Protocol of the Session on August 27, 2003

(Minister Dr. Ralf Stegner)

den Betrieben vor Ort. Mit 100 Millionen € über drei Jahre - über die Details wird Sie der federführende Kollege Dr. Rohwer zeitnah unterrichten - werden wir ein Vielfaches an Gesamtinvestitionen auslösen, die heimische Wirtschaft stärken, Arbeitsplätze sichern, neue schaffen und die Infrastruktur für Bildung und Forschung verbessern. Dies alles wird ohne komplizierte Vergabeverfahren geschehen, ohne etwa nach Zuständigkeiten zu fragen. Nein, meine Damen und Herren, wir betreiben keine neue Werftenpolitik, auch wenn die Opposition den Strukturwandel immer per Dauersubvention aufhalten will. Ja, wir sichern mit diesem Investitionsprogramm direkt auch kurzfristig Arbeitsplätze im Schiffbau. Wir sollten uns alle über die positiven Signale bei HDW freuen.

(Beifall bei der SPD)

Das Land hat sich hier seiner Verantwortung übrigens nie entzogen.

Meine Damen und Herren, das Geschehen im Irak erinnert nicht nur an die global vorhandene Gefahr von Terroranschlägen, sondern führt auch die Bedeutung der inneren Sicherheit, die ja eine objektive und eine subjektive Seite hat, anschaulich vor Augen. Zwar kann die Regierung weder das Justiz- noch das Innenministerium von Einsparverpflichtungen ausnehmen, wohl aber dafür sorgen, dass der erreichte hohe Standard gehalten und an bestimmten Stellen sogar ausgebaut werden kann. Ich bin froh, dass Schleswig-Holstein - das zeigt sich auch im Haushalt - dem Ideal eines liberalen Rechtsstaates verpflichtet ist und bleibt, zumal man sieht, wo man mit der Hau-drauf-und-sperr-weg-Ideologie landen kann. Die Schill-Partei ist schon ein famoser Koalitionspartner für die CDU in Hamburg. Das werden die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein zu bewerten wissen.

(Zuruf von der CDU: Und wie ist es mit der PDS in Mecklenburg-Vorpommern?)

Wir haben für die Polizei und die Justiz einen großen Teil der Tariferhöhungen finanziert. Dies verpflichtet in hohem Maße dazu, mit strukturellen Verbesserungen und dem Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik Effizienzgewinne zu erwirtschaften, die dem Gesamthaushalt und dem Haushalt der beiden Ministerien zugute kommen werden. Davon sollen eben auch die Polizeibeamten in den unteren Gehaltsgruppen profitieren. Die Potenziale der Polizeireform 3 werden bei der Nachschiebeliste sichtbar werden. Der Kollege Buß und ich sind in dieser Hinsicht durchaus einer Meinung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer bei Strukturreformen wegen Scheuklappen nicht über die

Elbe sehen kann, vergibt leichtfertig Chancen, Leistungen besser und günstiger zu erbringen. Deswegen kooperiert Schleswig-Holstein mit Hamburg, um über Fusionen und Kooperationen Effizienzpotenziale zu erschließen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Mit dem Schill- Senat! Unglaublich!)

Wichtig ist insbesondere aber auch die Neuorganisation der Verwaltungsebenen im Lande. Nach der Maßgabe, dass die Leistungen bürgernah, wirtschaftlich und professionell erbracht werden müssen, sind wir in umfassende Verhandlungen mit den Kommunen eingetreten. Trotz der neuen politischen Mehrheitsverhältnisse haben die Kommunen auf unser Angebot bisher überwiegend positiv reagiert und ich hoffe, dass es dabei bleibt, dass nun konstruktiv an den konkreten Vorhaben mitgearbeitet wird und keine Blockadepolitik - von der an der einen oder anderen Stelle in CDU-Parteigremien gemunkelt wird - Platz greift.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Die Regierung jedenfalls wird Ihnen keinen Vorwand liefern, indem sie etwa mangelnden Mut beweist. Gemeinsam mit dem Innenminister und der Chefin der Staatskanzlei hat das Finanzministerium ein hohes Interesse an einer zügigen Umstrukturierung. Bei den gemeinsamen Neuregelungen - auch dies will ich sagen - geht es nicht etwa um eine Machtbeschneidung des grünen Koalitionspartners oder des Umweltministers im Besonderen. Er wird Ihnen nicht den Gefallen tun, hier den Buhmann zu spielen. Wir werden vielmehr in allen Ministerien Aufgaben abgeben und Strukturen verschlanken müssen. Es wird keine Aufgabenabgabe um der Aufgabenabgabe willen geben, sondern es wird immer sinnvoll, professionell und effizient gehandelt werden. Wir werden dann schauen, was die Kommunen tun.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Verhandlungen über die Überführung des Landeszuschusses für Kindergartenplätze auf die Kommunen - bei diesem Thema würde ich an Ihrer Stelle jetzt ganz still sein, Herr Kalinka; ich wiederhole: 1988 700.000 €, heute 60 Millionen € - gehen allen Unkenrufen zum Trotz zügig voran. Die im Kita-Gesetz festgelegten Standards, die zunächst für zwei Jahre durch das Haushaltsgesetz aufgehoben werden sollen, werden durch eine Rahmenvereinbarung ersetzt, auf die in der parlamentarischen Beratung des Haushaltsgesetzes, Frau Kollegin Heinold, noch verwiesen

