Protocol of the Session on August 27, 2003

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit!

Das fällt dem Herrn Kollegen schwer. Wenn Sie die haushaltstechnische Form der Annahmen für 2005 als zu wenig konkret kritisieren, sollten Sie bedenken, dass schon bei zugegebenermaßen grober Schätzung 100.000 Arbeitslose weniger bundesweit zu Einsparungen von ungefähr 2 Milliarden € führen würden. 1 % mehr Wachstum würde durchschnittlich 5 Milliarden € bringen. 1 % Subventionsabbau würde - wenn man an den Zahlen des Weltwirtschaftsinstituts anknüpft - bundesweit circa 15 Milliarden € an Mehreinnahmen beziehungsweise Minderausgaben erbringen. So kann das von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsbegleitgesetz in seiner aktuellen Fassung die Steuereinnahmen für Schleswig-Holstein in 2005 um 60 Millionen € erhöhen. Nicht die Entlastung des Haushalts 2005 ist ungewiss, sondern nur die Frage, an welchen Ein- und Ausgabetiteln diese wirksam werden wird.

Um an dieser Stelle keine Missverständnisse zuzulassen: Die Landesregierung verfolgt die Änderung des Bewertungsgesetzes und der Erbschaftsteuer nachdrücklich weiter, weil wir dringend eine gerechtere Besteuerung der Erbschaften brauchen. Wie sonst soll man Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Notwendigkeit anderer Einschränkungen erklären?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wenn die Union und die FDP hier allerdings überall blockierten, dann wären unsere Annahmen in der Tat zu optimistisch. Das müssten aber Sie der Bevölkerung erklären, nicht wir. Der britische Premierminister McMillan hat einmal gesagt:

„Ein Politiker ruiniert sich nicht durch seine Niederlagen, sondern durch seine Phyrrussiege.“

Daran sollten Sie denken!

(Zurufe von der CDU: Das machen wir!)

In dem Haushaltsentwurf haben wir im Wesentlichen die mittelfristige Finanzplanung eingehalten. Angesichts der natürlichen Kostensteigerungen und der Verwerfungen aus der negativen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die auch vor dem Landeshaushalt nicht halt machen, war dies alles andere als einfach. Die Steigerungsrate liegt durchschnittlich unter 1 %. 2004 liegt sie zur Stützung des Aufschwungs bewusst höher. 2005 wird sie dann deutlich geringer. Diese Bilanz wird sich natürlich zusätzlich durch den Nachtragshaushalt verändern. Wir haben die Förderprogramme, die diesen Namen verdienen, für 2004 um 10 % und für 2005 um weitere 10 % gekürzt.

(Unruhe)

- Ich weiß gar nicht, warum Sie so unruhig sind und so einen Lärm machen müssen! Wahrscheinlich haben Sie einfach keine Konzepte!

(Lachen bei der CDU)

Andere Finanzzuweisungen, die nicht Förderprogramme im eigentlichen Sinn sind, wurden nicht reduziert. Der Einsparbetrag von jeweils 10 % muss aber an anderer Stelle erbracht werden. Der Mut zeigt sich spätestens an den Mikrophonen anlässlich der Demonstrationen vor dem Landeshaus. Die Kürzungen führen zu Leistungsabbau in den Bereichen, die die Landesregierung nicht für prioritär hält. Das heißt nicht, dass solche Entscheidungen leicht zu treffen seien. Wo es geht, nutzen wir Effizienzgewinne oder helfen bei alternativen Finanzierungen. Ich möchte den Regierungsfraktionen dafür danken, dass sie uns bei den Einsparvorhaben unterstützen und den Protest aushalten, statt sich - wie es die Opposition seit Jahren tut - in markigen Einsparforderungen zu verlieren, um gleichzeitig jeder Lobbygruppe - sei sie auch noch so klein - hinterherzulaufen. Hier trennt sich die Oppositionsspreu vom Regierungsweizen.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren auf der rechten Seite des hohen Hauses, Sie werden sehen, dass Ihre Hoffnung trügerisch ist, die Regierungsmehrheiten im populistischen Wettstreit in Gefahr zu bringen. Nein, mit den Antworten von gestern lösen wir die Probleme von morgen nicht!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Wir werden regionale Konflikte gemeinsam aushalten müssen, auch wenn das in der kommenden Phase der Kandidatenaufstellung besonders schwer ist. Nur so werden wir unserer Verantwortung gerecht, die uns die Bürgerinnen und Bürger 2000 übertragen haben. Wenn ich Sie so höre, dann bin ich ziemlich sicher, dass die Bürger uns diese auch 2005 erneut übertragen werden.

(Beifall bei der SPD - Herlich Marie Todsen- Reese [CDU]: Das Prinzip Hoffnung!)

