Protocol of the Session on February 19, 2003

Insbesondere auch die Verkehrssicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer spielt eine große Rolle. Auch wenn die Zahl der Verkehrsunfälle unter Beteiligung von Radfahrern von 1990 bis 2001 um rund 24 %, bei Kindern sogar um 28 % abgenommen hat,

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

bleibt es ohne Frage das Ziel, diese Unfallzahlen weiter zu senken.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die Zahl ist immer noch zu hoch. Deshalb haben wir mit den Partnern der Verkehrssicherheitsarbeit mehrere Aktionen gestartet. Die Kampagne „Sicher rollen, besser radeln“ wendet sich an Kinder in Kindergärten. Mithilfe des Programms werden die motorischen Fähigkeiten der Kinder verbessert, um eine gute Beherrschung des Fahrrades zu erreichen. Darüber hinaus wurden mit finanzieller Beteiligung des Landes, mit rund 16.000 €, 115 Fahrräder für Grundschulen angeschafft. Auch hier ist es unser Ziel, dass Kinder in den Schulen rechtzeitig üben können. Das ist die wichtigste Vorsorgemaßnahme gegen Unfälle bei jugendlichen Radfahrerinnen und Radfahrern.

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, hier auf einige wenige Punkte hinzuweisen. Ich bin sicher, dass im Ausschuss noch Gelegenheit bestehen wird, einzelne Punkte nachzuarbeiten. Ich glaube, wir können mit Stolz sagen: Es ist viel in Schleswig-Holstein passiert. Wir sind das Fahrradland in Deutschland!

(Holger Astrup [SPD]: Besser als die Bay- ern!)

Wir sind das Fahrradland, das in der Verbindung mit dem Tourismus enorme Chancen hat. Insofern freue

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

ich mich auch, wenn wir diesen Bereich im Rahmen der Tourismusförderung künftig verstärkt fördern können. Ich glaube, wir sind hier auf einem guten Weg.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Antrag stellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss sagen, dass auch ich sehr froh bin, dass wir diese Anfrage gestellt haben. Es ist selten, dass man in einem Politikbereich zu arbeiten beginnt und bereits nach wenigen Jahren feststellen kann, dass man sichtbare Erfolge erreicht, die sich in Zahlen niederschlagen.

(Holger Astrup [SPD]: Das war auch schon vorher so!)

Das Ziel unserer Initiative, die wir vor sieben Jahren begonnen haben, die dann auch Hintergrund des Fahrradprogramms von 1998 war, war die Umstellung der gesamten Fahrradverkehrsförderung in Schleswig-Holstein. Bis dahin wurden nur Fahrradwege an Hauptstraßen gefördert. Jetzt werden alle Arten von Fahrradinfrastruktur, Fahrradstreifen, Wegerouten, Fahrradstraßen, Fahrradstationen und Fahrradbügel, gefördert. Damit wurde die Grundlage dafür geschaffen, was in den letzten Jahren passieren konnte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Man muss allerdings auch sagen, die Fahrradpolitik hat nicht erst vor sechs Jahren begonnen, sondern schon Ende der 80er, Anfang der 90er-Jahre. Sie hat in den Städten und in den Ortschaften in SchleswigHolstein zunehmend an Attraktivität gewonnen. Wenn ich die Stadt Kiel betrachte, muss ich feststellen, dass in den letzten 15 Jahren der Anteil des Fahrrades am Verkehr von 7 % auf 16 % gesteigert werden konnte. Diese Zahl bezieht sich auf alle Verkehrswege. Wenn man die Fußwege herausrechnet, die auch noch einmal 25 % ausmachen, sind es sogar 21 %. Das ist mehr als der gesamte öffentliche Nahverkehr. Das heißt, das Fahrrad ist nach dem Auto das wichtigste Verkehrsmittel in den Städten. In

den kleinen Städten ist es sogar noch bedeutsamer. Das Fahrrad spart ungeheuer Geld für die öffentlichen Kassen. Denn ein Fahrradfahrer kostet pro Kilometer nur 1 Cent, während ein Autofahrer die öffentliche Staatskasse zwischen 10 und 20 Cent kostet. Das sind enorme Unterschiede. Das bedeutet, Fahrradwege sorgen dafür, dass Städte attraktiv sind, dass Menschen in der Stadt bleiben und nicht aus der Stadt rausziehen und dass die öffentlichen Kassen Geld sparen, weil sie nicht mehr Straßen bauen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Diese Chance müssen wir nutzen und weiter fördern.

Als zweiten Punkt möchte ich den Fahrradverkehr außerhalb von Ortschaften ansprechen. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass Schleswig-Holstein beim Vergleich der Bundes- und Landesstraßen Platz eins beziehungsweise bei den Kreisstraßen Platz zwei der Bundesrepublik Deutschland einnimmt. Im Tourismusverkehr hat sich sehr viel getan. Wir haben jetzt eine Menge ausgeschilderter Radwege, die ich einmal kurz vorlesen möchte: Der Nordseeküstenradweg, der Ostseeküstenradweg, der Ochsenweg, der Elbradweg, der Radfernweg Alte Salzstraße, der Eider-Treene-Sorge-Weg sowie die Holstein-FünenRoute - sie alle sind bereits durchgängig beschildert. In der Entwicklung ist jetzt die Wikingroute von Maasholm nach St. Peter-Ording und der Nordostseekanal-Fernradweg. Das alles ist beste Werbung. Fahrradtouristen sind übrigens kaufkräftige Kunden, die ordentlich Geld nach Schleswig-Holstein bringen. Der Fahrradtourismus boomt. 40 % aller Touristen in Schleswig-Holstein bringen ihr Fahrrad mit. Das sind enorme Zahlen und enorme Chancen für Schleswig-Holstein, die wir nutzen müssen. Sie sind eine ganz wichtige Einnahmequelle für unser Land. Deshalb ist dieser Bereich besonders wichtig. Nachholbedarf haben wir noch in dem Bereich Bett & Bike. Bisher gibt es 40 eingetragene Betriebe. Wir schlagen vor, gemeinsam mit dem ADFC ein Bett & BikeVerzeichnis zu erstellen, wie es das in anderen Bundesländern schon gibt. So kann die Attraktion dieses Sektors noch erhöht werden.

