Das Hamburger Umland hätte mit 50 oder jetzt 75 Lehrerstellen nur einen Bruchteil der Ausstattung, die in einem vergleichbaren Bereich in Hamburg zur Verfügung gestanden hat. Das bedeutet in der Konsequenz: Wenn man den starren Zeitrahmen wirklich mit Lehrerstunden abdecken will, müssten die Schulen alles, was sie bislang an Stunden für Förder- und Differenzierungsmaßnahmen zur Verfügung haben, wie zum Beispiel Deutsch für Ausländer oder Förderstunden für Legastheniker oder Arbeitsgemeinschaften oder die Vertretungsreserven, einsetzen, um den festen Zeitrahmen aus dem Personalbestand der Lehrkräfte heraus gewährleisten zu können. Das wäre dann wirklich ein massiver Verlust an Qualität des Bildungsangebotes vor Ort. Da gingen pädagogische Angebote verloren, die wir an den Schulen dringend brauchen, die alle - auch gerade nach den in den letzten Jahren beschlossenen Schulprogrammen - zur Qualität des Bildungsangebots der Grundschulen als essentiell angesehen werden. Das alles wäre hin.
Auch wäre das im Übrigen nur in Schulen mit Klassenfrequenzen mit mehr als 23 Schülern zu leisten. Schulen, die niedrigere Klassenfrequenzen haben, müssten darüber hinaus die Stundenkontingente antasten, die heute für die Abdeckung des regulären Unterrichts vorgesehen sind, das heißt für die Abdeckung des Unterrichts nach Stundentafeln. Über das hinaus, was heute nicht an Unterricht stattfindet, würden in den kleineren Schulen mit den niedrigeren Klassenfrequenzen noch weitere Abstriche im Unterrichtsangebot erfolgen. Das darf wirklich nicht eintreten.
Der zweite zentrale Punkt ist: Wenn denn ein zentraler Rahmen von 8 bis 12 oder 8 bis 13 Uhr nur durch
die Lehrkräfte abgedeckt würde, wäre es für die Träger der Betreuungsangebote schlicht und ergreifend nicht mehr machbar, nicht mehr möglich, ihre zeitlich umfassenderen Angebote aufrecht zu erhalten. Es blieben dann nur sehr kurze Randzeiten, also etwa die Zeiten von 7 bis 8 Uhr oder von 7:30 bis 8:30 oder von 13 Uhr bis 14 Uhr oder bis 14:30 Uhr, für die man kein qualifiziertes Personal mehr fände.
Wer wäre bereit, sich für eine solche Tätigkeit zur Verfügung zu stellen? Die Lübecker Interessenvertretung hat das auf den Punkt gebracht. In Lübeck würden 80 jetzt dort beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Jobs verlieren und mindestens 600 Elternteile wären in Lübeck nicht mehr in der Lage, ihrer Berufstätigkeit nachzugehen, weil das umfassendere, zeitlich breitere Betreuungsangebot vor Ort nicht mehr bestünde.
Ein schlimmes Eigentor - darin sind wir uns sicherlich einig - der Schulpolitik dieses Landes ist eigentlich gar nicht vorstellbar. Frau Erdsiek-Rave, es ist sicherlich anzuerkennen, dass Sie angekündigt haben, wesentliche Probleme herauszunehmen. Das Ministerium hat mit der Vorlage eines solchen Erlassentwurfs eine Inkompetenz unter Beweis gestellt, die schon ihresgleichen sucht. Bei einem Kultusministeriums-TÜV müsste ein solcher Apparat aus dem Verkehr gezogen werden müssen.
Man muss sich fragen: Wie kann es überhaupt dazu kommen, dass solche unausgegorenen Erlassentwürfe auf den Weg gebracht werden? Das hängt sicherlich damit zusammen, dass gerade in diesem Ministerium, im Kultusministerium inzwischen eine Wagenburgmentalität vorherrscht, indem man zunächst einmal in den eigenen Reihen, abgeschottet nach außen, Rezepte ausarbeitet, die den Schulen landesweit übergestülpt werden sollen. Das gibt es in vielen anderen Punkten auch.
