Protocol of the Session on June 19, 2003

Mit unserem heutigen Landtagsantrag setzen wir folgende Eckpunkte:

Das neue Gesetz soll bereits zum 1. Januar 2004 in Kraft treten. Das ist nicht selbstverständlich. Das stelle ich fest, wenn ich die Diskussion auf Bundesebene verfolge. Da müssen wir Druck machen.

(Monika Heinold)

Es soll die Finanzkraft der Kommunen schnell und deutlich stärken.

(Zurufe von der CDU)

- Warum geht es denn nicht voran? Weil unter anderem Ihre Partei es nicht einmal schafft, sich zu positionieren.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden! - Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)

Die Gewerbesteuer mit eigenem Hebesatz für die Kommunen soll erhalten bleiben. Auch dazu erbitte ich Ihren Kommentar, ob Sie es wollen oder nicht.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Sie wissen nicht, wovon Sie reden!)

Durch die Verbreiterung der Steuerungsbemessungsgrundlage sollen verlässliche und konjunkturunabhängigere Einnahmen geschaffen werden.

Freiberufler sollen sich an der Gewerbesteuer beteiligen. Damit orientieren wir uns an dem Modell einer modernisierten Gewerbesteuer, welches die kommunalen Landesverbände vorgeschlagen haben und welches auch vom Land Nordrhein-Westfalen mit entwickelt worden ist.

Unser Ziel ist es, dass die Gemeinden ihre Finanzautonomie und das Hebesatzrecht behalten, dass Einnahmen konjunkturunabhängiger und damit wieder kalkulierbarer werden.

Die Grünen wollen eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer. Damit wird der Grundgedanke der Gewerbesteuer, dass die Wirtschaft dafür zahlt, dass ihnen die Kommunen Infrastruktur bereitstellt, wieder gestärkt. Bei einer reinen gewinnbezogenen Steuer rechnen sich Betriebe immer wieder arm. Durch eine Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlage ist das nur noch eingeschränkt möglich. Die Besteuerung würde gleichmäßiger und gerechter verteilt. Eine Senkung der Steuermesszahl würde möglich. Wichtig ist, dass es bei der Anrechung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld zu einem vereinfachten Verfahren kommt.

Wirtschaftsstandorte werden auch danach ausgesucht, welches kulturelle Angebot vor Ort besteht, ob Kindertagesstätten und Schulen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Betriebe vorhanden sind, ob die bauliche Infrastruktur stimmt. Betriebe und Kommunen sind aufeinander angewiesen. Es ist ein gegenseitiges Nehmen und Geben. Die Gewerbesteuer ist ein Band zwischen den Kommunen und der örtlichen Wirtschaft. Deshalb wollen wir sie nicht abschaffen,

sondern modernisieren. Meine Fraktion fordert, dass durch die Abschaffung der gewerblichen Organschaft jeder Betrieb wieder vor Ort Gewerbesteuer zahlen muss.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Den Kommunen machen nicht nur die wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen Sorgen, sondern sie können auch die hohen Sozialhilfeabgaben nicht mehr schultern. Deshalb fordern wir mit dem heutigen Antrag auch, dass die Neuordnung der Arbeits- und Sozialverwaltung, die beschlossen ist - da geht es gar nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie - zu einer deutlichen finanziellen Entlastung der Kommunen führt. Wenn die Agenda 2010 greift und wenn die Hartz-Vorschläge komplett umgesetzt sind, werden weniger Menschen in der von den Kommunen und vom Land finanzierte Sozialhilfe sein.

Diese finanziellen Entlastungen brauchen die Kommunen dringend, um wieder handlungsfähig zu sein. Allein der steigende Bedarf der Kinderbetreuung in Kindertagesstätten und Schulen belastet die Kommunen finanziell erheblich. Um diese von allen gewollten gesellschaftlichen Aufgaben leisten zu können, müssen die Kommunen wieder mehr Einnahmen haben und an anderer Stelle entlastet werden.

Aber auch notwendige Investitionen dürfen nicht länger zurückgestellt werden, denn gerade die kommunalen Investitionen sind für die örtliche Wirtschaft überlebensnotwendig. Damit die Kommunalpolitiker nicht Schuldenverwalter sind, sondern vor Ort gestalterisch wirken können, darf außerdem eine Aufgabenübertragung auf die Kommunen nur noch dann erfolgen, wenn der Bund gleichzeitig einen entsprechenden finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastung gibt. Sie haben ehrlicherweise Kindertagesstätten angesprochen. Da hat die CDU damals noch als Bundesregierung den Kommunen mit dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz eine Riesenaufgabe übergeben, ohne dafür aufzukommen.