- Na ja, Sie haben schon häufiger Prophezeiungen vorgenommen! Weitere Einsparpotenziale ergeben sich aus dem Bürokratieabbau und daraus resultiert eine Flexibilität, die mit den übrigen Strukturreformen - von den Finanzämtern bis zu den Amtsgerichten, vom Straßenbau bis zur Katasterverwaltung, von der Neuausrichtung der IT-Infrastruktur bis zu vielen anderen Bereichen - erschlossen werden wird. Höhere Flexibilität in den Budgets, eingeleitete Strukturmaßnahmen und die Unterstützung des gesamten Kabinetts für weitere Einschnitte im Leistungsbereich ermöglichen es den Ressorts, die Einsparvorgaben zu erbringen. Ich kann verstehen, dass es eine große Herausforderung für das Parlament ist, der Regierung entweder entsprechende Einsparvorschläge zu unterbreiten oder einen realistischen Rahmen zu setzen, innerhalb dessen die Einsparungen realisiert werden sollen. Ich weiß aber, dass in der SPD-Fraktion beispielsweise Lothar Hay und Günter Neugebauer intensiv daran mitwirken werden, damit dies auch gelingt.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Zurufe von der CDU)

Bis zur Nachschiebeliste sollte etwa die Hälfte der globalen Minderausgaben für 2004 zu konkretisieren sein.

(Unruhe)

Bisher noch nicht veranschlagte Entlastungen kommen im kommenden Jahr hinzu, wenn Subventionsabbau und Strukturreformen erste Wirkungen zeigen.

Die Begrenzung der Personalkosten ist eine strukturelle Notwendigkeit. Allein die Tarifsteigerungen, die wir nun im Lehrerbereich voll, in anderen Feldern teilweise anerkannt haben, die 200 neuen Lehrer, die Stärkung der Steuerverwaltung, die Finanzierung des Sicherheitspakets sowie das Ausbildungsprogramm führen zu Mehrausgaben von 70 Millionen €. Die Pensionsausgaben werden um 13 Millionen € steigen. Die Ministerpräsidentin hat - wie Sie wissen - schon früh auf diese Problematik hingewiesen. Sie hat lange vergeblich um Mitstreiter für Reformen im Dienst-

und Tarifrecht geworben, die den Anstieg mittelfristig dämpfen werden. Die Entwicklung gibt ihr Recht. Sie bekommt allmählich Unterstützung von anderen. In der Tarifgemeinschaft der Länder werden wir weiter an der Modernisierung mitwirken.

Kürzungen bei den Personalkosten müssen sein. Die Landesregierung folgt dabei aber nicht dem Vorschlag des inzwischen dritten Hoffnungsträgers der Opposition, auf Massenentlassungen zurückzugreifen. Vielmehr suchen wir nach sozial verträglichen Lösungen. Mit einer sozial gestaffelten Kürzung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben wir einen - zugegeben konjunkturpolitisch schwierigen - Weg gefunden, der bei den Beschäftigten verständlicherweise nicht für Freudensprünge sorgt. Bei meinen zahlreichen Gesprächen erlebe ich aber durchaus Verständnis dafür, dass man in dieser schwierigen Situation überschaubare finanzielle Einbußen akzeptieren muss. Ob man dies - wie in Hamburg - zeitlich begrenzen kann, ist offen. Ich wäre dafür, keine falschen Versprechungen zu machen.

Schleswig-Holstein hat als erstes Land diese soziale Staffelung vorgeschlagen. Andere Bundesländer - wie Bayern - folgen unserem Beispiel. Die von der SPDFraktion durchgesetzte Spreizung der Staffel wird wohl leider singulär bleiben, denn es ist richtig, diejenigen soweit wie möglich zu schonen, die weniger verdienen, und die mehr zu belasten, die es sich eher leisten können. Ich wäre überrascht, wenn die Union hier einmal Flagge gezeigt hätte. Stattdessen auch hier das alte Spiel: Immer dann, wenn es konkret wird, schlagen Sie sich in die Büsche. Um mit Ihren Worten zu sprechen: Sie sitzen sozusagen furchtsam in der Furche.

(Lachen bei der CDU)

Ob es Ihnen die verbeamteten Beschäftigten danken werden, wage ich zu bezweifeln, denn Ihr Herr Carstensen will die angestellten Kolleginnen und Kollegen vor die Tür setzen. Auch hier zeigt sich, warum Sie in der Opposition sind.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir bauen das Personal sozialverträglich ab und unterstützen den Prozess mit der Wiedereinführung der Altersteilzeit in den Bereichen, in denen Stellen wegfallen können. Budgets, die Aufhebung der Stellenpläne bei Staatskanzlei und Hochschulen und einfachere Möglichkeiten für Versetzungen über eine überarbeitete Modernisierungsvereinbarung werden weitere Rationalisierungspotenziale erschließen. Das Konzept zur Vermeidung von Frühpensionierungen sowie Änderungen bei der Beihilfe - insbesondere bei