Frau Erdsiek-Rave, ich fordere Sie daher dazu auf, diesen verunglückten Entwurf formell zurückzuziehen
und damit den Eltern - das ist der letzte Satz - der schleswig-holsteinischen Grundschüler die Angst vor einem weiteren Bildungsabbau endgültig zu nehmen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In Schleswig-Holstein wurde in den vergangenen Jahren ein breites Netz an betreuten Grundschulen aufgebaut - gute und notwendige Angebote, die zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Fundament dieses Angebotes sind die zahlreichen zum großen Teil ehrenamtlich tätigen Elternvereine, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich meine Anerkennung aussprechen möchte.
Das Land Schleswig-Holstein unterstützt diese Angebote finanziell und macht damit deutlich, dass die betreuten Grundschulen als wichtiges Element in Ergänzung oder auch als Ersatz der gesetzlich vorgesehenen Betreuungsangebote in Horten angesehen werden. Der besondere rechtliche Status - oder eher Nichtstatus - erleichtert einerseits die Bereitstellung der Angebote, ist andererseits aber auch immer schon Ursache für die besonderen Schwierigkeiten gewesen, die mit der betreuten Grundschule verbunden sind.
In der Diskussion um die Einführung der verlässlichen Grundschule bekommt man manchmal den Eindruck, als würden die Probleme - organisatorische und finanzielle - der betreuten Grundschule nicht existieren. Der Arbeitsaufwand für die Organisatoren ist nicht zu unterschätzen. Es gilt, Bedarfe festzustellen, Räumlichkeiten zu finden, möglicherweise Schulleitungen zu überzeugen, Anträge zu stellen bei Arbeitsämtern, bei Sozialämtern, bei Land und bei Kommunen. Es gilt, Personal einzustellen, um sich dann womöglich vor die Situation gestellt zu sehen, dass zu Beginn des Schuljahres doch weniger Eltern als abgefragt ihr Kind in die Betreuung geben. Ehramtlich Tätige übernehmen Verantwortung für ungewohnte Aufgaben, zum Beispiel im Rahmen der Personalauswahl, beim Vereinbaren von Arbeitsverträgen.
Alle diese Belastungen sind umso schwieriger zu organisieren, als die Fluktuation in den Vereinen durch den Übergang der Kinder auf weiterführende Schulen relativ groß ist und bewährte Kräfte nie sehr lange tätig sind. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass sich eine große Zahl von betreuten Grundschulen durch den Wegfall von Mitteln der Arbeitsverwaltung vor zusätzliche finanzielle Probleme gestellt sehen.
Sicherlich gibt es viele Beispiele in SchleswigHolstein - das in Lübeck ist eines - für das gute und langfristig abgesicherte Funktionieren dieser Betreuungsangebote. Zum Gesamtbild gehört jedoch ebenfalls, dass eine Reihe von Angeboten aus den unterschiedlichsten Gründen bereits wieder eingestellt worden ist und dass an vielen Schulen erst gar keine Betreuungsangebote ins Leben gerufen werden konnten. Und natürlich werden zurzeit nicht alle Kinder einer Schule von den Betreuungsangeboten erfasst.
In meinen Gesprächen mit Eltern und Lehrern habe ich deutlich herausgehört, dass dringend Bedarf an verlässlichen Zeiten besteht, die sowohl Eltern als auch Kindern eine berechenbare Regelmäßigkeit bieten. Das, denke ich, ist hier in diesem Haus auch unumstritten. Von daher ist die Einführung verlässlicher Grundschulzeiten, die für alle Kinder verbindlich sind, folgerichtig und schon lange Forderung sozialdemokratischer Politik.
Mit der Einführung der verlässlichen Halbtagsschule nimmt das Land zusätzliches Geld in die Hand, um ein neues Angebot auf den Weg zu bringen. Wichtig dabei - das ist immer klare Aussage gewesen: Es geht um die halbtägige Organisierung der Grundschule. Daher kann die verlässliche Halbtagsschule kein Ersatz von Betreuungsangeboten sein, die in den Nachmittag hineinreichen.
