Protocol of the Session on February 20, 2003

(Klaus Schlie)

auch Sie nicht bezweifeln. Das rechtliche Instrumentarium dafür steht im Grundgesetz zur Verfügung. Es muss endlich Schluss sein mit der Aufgabenverlagerung vom Bund auf die Kommunen. Im Grundgesetz muss das Konnexitätsprinzip verankert werden. Nach zweimaligem Widerstand haben Sie das jetzt auch begriffen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Allerdings sollten Sie sich bis zum Inkrafttreten dieses Konnexitätsprinzips - bis dahin ist es noch ein weiter Weg - selbst verpflichten, Herr Minister, sich als Landesregierung bei Abstimmungen im Bundesrat gemeindefreundlich zu verhalten und keinen Aufgabenverlagerungen vom Bund auf die Gemeindeebene zustimmen. Das wäre ein erster guter Schritt, wenn Sie das unterließen.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Erst das Land, dann die Partei!)

Wir halten die Forderung der kommunalen Landesverbände nach einem Konsultationsmechanismus nach österreichischem Vorbild für richtig. Das bedeutet, wenn eine staatliche Ebene Regelungen mit Kostenfolgen treffen will, müssen sich alle Beteiligten - also beispielsweise der Bund, die Länder und die Gemeinden - über die Finanzierung einigen. Kommt eine derartige Einigung nicht zustande, trägt die Ebene die Kosten, die eine neue Aufgabe beschließt, oder die Neuregelung tritt erst gar nicht in Kraft. Das ist doch ein ganz vernünftiger Ansatz.

Die Folge eines derartigen Deregelungsmechanismus wäre die Verhinderung von willkürlichen Aufgaben- und Kostenverlagerungen, die Einschränkung der öffentlichen Verschuldung und sicherlich auch eine tatsächliche Eindämmung der Gesetzes- und Verordnungsflut.

Manchmal hat man wirklich den Eindruck - so heute übrigens bei Ihrem Beitrag, Herr Minister -, als würde die Forderung nach einer Reform der Gemeindefinanzen der Schlüssel zur Lösung der Probleme sein.

Die 1998 vom Bund eingesetzte Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen, die erst im Mai 2002 - also 2 Jahre später - konstituiert wurde, hat wichtige Themen wie die Neuverteilung von Aufgaben, die Neuaufteilung von Ausgaben und Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden oder die Fragen des Aufgabenabbaus, der Standardfreigabe, des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz oder des Konsultationsmechanismus überhaupt nicht aufgegriffen. Das aber sind doch die entscheidenden Fragen, um die es geht. Es bedeutet doch, Gemeinden

hinter das Licht zu führen, wenn man glaubt, mit dem geringen Arbeitsauftrag irgendetwas zu erreichen.

(Zurufe der CDU: So ist es !)

Wir fordern deshalb eine sofortige Senkung der Gewerbesteuerumlage auf ihr früheres Niveau.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das hohe Maß gesetzlicher Mindeststandards mit zum Teil erheblichen Kosten für die Kommunen - dafür sind wir hier in Schleswig-Holstein selbst verantwortlich - wird von den Kommunen und von der Opposition im Landtag seit Jahren kritisiert. Wir haben mehrmals Anträge zur Standardfreigabe und Deregulierung in den Landtag eingebracht. Leider wurden sie genau so abgelehnt wie das Standardöffnungsgesetz der FDP.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, wir haben es nicht abgelehnt. Das ist völliger Unsinn. Sie müssen die Rede noch einmal nachlesen. Wir haben uns der Stimme enthalten, weil wir an einer einzigen Stelle ein Problem hatten. Das haben wir in den Ausschussberatungen auch deutlich gemacht. Nur wie bei allen Anträgen und Gesetzesvorhaben der Opposition sind Sie gar nicht bereit, sich damit sachlich auseinander zu setzen. Sie stimmen das einfach alles so ab, weil Sie einfach nicht in der Lage sind zuzuhören und sich in der Sache mit dem Problem auseinander zu setzen.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Sehr gut! - Zuruf der Abgeord- neten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dem neu vorliegenden Vorgabenbefreiungsgesetz - wer schreit, Frau Heinold, hat nicht Recht - wollen wir nun einen erneuten Versuch unternehmen, um eine Standardöffnung in Schleswig-Holstein zu erreichen. Wir glauben übrigens im Gegensatz zu Ihnen, Herr Minister, dass in § 62 des Landesverwaltungsgesetzes möglicherweise sogar eine Frist von 5 Jahren ausreicht. Ihre rechtlichen Bedenken bitte ich einmal mit Ihrem hessischen Kollegen abzuklären. Wir haben eine solche fünfjährige Frist. Der Rechtsstaat ist dadurch nicht zusammengebrochen, aber die Aufgabenflut ist eingedämmt worden. Und das ist doch ein vernünftiger Weg.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich meine, wir müssen uns mit den entscheidenden Dingen der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Land und den Kommunen auf der Grundlage des von uns selbst als Landtag in Auftrag gege

(Klaus Schlie)

benen Gutachtens von Professor Kirchhof nun endlich beschäftigen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir brauchen eine Neuordnung dieser Finanzbeziehungen. Wir brauchen eine Neuordnung des quotalen Systems.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hatten doch einen Sonderausschuss!)