(Minister Dr. Ralf Stegner)

werden muss. Das ist eine Vereinbarung, die den Kommunen im Übrigen mehr Flexibilität gibt, ohne die Qualität der Betreuung zu gefährden. Wir sind hierbei mit den Kommunen nach allem, was ich weiß, einer Meinung und auch die Einbeziehung der Wohlfahrtsverbände ist auf einem guten Weg.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so wie ich für das Land eine auskömmliche Ausstattung mit finanziellen Mitteln einfordere, so müssen auch die Kommunen auskömmlich ausgestattet werden. Obwohl die Kommunen nach wie vor reicher sind als das Land, wird sich das Land nicht auf Kosten der Kommunen sanieren. Umgekehrt geht es aber auch nicht. Eine Politik nach dem Motto: Der eine - der Bund - verspricht den anderen - den Kommunen - Entlastung und die Dritten - die Länder - sollen dies bezahlen, wird die Landesregierung nicht mitmachen, auch wenn der Vorschlag von der rot-grünen Bundesregierung kommt.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das mit der Parteitaktik kann man durchaus anders machen als Sie, Herr Schlie. Konkret bedeutet dies: Wir beenden wie vereinbart den Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich, der angesichts der im Vergleich damals etwas besseren Kassenlage der Kommunen leider notwendig war. Das heißt, wir stehen fest an der Seite der Kommunen für dauerhaft stabile Einnahmen.

(Lachen bei der CDU)

Wir unterstützen das Kommunalmodell zur Reform der Gewerbesteuer. Wir werden nachher noch darüber reden. Ich freue mich, dass wir Ihre schönen Anträge haben. Dabei wird nämlich deutlich werden, dass die FDP eine kommunalfeindliche Position vertritt und dass Sie im Gegensatz zu uns zerstritten sind.

(Beifall bei der SPD)

Genauso wie die wirtschaftliche Erholung erst später eintreten wird, werden auch die Maßnahmen der Landesregierung ihre volle Kostenwirkung erst 2005 entfalten. Deswegen sind zur Deckung des Haushaltes 2004 einmalige Einnahmen von rund 365 Millionen € notwendig. Diese resultieren aus der Haftkapitalvergütung für die Landesbank und den Erlösen aus dem Verkauf von LEG-Anteilen und von NordwestLotto. Ich kann nachvollziehen, dass besonders der Verkauf der LEG-Anteile größeren Teilen des Parlaments Sorge bereitet. Ich meine damit nicht diejenigen auf den rechten Seite, die sich ständig in Kraftmeiereien ergehen und sagen, sie würden mehr Geld erzielen. Nein, ich meine diejenigen auf der linken Seite, die sich um die betroffenen Mieterinnen

und Mieter und um die Aufgaben der Landesentwicklung sorgen. Der Respekt vor dem Beratungsbedarf des Parlaments gebietet es, dass wir auf eine schnelle Beschlussfassung im August verzichten, sondern sorgfältig beraten und die Fragen, die zum Beispiel Frau Kähler gestellt hat, sorgfältig beantworten und alle Sorgen ausräumen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Auf einmal!)