Mit der Einführung verlässlicher Zeiten steht der Betreuungsgedanke nicht im Vordergrund, Herr Dr. Klug. Es geht darum, den Unterricht in den Grundschulen offener und damit flexibler gestalten zu können, und es geht darum, diese Angebote allen Schülerinnen und Schülern nutzbar zu machen und damit sicherzustellen, dass Kinder mit schwierigen Vorraussetzungen zwangsläufig davon erfasst werden.
Selbstverständlich kann es nicht sein, dass ein neues Angebot, das mit nicht unerheblichen Anstrengungen ins Leben gerufen wird, dazu führt, dass die Leute unzufriedener werden. Offenbar ist nicht deutlich geworden, was das Wesen einer Anhörung ist, nämlich einen Entwurf in die Diskussion zu geben, Einwände der Praktiker vor Ort ernst zu nehmen und diese in angemessener Form zu berücksichtigen. Genau das ist passiert.
Dass in der gesamten Diskussion Befürchtungen laut geworden sind, ist nachvollziehbar, wenn es sich um die Betroffenen vor Ort handelt. Vielleicht hat es auch Unklarheiten gegeben, was den Status des Entwurfs betrifft und was die genaue Ausführung in der
Praxis angeht. Aber ich unterstelle allen, die hier sitzen, dass sie sich mit den üblichen Verfahren einer Anhörung auskennen. Diese Anhörung ist ja erst am vergangenen Wochenende abgeschlossen worden. Daher kann ich die Aufgeregtheiten aus den Reihen der Opposition nicht richtig nachvollziehen. Von vornherein war klar, dass die Auseinandersetzung mit den Betroffenen gesucht wurde und auch zukünftig gesucht wird, in Regionalkonferenzen, in Gesprächen vor Ort. Und dass es bei der Einführung eines zumindest zeitlich zum Teil konkurrierenden Systems Konfliktfelder gibt, kann auch niemanden überraschen. Ihre Presse der vergangenen Woche hat dann aber deutlich gemacht, dass sich der Antrag der FDP, der kein Berichtsantrag ist, weitgehend erledigt hat.
Wir empfehlen Ausschussüberweisung, um im Ausschuss weiter über Einzelheiten diskutieren zu können. Das ist sicherlich nötig. Äußerungen wie: „Ministerin zeigt Einsicht“ oder: „Erdsiek-Rave gibt nach“ erscheinen mir als Kommentar zu einem Anhörungsverfahren doch etwas verwegen. Es geht hier nicht darum, Gewinner oder Verlierer zu benennen.
Inhaltlich sollte es uns allen wohl darum gehen, die verlässliche Halbtagsschule als Verbesserung eines bestehenden Systems möglichst sinnvoll mit den vorhandenen Betreuungsangeboten zu kombinieren.
Die Bedingungen an den verschiedenen Standorten sind sehr unterschiedlich. Von daher sind natürlich Flexibilität und Offenheit gefordert. Flexibilität, bezogen auf den Zeitrahmen, Flexibilität in Bezug auf die Qualifikation des Personals. - Das Projekt „Geld statt Stellen“ der Ministerin wurde auch von Ihnen genannt. - Offenheit natürlich gegenüber den einzubeziehenden Angeboten und den Möglichkeiten vor Ort. Und: Herr Dr. Klug, schauen wir doch erst einmal auf den Erlass, um dann zu bewerten, inwieweit diese Offenheit auch umgesetzt wird!
Wir kommen dem Anliegen der CDU, über die Einführungsphase informiert zu werden, durch die Überweisung des heute vorgelegten Antrages nach, obwohl wir dem inhaltlich nicht unbedingt folgen können. Das Ministerium nimmt eine Einführungszeit in den Erlass mit auf, um Erfahrungen zu sammeln und Korrekturen am Konzept vornehmen zu können. Wir werden das als Bildungsausschuss begleiten. Wir möchten es allerdings den Schulen ersparen, in der
von Ihnen geforderten Form mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand belastet zu werden. An anderer Stelle ist doch gerade das immer eine Forderung der CDU. Eine Statistik in der von Ihnen beantragten Form unterläuft auch das Bemühen, im Unterrichtsablauf zu mehr Flexibilität und Offenheit zu kommen. Aber dazu, wie gesagt, im Ausschuss mehr.
