Doppelhaushalt ist ein Lehrbuch-Beispiel für den Versuch, einen politischen Konjunkturzyklus zu starten. Der geht so: Gib vor der Wahl viel Geld auf Pump aus, das fällt vielleicht mit einem kleinen Aufschwung zusammen, wird vom Volk als Politikerfolg missverstanden und bringt deshalb bei der Wahl mehr Stimmen. Die dicke Rechnung kommt erst nach der Wahl, aber bis zur nächsten hat das Volk es vergessen.

Rot-Grün versucht es auch: Nächstes Jahr sollen die Nettoausgaben um 2,2 % steigen und 2005 um 0,9 % sinken. Vor der Wahl drehen Sie den Geldhahn auf, um die Stimmen der Wähler mit deren eigenem Geld zu erkaufen und hinterher will Rot-Grün es ihnen doppelt und dreifach kürzen. Das ist ungefähr so, als hätten sich die Römer die bekannten dreißig Silberlinge bei Jesus geborgt.

(Beifall bei der FDP)

(Wolfgang Kubicki)

Neue Schulden haben dieser Regierung nicht gereicht, auch das Landesvermögen musste dran glauben: 1994 wurden Landesbankanteile verkauft, 1995 die Provinzial, 1997 Forderungen, 1998 genehmigte man sich eine Sonderausschüttung aus dem LEGVermögen - die jetzt übrigens den Preis beim Notverkauf drückt -, 1998 und 2000 Anteile am Flughafen Hamburg, 1999 bediente man sich aus dem Vermögen der Investitionsbank, ab 1999 kam der Flop des Immobiliendeals dazu, der uns übrigens 70 Millionen € gekostet hat, und 2001 der erste Teilverkauf der LEG. Dieses Jahr sollen die Reste der LEG und nächstes Jahr die Lottogesellschaft verscherbelt werden. Nominal hat das bis jetzt knapp 1,2 Milliarden € gebracht, eine stolze Summe. Berücksichtigt man aber die Schleuderpreise, wird deutlich, wie Rot-Grün das Vermögen des Landes verbrannt hat, um dem Staatskonsum zu frönen. Diese Kosten kann man grob schätzen: Mehrere 100 Millionen €, vielleicht mehr als 1 Milliarde hat die Landesregierung verschenkt, zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen. Landesbankanteile wurden spottbillig an die WestLB verscherbelt und beim Börsengang der HSH hebt NRW die stillen Reserven, einen dreistelligen Millionenbetrag. Der hätte Schleswig-Holstein gehört, wenn die Regierung auf uns gehört, die Landesbank frühzeitig in eine AG umgewandelt und dann verkauft hätte.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bei Gründung der HSH hätte die Chance bestanden, einen Teil des Geldes nach Schleswig-Holstein zurückzuholen, aber die Landesregierung wollte es nicht einmal versuchen.

Die Provinzial wurde ebenfalls spottbillig verscherbelt. Mehr Geld hätte das Land eingenommen, wenn man die Provinzial vorher in eine AG umgewandelt und dann verkauft hätte - übrigens auch ein gemeinsamer Vorschlag von FDP und CDU.

Die LEG ist weit unter Wert verkauft worden. Erst wurde der Unternehmenswert durch die Sonderausschüttung gemindert, dann hat Rot-Grün die erste Hälfte wieder spottbillig verscherbelt und sich dabei vertraglich so gebunden, dass auch beim jetzigen Restverkauf nur noch wenig zu holen ist. Hätte man die LEG frühzeitig als Ganzes verkauft - von Union in abgewandelter Form und uns gemeinsam vorgeschlagen -, hätte man etliche dutzend Millionen € mehr für Schleswig-Holstein einnehmen können.

Lieber Lothar Hay, damit sich die Sozialdemokraten bei ihrem weiteren Nachdenken noch einmal rückversichern können, worauf es ankommt, mehrere Zitate. Die Ministerpräsidentin in der Sitzung des Landtages vom 12. Dezember 2001:

„Die Antwort der Opposition auf die schwierige Situation, dass man durch eine konjunkturelle und strukturelle Delle durchmuss, ist jedes Mal, entweder die Landesbank oder die LEG beziehungsweise die LEG oder die Landesbank - je nachdem, was Sie gerade zuerst erwischen - zu verkaufen. Es ist bei Ihnen in all den Jahren nicht angekommen, dass diese beiden Instrumente für die regionale Weiterentwicklung unseres Landes und unserer Wirtschaft unersetzlich sind.“

Unersetzlich! 12. Dezember 2001. Schall und Rauch!

Ich habe bereits am 26. September 2001 darauf hingewiesen, dass sich die Landesregierung mit dem LEG-Verkauf ökonomisch unsinnig verhält. Ich habe darauf - deshalb halte ich es für besonders wichtig - durch den Finanzminister des Landes SchleswigHolstein eine Antwort erhalten. Ich bitte wirklich, dass man mir da zuhört. Ich zitiere vom 26. September 2001. Es ist eine Antwort von Klaus Möller an mich:

„Was den LEG-Verkauf angeht, haben wir eben nicht, wie es die Opposition gefordert hat, Wohnungsbestände verkauft, sondern in völliger Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Landtags eine Minderheitsbeteiligung verkauft. Das ist ein großer Unterschied. Bei Minderheitsverkäufen ist es branchenüblich, dass beim Kaufpreis Abschläge hinzunehmen sind.“

Den Zwischenruf, der an dieser Stelle gemacht wurde, muss ich mitzitieren:

„Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Unsinn!“

Jetzt geht es weiter in dem Zitat Möller:

„Für den Fall übrigens, was ich nicht hoffe, dass der Landtag einmal zu einer anderen Entscheidung kommt, würde nachgezahlt.“