Was Lotteriegesetz und Haftkapitalvergütung angeht, so werden wir das, was wir wollen, in diesem Jahr nicht mehr realisieren können. Ich gebe gerne zu, dass uns das 2004 helfen wird. Das wird dann sozusagen die letzte Marge sein. Wir werden trotzdem einen verfassungsgemäßen Haushalt haben, jedenfalls bis zum Vorziehen der Steuerreform, die in 14 von 16 Ländern dazu führen wird, dass man keine Haushalte mehr haben wird, bei denen die Kredite kleiner sind als die Investitionen.

Meine Damen und Herren, es wäre wesentlich einfacher gewesen, hier zu sagen: Der Staat ist pleite; Sie wissen das, ich weiß das; wir können wenig tun. - Ich bin mir sicher, dass wir gleich eine Rede mit einem solchen Tenor hören werden, vielleicht noch mit dem Zusatz, wenn Sie auf der Regierungsbank säßen, wäre es besser. Das werden Sie sicherlich dann auch sagen. Natürlich werden Sie dann auch Vorschläge machen. Ihren Vorschlägen fehlte in der Vergangenheit aber immer ein klitzekleines Detail, nämlich eine seriöse Gegenfinanzierung. So ist das mit Ihren Vorschlägen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sagen Sie doch einmal, was Sie ma- chen würden!)

Es bleibt dabei: Wir haben eine gesamtwirtschaftliche Verantwortung. Wir müssen antizyklische Stabilisatoren wirken lassen. Wir dürfen die öffentliche Nachfrage nicht auf null setzen. Deswegen dürfen wir den Kommunen auch nicht ihre Möglichkeiten entziehen. Natürlich kommt es besonders auf Investitionen an. Wir müssen in den Schwerpunktbereichen in der Lage sein, Investitionen vorzunehmen, und wir müssen gleichzeitig anderswo Leistungen abbauen. Bürokratieabbau und Steuervereinfachung müssen auch im überregulierten, überbürokratisierten und verrechtlichten Deutschland möglich sein. Das müssen wir schaffen. Genauso müssen wir Subventionen abbauen und Steuerbetrug verhindern.

All das hat Dimensionen, die der Größenordnung der Steuerreform entsprechen. Ich glaube, wir brauchen auch mehr Standfestigkeit gegenüber den allzu mächtigen oder auch nur allzu lautstarken Lobbyinteressen, eine Standfestigkeit, die für meinen Geschmack, auch

(Minister Dr. Ralf Stegner)

wenn ich etwa an die Gesundheitspolitik denke, in Berlin ebenfalls ausgeprägter sein könnte.

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir können die Stagnation nur beenden, indem wir Sozialreformen vorantreiben und in einem vernünftigen Gesamtkonzept trotz aller Haushaltsbedenken mit dem Vorziehen der Steuerreform stimulierende Impulse setzen. Wir werden den Bund in dieser Frage also unterstützen, und zwar auf kritische Weise. Wir werden dafür sorgen, dass die Dinge in diesem Land nicht konterkariert werden.

Natürlich müssen wir in diesem Jahr die konjunkturell bedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen in einem Nachtragshaushalt ausgleichen. Ich stelle mich auf die Prügel von Ihnen auf der rechten Seite des Hauses im Dezember ein. Ich sage Ihnen, wie es viele Kollegen in anderen Ländern auch tun, aber zugleich: Das ist alternativlos. Wir werden das tun müssen. Wir werden auf diese Weise dem wirtschaftlichen Ungleichgewicht entgegenarbeiten, statt eine konjunkturpolitische Vollbremsung vorzunehmen und den zarten Aufschwung abzuwürgen. Deswegen steigen die Ausgaben 2004 stärker als 2005, wenn der Aufschwung robuster sein dürfte. 2006 soll das Investitionsprogramm dann nicht mehr mit Krediten finanziert werden müssen. Übrigens hat Herr Stoltenberg, auf den Sie sich immer so gerne berufen, seine Investitionen in den 70er-Jahren ständig auf Rekordhöhe mit Krediten finanziert. 1979 betrug die Kreditfinanzierungsquote 16,4 %, heute beträgt sie 7,4 %. Auf so unsolide Weise könnten wir unsere Investitionsquote allerdings auch steigern. Das tun wir aber nicht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern ist der kurzfristige Anstieg der Nettoneuverschuldung notwendig. Er entspringt der Einsicht in die ökonomischen Notwendigkeiten. Der Abbau der Staatsverschuldung muss dennoch konsequent weiter betrieben werden. Wir haben keine kurze Gewitterwolke, hinter der ein klarer Himmel wartet. Kurzfristiges, hektisches Sparen am falschen Platz würde das genaue Gegenteil von dem bewirken, was wir können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Miesmacherei hilft nicht weiter. Ich wiederhole: Weite Teile der Welt würden sich unsere Probleme wünschen. Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir nicht jammern oder uns gegenseitig beschimpfen,

