Protocol of the Session on August 27, 2003

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD])

Bitte zur Dringlichkeit!

Die Einführung der Maut ist schon seit Monaten, wenn nicht gar Jahren bekannt. Von daher ist die Dringlichkeit nur ausgesprochen schwer erkennbar. Deswegen lehnen wir den Antrag ab.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Brita Schmitz-Hübsch [CDU]: Die Geschäftsgrundlage hat sich seit gestern verändert!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist für die Dringlichkeit gesprochen, es ist gegen die Dringlichkeit gesprochen. Ich weise auf § 51 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hin. Da heißt es - Herr Kollege Neugebauer, ich will es kurz für das Quellenstudium verlesen -:

„Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, dürfen nur beraten werden, wenn der Landtag mit der Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen die Dringlichkeit bejaht. Der Landtag beschließt zugleich über die Einreihung in die Tagungsordnung.“

(Günter Neugebauer [SPD]: Sehr gut vorge- lesen!)

- Auch so verstanden? - Ich bedanke mich, Herr Kollege Neugebauer.

Wir brauchen also für die Bejahung der Dringlichkeit die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Hauses. Wer für die Dringlichkeit des Antrages der Fraktion der CDU „Start der LKWMaut“, Drucksache 15/2854, stimmen möchte, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenstimmen? - Die Zweidrittelmehrheit ist nicht erreicht. Der Dringlichkeitsantrag ist mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP abgelehnt worden. Damit wird er in diese Tagesordnung nicht aufgenommen.

Ich bin dahin unterrichtet worden, dass die Geschäftsführer übereingekommen sind, dass wir jetzt anstelle der Tagesordnungspunkte 12 und 15 Tagesordnungspunkt 3 beraten:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/2033

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses Drucksache 15/2785

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter des Bildungsausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. von Hielmcrone, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Einvernehmen mit dem an der Beratung beteiligten Finanzausschuss empfiehlt der Bildungsausschuss dem

Landtag mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und FDP, den Gesetzentwurf in der Fassung anzunehmen, die Ihnen mit Drucksache 15/2785 vorliegt.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Einzelberatung.

Das Wort für die antragstellende Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Jost de Jager.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor ziemlich genau einem Jahr hat die CDU-Fraktion einen Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes mit dem Ziel eingebracht, die Gründung und Angebotserweiterung beziehungsweise Profiländerung freier Schulen in Schleswig-Holstein zu erleichtern. Im Einzelnen sah der Gesetzentwurf vor, die Wartefrist von der Gründung bis zur staatlichen Bezuschussung bei Neugründungen von Schulen von vier auf zwei Jahre zu reduzieren und bei Profiländerungen beziehungsweise Angebotserweiterungen bestehender Ersatzschulen in freier Trägerschaft auf null zu reduzieren.

Wir haben damit auf einen ganz offensichtlichen Bedarf an freien Schulen hier in Schleswig-Holstein reagiert. Wir sind in Schleswig-Holstein mit freien Schulen unterversorgt. Zieht man die dänischen Schulen ab, die nach ihrem Selbstverständnis die öffentlichen Schulen der dänischen Minderheit sind, sind wir in Schleswig-Holstein - zumindest was die westlichen Bundesländer anbelangt - das Schlusslicht. Daran etwas zu ändern, hat auch etwas mit Wettbewerb im Schulwesen und mit Vielfalt zu tun. Freie Schulen sind eine Bereicherung für das schulische Angebot in Schleswig-Holstein. Sie bieten inhaltliche Profile und Orientierungen, die öffentliche Schulen gar nicht bieten dürfen und aus guten Grund auch sollen. Freie Schulen sind damit eine von mehreren Antworten auf eine zunehmend differenziertere Nachfrage an schulischer Bildung. Mit dem Gesetzentwurf, den wir eingebracht haben, wollten wir ein klares, eindeutiges und positives Signal an die freien Schulen setzen, dass wir sie wollen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Fraktionen von Rot und Grün haben sich ein Jahr lang schwer damit getan, und zwar die Roten schwerer als die Grünen. Das kann man an dem einsamen Beifall des Abgeordneten Hentschel erkennen. Die Grünen stimmen unserem Gesetzentwurf aus innerer Über

(Jost de Jager)

zeugung zu, aber aus Koalitionsraison dürfen sie das nicht. Deshalb ist in den einjährigen Ausschussberatungen mit mehreren Vertagungen ein Kompromiss herausgekommen, der exemplarisch ist für die Politik hier in diesem Land. Die Wartefrist soll nun nicht auf zwei, sondern auf drei Jahre gekürzt werden. Das ist - wie wir das immer wieder erleben - ein echter Mittelweg; nicht Fisch, nicht Fleisch; nicht richtig dafür und nicht richtig dagegen.

Viel Gutes bewegt dieser Formelkompromiss nicht. Damit ist eine weitere Chance in der schleswig-holsteinischen Schulpolitik verpasst worden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grund werden wir diesem Kompromiss nicht zustimmen - nicht, weil wir eine Verkürzung der Frist um ein Jahr nicht auch unterstützten, sondern weil wir glauben, dass das keine adäquate Antwort auf einen sehr differenzierten Vorschlag ist, den wir zu diesem Thema gemacht haben.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das ist überhaupt nicht symptomatisch. Nein, nein, Herr Hentschel. Ich kann Ihnen das erklären.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich verzichte auf die Erklärung!)

Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine differenzierte Antwort auf ein Problem gibt. Sie haben sich nicht durchsetzen können. Sie wissen nicht, wie Sie mit Ihrem Koalitionspartner umgehen sollen. Wir werden Ihnen diese Schwierigkeiten nicht abnehmen.

(Beifall bei der CDU)

In der Anhörung sind Stellungnahmen eingegangen, die uns dazu ermuntern, auf unserer Position zu bestehen.

(Caroline Schwarz [CDU]: Fast alle!)

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Kaufmannschaft zu Lübeck:

„Die Verkürzung der Wartefrist auf zwei Jahre würde ein Meilenstein auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Förderung von öffentlichen und privaten Schulen in Schleswig-Holstein bedeuten. Bereits in den Jahren 1998 und 1999 führte die Kaufmannschaft zu Lübeck mit der evangelischen und katholischen Kirche Gespräche über die Möglichkeit einer Gründung einer leistungs- und praxisorientierten Ganztagsschule mit starker

ethischer beziehungsweise religiöser Ausrichtung. Nach intensiver Prüfung unter betriebswirtschaftlichen und pädagogischen Aspekten kamen die Partner jedoch zu dem Schluss, dass eine Wartezeit von vier Jahren, wie sie derzeit für Privatschulen schon im Land besteht, auch bei einem sehr intensiven finanziellen Engagement der Partner und auch unter Einbeziehung der Bereitschaft bei Unternehmen und Bürgern, sich für diese gute Sache zu engagieren, nicht darstellbar gewesen wäre. Die Partner haben daher nach Vorlage der Prüfergebnisse von ihren Überlegungen, eine gemeinsame Privatschule zu gründen, wieder Abstand genommen. Eine kürzere Wartefrist von zwei Jahren hätte damals eine völlig andere Basis für unsere Denkmodelle und Kalkulation bedeutet und hätte die von uns avisierte Schulgründung wahrscheinlich möglich gemacht.“

Wenn sich so viel bürgerschaftliches Engagement zusammenfindet, dann ist es unsere Aufgabe, so etwas zu unterstützen. Sie tun es mit Ihrem Formelkompromiss nicht. Deshalb können wir dem nicht zustimmen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zu dem Vorschlag der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen sagen, mit dem Gesetzentwurf die integrative Beschulung behinderter Kinder in freien Schulen mit der an staatlichen Schulen gleichzustellen. Wir werden dem nicht zustimmen, und zwar zum einen, weil er systematisch nicht zu unserem Antrag passt, und zum anderen, weil er die Kostenträchtigkeit unseres Gesetzentwurfes deutlich erhöhen würde.

Ich möchte an dieser Stelle etwas zu den Kosten sagen. Wir wissen sehr wohl, dass das, was wir vorschlagen, kameralistisch gerechnet eine Verteuerung und zusätzliche Ausgaben bedeutet. Es sind jedoch zusätzliche Ausgaben in einer Größenordnung, die wir uns in diesem Haushalt noch erlauben können. Wenn Sie, Herr Hentschel, heute Morgen etwas zum Thema Gesamtschule in Pansdorf in Ostholstein und dem Elternwillen gesagt haben, dann sage ich, dass auch wir hier über den Elternwillen reden. Wenn Sie das Geld, das Sie für die Gesamtschule in Pansdorf in Ostholstein verpulvern, den freien Schulen zur Verfügung gestellt hätten, dann bräuchten wir uns über diese Peanuts an dieser Stelle nicht mehr zu unterhalten.

(Beifall bei der CDU)

(Jost de Jager)

Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir in punkto Gesamtschule den Elternwillen nicht zulassen, dann werfe ich Ihnen vor: Mit dem, was Sie hier an Formelkompromiss vorlegen, verhindern Sie den Elternwillen bei den freien Schulen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion schätzt die pädagogische Arbeit der 30 allgemein bildenden und der 16 berufsbildenden Schulen in freier Trägerschaft außerordentlich. Private Schulen sind eine richtige und wichtige Bereicherung unserer Schullandschaft. In vielerlei Hinsicht können auch öffentliche Schulen von freien Schulen lernen. Ich denke hier an die Eigenbewirtschaftung der Schulen im sächlichen Bereich, aber auch an die Personalbewirtschaft. An den freien Schulen finden wir hier etwas vor, was wir mit unserem Vorhaben „Geld statt Stelle“ an den öffentlichen Schulen noch lernen wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vorbildlich an den freien allgemein bildenden Schulen ist auch die Einbindung der Eltern in den Schulalltag. Auch dieses wünschen wir uns verstärkt an unseren Schulen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Finanzierung der freien Schulen indes ist seit vielen Jahren keine ausschließliche Angelegenheit der privaten Schulträger mehr. So sind sogar die Wohnsitzgemeinden der Schülerinnen und Schüler über den gesetzlichen Schullastenausgleich mit einem 80prozentigen Anteil der Schulkostenbeiträge an der Finanzierung der Privatschulen beteiligt. Damit hat auch die Errichtung einer Privatschule durchaus finanzielle Auswirkungen auf die Gemeindehaushalte. Auch hierüber sollte die CDU, die verstärkt in der kommunalen Familie Verantwortung trägt, einmal nachdenken. Ich erinnere mich immer gerne an zwei CDU-Bürgermeister in meinem Kreis, die plötzlich feststellen mussten, dass auf der einen Seite 18 und auf der anderen Seite 21 Schülerinnen und Schüler private Schulen besuchten und die Gemeinden plötzlich mit Schulkostenbeiträgen veranlagt wurden.

Sie haben zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gründung einer privaten Schule im Rahmen einer