Frau Eisenberg, abschließend noch eine Bemerkung zu Ihrer Pressemitteilung vom 5. Februar. Sie reden von Brechstangenmentalität. Es wäre tatsächlich Brechstangenmentalität, die Einführung verlässlicher Grundschulzeiten zum Schuljahr 2002/03, wie Sie es darstellen, erreichen zu wollen. Zum Schuljahr 2003/04, wie vom Ministerium vorgesehen, erscheint mir das Vorgehen einem durchaus realistischen Zeitplan zu folgen.
„Kinder von heute brauchen mehr Zeit zum Lernen und mehr Zeit, um sich in einer komplexeren Welt zu orientieren. Darauf muss sich die Grundschule einstellen, und zwar mit einem erweiterten Zeitrahmen für Lern- und Förderangebote.“
Diesen Aussagen der Bildungsministerin in dem regierungsamtlichen Werbeblatt „Schule aktuell“ vom November 2002 kann ich nur zustimmen. Das ist auch CDU-Politik. Die überwiegende Zustimmung in der Presseöffentlichkeit zeigte, dass diese Grundsätze durchaus konsensfähig sind.
Allerdings, meine Damen und Herren, wurde in „Schule aktuell“ der Eindruck erweckt, dass diese verlässliche Grundschule sofort und auf der Stelle umgesetzt werde, und es wurde kaum etwas von einem Erlassentwurf gesagt. Wenn der Grundsatz, dass die Kinder mehr Zeit zum Lernen brauchen, konsensfähig ist, frage ich mich: Warum lassen wir uns von dem jetzt vorliegenden Erlassentwurf der Bildungsministerin zur verlässlichen Grundschule nicht beglücken? Warum fühlen sich die Grundschulen nicht beglückt, warum nicht die Lehrerverbände, nicht der Schulleiterverband und die GEW schon gar nicht? Das stimmt doch etwas nachdenklich. Tatsache ist
jedenfalls zurzeit - daran ändert auch die Pressemitteilung der Kultusministerin vom 11. Februar nichts -, dass die Umsetzung dieser sicher gut gemeinten Idee auf erheblichen Widerstand stößt. Die Landtagsabgeordneten aller Parteien sind noch nie so mit Briefen bombardiert worden wie zurzeit.
- Sie nicht? Das wundert mich aber sehr, Herr Höppner. Wir beide haben doch in der letzten Woche an einer Veranstaltung in Bad Schwartau teilgenommen. Ich kann mich sehr dunkel daran erinnern, dass Sie gerade als derjenige, der zur Regierungsfraktion gehört, erheblich mit Beschwerden bombardiert worden sind.
Erstens. Die zur Verfügung gestellten zusätzlichen Lehrerstunden - 1,1 pro Woche pro Klasse mit 22 Schülern - reichen nicht aus, um den planmäßigen Unterricht, das heißt die notwendige Unterrichtszeit, sicherzustellen, geschweige denn die geplanten Ergänzungszeiten. Zusätzlich werden diese Lehrerplanstellen von anderen Schulen abgezogen. Damit findet dort noch weniger Unterricht statt. Wenn Sie sich die Planstellenzuweisung neuester Art ansehen, so werden Sie feststellen, dass den Grundschulen - nicht im Hamburger Raum, aber in anderen Bereichen und auch in den Städten - 25 Stellen abgezogen werden, den Hauptschulen 26 Stellen und weitere 25 Stellen offensichtlich aus dem Sekundarbereich II abgezogen werden sollen. Ihre Ankündigung, Frau Erdsiek-Rave, mehr Zeit zum Lernen zur Verfügung zu stellen, ist mit der Tatsache, dass die Stunden nicht einmal ausreichen, um den Unterricht sicherzustellen, ad absurdum geführt.