(Zurufe von der CDU: Was machen Sie denn die ganze Zeit!)

sondern mit kurz-, mittel- und langfristigen Strategien und Maßnahmen an der Lösung der Probleme arbeiten und dabei klar und deutlich sagen, wohin die Reise geht. Wir dürfen nichts Unmögliches versprechen außer einen schweren Weg, der von allen etwas fordert.

Die ersten Reaktionen auf unseren Regierungsentwurf - Herr Abgeordneter Kayenburg, das war nicht sehr vornehm, was Sie dazu gesagt haben -

(Zurufe von der CDU)

zeigen, dass die Opposition ein Besorgnis erregendes statisches Weltverständnis hat, das selbst durch Rückgriff auf Ihre konservative Grundhaltung nicht erklärt werden kann. Sie haben doch früher immer Rot-Grün Wachstumsfeindlichkeit vorgehalten. Nun stehen Sie selbst in dieser Ecke. Sie tun so, als ob alles so bleibt, wie es ist.

Herr Abgeordneter Neugebauer, ich sehe die kommenden Beratungen zwischen Bund und Ländern gewiss nicht durch die rosarote Brille; aber so viel Miesmacherei und Neinsagerei traue nicht einmal ich der Union zu, dass sie tatsächlich jeden Fortschritt im Bundesrat verhindert. Allein bei einer solchen Annahme, dass Sie das tun, Herr Kayenburg, würden die globalen Minderausgaben und Mehreinnahmen für 2005 tatsächlich zu einer katastrophalen Deckungslücke führen und nur dann ergäbe Ihre Kritik Sinn. Ich sage Ihnen aber auch: Wenn Sie das tun, freue ich mich richtig auf die Landtagswahl, denn dann können wir gar nicht verlieren. Die Bürger werden es nämlich nicht akzeptieren, dass Sie so mauern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU)

Mit der Kombination von verbesserten bundes- und landesweiten Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung, mit harten Einschnitten in öffentliche Leistungen, mit einer Effizienzoffensive bei den Verwaltungsstrukturen, mit einer erheblichen Portion mehr Flexibilität im Haushalt, die das Ressortprinzip achtet und nicht so tut, als wisse der Finanzminister alles besser, mit all dem werden wir die Weichenstellungen in diesem Haushalt vornehmen. Es ist ein Entwurf mit eigenem Profil, mit deutlichen Schwerpunkten bei Bildung, Arbeitsplätzen und innerer Sicherheit, ein Entwurf, in dem wir uns unserer sozialen und ökologischen Verantwortung stellen und das Gemeinwohl im Auge haben, was immer mehr sein muss als die Addition von Einzelinteressen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir in den kommenden

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Jahren handlungsfähig bleiben. Wir investieren in die Zukunft, wir modernisieren unsere Strukturen, wir verändern, was verändert werden muss, und wir unterstützen diejenigen, die Hilfe brauchen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte vor allem meine eigene Fraktion um Unterstützung bitten für den schwierigen Weg, der noch vor uns liegt. Es erfordert Mut, vor den Wahlen bei den Förderprogrammen und beim Personal zu kürzen. Es erfordert Mut, vor den Wahlen die Anteile an der LEG zu verkaufen. Dies alles ist nur tragbar mit einer starken sozialen Komponente und mit regionalem Ausgleich. Dennoch werden auch die Schwachen betroffen werden und es wird schmerzhafte regionale Einschnitte geben, da wir kein Geld für teure Kompensationsprogramme haben. Wir sollten nicht mitmachen bei der Wählertäuschung, vor der Wahl Dinge zu versprechen, die wir nicht halten können, und wir sollten nicht glauben, die Wähler seien dümmer, als sie in Wirklichkeit sind.

Herr Abgeordneter Hentschel, ich weiß, dass auch der grüne Koalitionspartner insbesondere für den KitaBereich Mut und Vertrauen braucht; ich bin zuversichtlich, dass Sie ihn aufbringen werden.