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Angestellten - werden weitere Kosteneinsparungen bei Pensions- und Beihilfekosten erbringen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Ich will ja Herrn Dr. Garg nicht schaden, aber er drückt sich präziser aus als Sie! Mittelfristig wollen wir aber auch bundesweit Neuregelungen etwa bei der Gebührenordnung der Ärzte, denn wir sollten unsere Beschäftigten nicht dafür zur Kasse bitten, dass andere bei ihnen Kasse machen, nur weil sie öffentlich beschäftigte Patienten sind.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Land Schleswig-Holstein hat die Struktur eines Dienstleistungsunternehmens und deshalb zwangsläufig einen hohen Anteil an Personalausgaben. Das wird auch so bleiben. Es gibt keine fette Ministerialbürokratie mehr. Bei aller Notwendigkeit zur Verwaltungsreform, denn da bin ich schon katholisch: Die personalintensiven Bereiche Schule, Polizei, Justiz und Finanzverwaltung sind nicht überbesetzt. Auch im Bundesvergleich sehen wir übrigens nicht schlecht aus, auch wenn der freundliche Herr Carstensen die Zahlen vertüdelt hat. Er hat die Soldaten wohl dem Landespersonal zugerechnet. Auch mahnt er konkrete Reformvorhaben an, die längst beschlossen worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Woher soll er das auch wissen? Der Chef ihrer Programmkommission kann es seinem Nachfolger vielleicht erklären.

Die Einsparungen in den geschilderten Bereichen sind die Voraussetzung dafür, unsere Schwerpunkte zu finanzieren. Diese orientieren sich an den Zukunftsperspektiven des Landes, an denen wir zu arbeiten haben. Gemeinsam mit der Bildungsministerin ist der Entschluss gefasst worden, dass im Haushalt 2004/2005 die Ausgaben für Bildung, Ausbildung, Wissenschaft und Forschung deutlich ansteigen. Das haben sich einige vielleicht anders vorgestellt. In der heutigen Wissensgesellschaft sind Qualifikationen nicht nur eine Grundvoraussetzung, um den jungen Menschen Zukunftsperspektiven zu eröffnen, sondern auch ein entscheidender ökonomischer Standortfaktor. Ausgaben für Bildung sind Investitionen in die Zukunft. In 2004 stellen wir 200 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer ein. Das kostet fast 8 Millionen € zusätzlich. Mit der vor zwei Wochen vorgestellten Initiative „Jede Stunde zählt“ werden wir mit 4 Millionen € in diesem Jahr und gut 12 Milliarden € in 2004 und 2005 den Unterrichtsausfall wirkungsvoll

bekämpfen. Herr Kalinka, durch eine systematische Erhebung werden Sie dies sogar in Plön überprüfen können.

(Beifall bei der SPD)

Mit dem 2003 begonnenen Sofortprogramm für mehr Ausbildung und Qualifizierung werden wir innerhalb von drei Jahren 6.500 zusätzliche Plätze aktivieren. Schleswig-Holstein hat dazu bereits in diesem Jahr 3,3 Millionen € zur Verfügung gestellt. Die Landesregierung beteiligt sich aktiv an der Lösung der Lehrstellenkrise, indem wir 60 junge Menschen mehr ausbilden und damit unter anderem die Steuerverwaltung personell verstärken. Dies tun wir trotz der Haushaltsprobleme, um ein gutes Beispiel zu geben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einem Hochschulpakt sichern wir den Hochschulen die Tarifsteigerung zu und stärken, wie von Professor Erichsen gefordert und anderswo nicht realisiert, mit einem Innovationsfonds in Höhe von 5 Millionen € die Forschungsaktivitäten im Land, bei denen wir Exzellenz belohnen und die Bereiche besonders unterstützen, bei denen wir in der Bundesliga sozusagen mitspielen können. Unverzichtbare Bedingung für die Anstrengung des Landes bleibt die Bereitschaft der Hochschulen, die vorgeschlagenen strukturellen Änderungen umzusetzen.

Von besonderer finanzpolitischer Bedeutung ist auch, dass der Reformkurs beim Universitätsklinikum Schleswig-Holstein durch den neuen Vorstand fortgeführt wird, da sonst unabschätzbare Haushaltsrisiken für das Land drohen. Dafür, dass bereits in diesem Jahr Millionendefizite abgebaut wurden, gebührt dem Übergangsvorsitzenden Günther Jansen unser Dank, der mit seiner unentgeltlichen Herkulesarbeit ein Paradebeispiel von hoher Kompetenz und gemeinwohlorientierter Gesinnung bewiesen hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einer derartigen wirtschaftlichen Schwächephase mit anhaltend viel zu hohen Arbeitslosenzahlen ist das wirtschaftliche Ungleichgewicht keine Glaubensfrage, sondern ein deutlicher Auftrag, etwas dagegen zu tun, das heißt Wachstum und Beschäftigung zu stärken. Mit dem Investitionsprogramm werden wir zum Beispiel schnell und unbürokratisch beschäftigungs- und strukturwirksame Investitionen beschleunigen oder neu auf den Weg bringen. Die zusätzliche öffentliche Nachfrage dient dem lokalen Handwerk und

(Minister Dr. Ralf Stegner)