(Zuruf von der CDU: Das ist fraktionsüber- greifend gewesen!)

Das haben Sie ehrlicherweise angesprochen.

(Zuruf von der CDU: Ich denke, die Landes- regierung hat das alles gemacht!)

Ich sage Ihnen: Angenommen, es gäbe im Bund einen Antrag von Rot-Grün, dass das Konnexitätsprinzip ins Grundgesetz geschrieben werden sollte, bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob Ihre Bundespartei das mitmachen würde. Wenn, würde sie das nur machen,

(Monika Heinold)

solange sie in der Opposition ist. - Auch das haben wir in unserem Antrag festgeschrieben.

Nur ein langfristiges Konzept zur Sicherstellung der kommunalen Einnahmen und Ausgaben und Ausgabeverantwortung in einer Hand wird dazu führen, dass wir auch zukünftig lebendige Kommunen haben, in denen Ehrenamtler ihre Freizeit zur Verfügung stellen, um unsere Gesellschaft mit zu gestalten.

Aber es ist nicht nur die Gewerbesteuer, welche die finanzielle Situation bestimmt, denn die Kommunen leben auch von der Lohn- und Einkommensteuer. Deshalb appelliere ich erneut an die CDU, sich im Bundesrat nicht quer zu stellen, wenn es um den Abbau von Steuervergünstigungen geht. Die CDU nennt das immer lieber Subventionsabbau.

Die letzte CDU-Blockade im Bundesrat führte bei den Kommunen allein im Jahr 2004 zu Mindereinnahmen in Höhe von 2,1 Milliarden €. Ein Teil davon ist durch die Zusammenarbeit der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück wieder repariert. Ich wünsche dieser großen Koalition von Bundestag und Bundesrat viel Erfolg beim weiteren notwendigen Subventionsabbau.

Die kurzfristigen Hilfen des Bundes für die Kommunen in Gestalt der Entlastung vom Beitrag zum Flutopfersolidaritätsfonds in Höhe von über 800 Millionen € und das kommunale Investitionsprogramm des Bundes sind nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur finanziellen Entlastung der Kommunen. Der entscheidende Schritt ist ein zu schnürendes Paket, welches mit einer modernisierten Gewerbesteuer, mit einer Entlastung der Kommunen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und durch eine enge Kooperation von Arbeitsämtern und Kommunen zur dauerhaften Entlastung der Kommunen führt.

Die Stärkung des finanziellen Handlungsspielraums der Kommunen hat auch wichtige beschäftigungspolitische Impulse. Im Rahmen dieses Gesamtpakets muss auch über die Höhe einer eventuellen Senkung der Gewerbesteuerumlage neu entschieden werden.

Aber trotz aller Bemühungen, die Einnahmen für die Kommunen zu stabilisieren, müssen sich auch die Kommunen Gedanken darüber machen, ob sie durch Zusammenarbeit, durch Zusammenlegung von Verwaltungen, Einsparpotenziale haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedanke mich herzlich beim Landesrechnungshof - der jetzt nicht mehr vertreten ist - für seinen Kommunalbericht. Ich erwarte mit Spannung die Ausarbeitung im Herbst, mit der er uns eine gute

Grundlage für die weitere Beratung einer Gebietsreform - das mögen Sie nicht hören -, also einer Zusammenarbeit von Verwaltungen, geben wird.

(Jürgen Feddersen [CDU]: Mögen wir schon hören, aber wir wollen sie nicht!)

Die Stadt Fehmarn hat uns vorgemacht, wie gespart werden kann, ohne dass die Bürger und Bürgerinnen leiden. Auf Sylt gibt es eine Bürgerinitiative, welche die Gemeinden zusammenführen will. Andere Gemeinden fangen an zu hinterfragen, ob es denn wirklich notwendig ist, eine Stadt- und eine Amtsverwaltung direkt nebeneinander zu haben. Auch in dieser Debatte hilft uns keine Blockade, sondern wir brauchen mutige Politiker und Politikerinnen, die die Diskussion mit eigenen Vorschlägen bereichern.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich formuliere meinen letzten Satz, Herr Präsident.

Dies ist ein Bereich, den wir gemeinsam mit den Kommunen ohne den Bund lösen können. Packen wir es an.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Steuerschätzung Anfang Mai hat erneut die katastrophale Finanznot der Kommunen deutlich gemacht. Laut dem Deutschen Städtetag befinden sich die Kommunen in der schwersten Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Betroffen sind mittlerweile bundesweit nicht nur strukturschwache, sondern auch viele andere Städte - mit sichtbaren Folgen für die Bürgerinnen und Bürger. Obwohl sie ihre Ausgaben mit einem strikten Sparkurs seit Jahren in Schach halten, rutschen immer mehr Kommunen angesichts sinkender Einnahmen und steigender Ausgaben in ein chronisches Defizit hinein.