Wir haben das alles vorangebracht. Die Enquetekommission, der Sonderausschuss, ist doch letztlich daran gescheitert, dass Sie bei Rot-Grün politisch nicht in der Lage waren, zielgerichtete Vorschläge zu machen und Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei CDU und FDP - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, weil Sie keine Lust hatten!)

Die Flut immer neuer Vorschriften führt zu immer neuen Aufgaben und damit zu einer neuen Gängelung der Kommunen. Ein Ende ist leider nicht absehbar. Wir wollen daher eine Überprüfung von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften und ein System entwickeln, das dazu führt, dass wir zu einer konsequenten Verringerung kommen.

Die zunehmende Handlungsunfähigkeit der Kommunen wird die Entfremdung von der Politik und vom Staat leider noch weiter beschleunigen. Längst stellt man sich nicht nur die Frage nach der kommunalen Selbstverwaltung, sondern auch nach der Zukunft unseres Gesellschaftsmodells insgesamt, das doch vom ehrenamtlichen Engagement unserer Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker in den Gemeinden, in den Kreisen lebt. Aber wenn wir ihnen keine Chance mehr geben, mit entsprechenden ausreichenden finanziellen Mitteln die Daseinsvorsorgeaufgaben zu lösen, machen wir dieses Engagement kaputt. Und das darf nicht so sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Wer Bürgernähe und Subsidiarität ernst nimmt, muss das Gemeinwesen von unten stärken und nicht von oben Wohltaten verkünden, die andere bezahlen. Wir müssen jetzt handeln. Und schnacken Sie hier nicht herum, arbeiten Sie mit uns gemeinsam im Innen- und Rechtsausschuss die Vorschläge ab. An den Ergebnissen werden wir Sie messen. All die Menschen, die jetzt draußen ehrenamtlich bereit sind, wiederum für die Gemeindeparlamente zu kandidieren, werden Sie auch daran messen. Und ob Sie mich nachäffen, Frau Heinold oder nicht - ich habe Recht.

(Heiterkeit und anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDUFraktion hat zwei Anträge eingebracht, erstens einen Gesetzentwurf zur finanziellen Entlastung der Kommunen in Schleswig-Holstein und zweitens den Entwurf einer Entschließung zur Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit. Der letztgenannte Gesetzentwurf enthält den Entwurf eines Vorgabenbefreiungsgesetzes und in Artikel 2 einen Vorschlag zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes, beinhaltend eine Befristungspflicht für Verordnungen auf zehn Jahre.

Das Vorgabenbefreiungsgesetz entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem Standardöffnungsgesetzentwurf der FDP-Fraktion, den der Landtag kürzlich nach ausführlicher Diskussion begründet abgelehnt hat. Ein Gesetzentwurf wird nicht dadurch besser, meine Damen und Herren, dass man ihn statt „Standardöffnungsgesetz“ „Vorgabenbefreiungsgesetz“ nennt und dass man statt FDP CDU darauf schreibt.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir beantragen, diesen Gesetzentwurf in den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, werden dort dieselbe Debatte zum wiederholten Male führen, werden den kommunalen Landesverbänden Gelegenheit geben, zu ihrem eigenen Gesetzentwurf - denn das ist er ja, Sie haben ihn dort abgeschrieben - Stellung zu nehmen, und werden aus der Anhörung heraus dann in zweiter Lesung des Plenums auch über diesen Gesetzentwurf beschließen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ihr lernt noch da- zu! - Weitere Zurufe von der CDU)

Auf den ersten Blick interessanter ist der Entschließungsantrag der CDU, allerdings nur auf den ersten Blick.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Antrag ist sieben DIN-A4-Seiten lang. Herr Kollege Schlie, Sie wollten hier nicht auf die Schuldzuweisung eingehen. Worauf beruht denn die Situation der Gemeinden? Der eigentliche Antragsteil soll uns hier als Landtag feststellen lassen, dass Rot-Grün in

(Klaus-Peter Puls)

Bund und Land verantwortlich ist für die Misere in den Kommunen.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Genau, so ist es!)

Mit anderen Worten: Sie können doch nicht erwarten, Herr Kollege Schlie, dass wir so einem Antrag in der Sache zustimmen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie müssen doch ehrlich sein!)

Sie wollen das auch gar nicht, Herr Kollege Schlie; denn der Rest des Antrages, die restlichen 6 ¾ DINA4-Seiten, ist ein unsystematisches Sammelsurium kommunalpolitischer Einzelforderungen,

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Feststellungen, Behauptungen und Bewertungen, die offenbar in aller Schnelle zusammengestoppelt worden sind.

(Widerspruch bei der CDU)

Insgesamt stellt sich dann Ihr Entschließungsantrag als durchsichtiger, aber im Ergebnis untauglicher Versuch dar, sich eineinhalb Wochen vor der Kommunalwahl bei der kommunalen Familie noch einmal wortreich anzubiedern und einzuschmeicheln.