Der Landesrechnungshof hat bei der Vorstellung seines Kommunalberichts 2003 deutlich gemacht, wie ernst die Lage auch für die schleswig-holsteinischen

(Anke Spoorendonk)

Kommunen bereits ist. Nach einer leichten Erholung in den Jahren 1999 und 2000 hat sich die finanzielle Situation der Kommunen in Schleswig-Holstein nach Ansicht des Landesrechnungshofs in den letzten zwei Jahren wieder deutlich verschlechtert.

Als Folge dieser Entwicklung ist neben rückläufigen Investitionsausgaben eine Zunahme der Kreditfinanzierungen und damit ein weiterer Anstieg der Verschuldung festzustellen. Immer weniger Kreise und kreisfreie Städte haben überhaupt noch einen freien Finanzspielraum. Von den anderen Gebietskörperschaften konnten viele ihren Haushalt nur über Rücklageentnahmen oder außerordentliche Veräußerungen ausgleichen.

Hauptursache der finanziellen Probleme ist der dramatische Ausfall der Steuereinnahmen in den letzten Jahren bei gleichzeitig steigenden Kosten, insbesondere der Sozialausgaben. Die Ursache ist nicht nur in der schwachen Konjunktur, sondern auch in der verfehlten Unternehmensteuerreform des Jahres 1999 und den Auswirkungen des Steuersenkungsgesetzes 2001 zu suchen. Sowohl die Körperschaft - als auch die Gewerbesteuererträge der Kommunen brachen danach massiv ein. Wesentliche Ursache sind also auch die Verschiebebahnhöfe, über die Bund und Länder Ausgaben auf die Kommunen abwälzen, um die Steuern zu deren Lasten umzuverteilen. Der Anteil der Kommunen an den gesamten Steuereinnahmen ist von 14 % im Jahre 1980 auf 11,9 % im Jahre 2002 gesunken und wird 2003 weiter zurückgehen. Das sind die Zahlen.

Das hat auch die Bundesregierung erkennen müssen und zurzeit - das wissen Sie alle - berät eine Arbeitsgruppe in Berlin über eine Gemeindefinanzreform, die zum 1. Januar 2004 in Kraft treten soll. Dabei stehen sich in dieser Arbeitsgruppe grundsätzlich zwei verschiedene Fraktionen mit unterschiedlichen Lösungsansätzen gegenüber, zum einen die kommunalen Spitzenverbände, die eine Modernisierung der Gewerbesteuer und eine Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe befürworten, zum anderen die Wirtschaftsverbände, die die Gewerbesteuer am liebsten ganz abschaffen und durch eine Erhöhung des kommunalen Anteils an der Einkommensteuer ersetzen würden. Die Landesregierung und auch die regierungstragenden Fraktionen unterstützen in dieser Frage eindeutig die Forderung der kommunalen Spitzenverbände nach einer Modernisierung der Gewerbesteuer. Das geht aus dem vorliegenden Antrag hervor. Für den SSW kann ich hinzufügen, dass wir diesen Antrag unterstützen, weil wir jetzt einfach kurzfristig schnelle finanzielle Hilfe für die Kommunen brauchen.

Der Kernpunkt der vorgeschlagenen Modernisierung ist zum einen eine Erweiterung des Kreises der Steuerpflichtigen durch die Einbeziehung aller Selbstständigen in die Gewerbesteuer. Wichtig ist dabei allerdings, dass kleine Betriebe, Existenzgründer und Freiberufler durch Freibeträge und Teilanrechnungen der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer nicht über Gebühr belastet werden sollen. Das ist natürlich ein entscheidender Punkt, denn wir brauchen gerade diese Unternehmer, um neue Arbeitsplätze und neues Wachstum vor Ort zu schaffen.

Zum anderen wird vorgeschlagen, dass die Bemessungsgrundlage durch konjunkturunabhängige Gewerbesteuereinnahmen verbreitert werden soll. Hier ist an eine Hinzurechnung sämtlicher Zinsen und Zinsanteile der Mieten, Pachten und Leasingraten auf den Gewerbeertrag gedacht. Ich muss zugeben, dass wir diesen Teil des Modells sehr intensiv diskutiert haben; denn diese konjunkturunabhängigen Gewerbesteuerelemente dürfen auf keinen Fall dazu führen, dass kleinere und mittlere Unternehmen, die in einem Jahr wegen einer schlechteren Konjunktur weniger verdienen, zum Konkurs gebracht werden. Man muss sich von vornherein überlegen, was die Konsequenzen sind.