Als letzten Punkt möchte ich sagen: Das Land fördert mit rund 300.000 € pro Jahr die Mitnahme von Fahrrädern in Zügen. Wir haben in einem Großteil der Züge von 9 bis 16 Uhr und von 18 bis 6 Uhr in der Woche sowie an den Wochenenden die Möglichkeit geschaffen, die Fahrräder kostenlos mitzunehmen.

(Karl-Martin Hentschel)

Auch damit wir der Tourismus in diesem Bereich gestärkt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir schlagen Folgendes für die nächsten Jahre vor: Das hohe Engagement bei der Fahrradförderung soll beibehalten werden. Die Erfahrungen sollen genutzt werden, um den Bereich - gerade die Fahrradstreifen sind ein Beispiel dafür - weiter auszubauen. An den größeren Bahnhöfen wollen wir bewachte Fahrradstationen mit Reparaturservice fördern.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Bewusstsein der Kommunen, dass Fahrradförderung ungeheuer effizient ist, soll gestärkt werden. Das heißt, wir wollen im Fahrradforum stärker noch als bisher die kommunale Ebene einbinden und auch die kleineren und mittleren Städte einbinden, wo das Bewusstsein vielleicht doch nicht so weit entwickelt ist. Wir denken in diesem Zusammenhang an einen Wettbewerb „fahrradfreundlichste Stadt SchleswigHolsteins“. Wir wollen, dass das Konzept eines landesweiten Verkehrsnetzes bis 2005 vollständig umgesetzt wird. Der Zustand der Radwanderrouten soll dabei eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 km pro Stunde ermöglichen. Das ist bisher noch nicht überall möglich. Es gibt immer noch Fahrradrouten, die irgendwo im Sand enden. Und wir wollen das schon genannte Verzeichnis „Bett & Bike“.

Ich komme zum Schluss. Das Fahrrad wird meistens unterschätzt, weil es so preisgünstig ist. Wenige Bürgermeister und Minister drängeln sich, wenn es um die Einweihung von Fahrradwegen geht. Ich hoffe, diese Anfrage trägt dazu bei, dass das anders wird.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp.

Zunächst einmal möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums dafür bedanken, dass sie uns diese Große Anfrage so umfangreich beantwortet haben.

(Beifall im ganzen Haus)

Gleichzeitig bin ich auch den Grünen sehr dankbar, dass sie die Anfrage gestellt haben, denn wir können daraus sehen, dass das Fahrradkonzept eigentlich eine

Bankrotterklärung dieser Landesregierung ist, Herr Minister. Ich sehe das etwas anders als Sie, nicht nur naturgemäß, sondern weil ich auch von anderen Zahlen ausgehen muss, als Sie sie hier vorgetragen haben. Denn während 80 % der Bundesstraßen in SchleswigHolstein mit Radwegen ausgebaut sind, verfügen nur 50 % der Landesstraßen über einen Radweg. Wir haben über 100 Landesstraßen, bei denen Baumaßnahmen zurzeit in der Planung sind. Das wissen Sie auch. Allerdings befinden sie sich nur in der Planung. Häufig ist sogar schon der Grunderwerb getätigt. Viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Gemeindevertreter haben sich ehrenamtlich für diese Baumaßnahmen in ihrer Region stark gemacht und Vermittlungsgespräche mit den betroffenen Anliegern geführt. Und sie haben auch vielen Versprechungen von Ministerinnen und Ministern geglaubt, besonders aber von den Abgeordneten der die Regierung tragenden Parteien, die durchs Land gegangen sind und jedem Bürgermeister ihren eigenen Radweg versprochen haben. Meine Damen und Herren, da sind Sie mit in der Verantwortung!

(Beifall bei der CDU)

Wir haben das Problem, dass die Planung seit zehn Jahren steht und der Grunderwerb erfolgt ist, aber geschehen ist nichts. Und nun kommen die Bürgermeister, die Gemeindevertreter, die Amtsvorsteher bei uns an und sagen: Arp, nun hilf uns mal bitte! Nun gehen Sie hin und seien Sie so ehrlich und sagen Sie in Ihren Wahlkreisen, wie es tatsächlich ist und machen Sie keine weiteren Versprechungen! Die Kommunalwahl ist dafür nicht geeignet. (Beifall bei der CDU)

Hatten wir noch im Jahr 2000 22 Millionen € für den Neubau von Radwegen und Landesstraßen zur Verfügung, so stehen dort heute an gleicher Stelle nur noch 7 Millionen €. In diesem Zusammenhang von einem Zukunftsprogramm zu sprechen, ist unglaubwürdig. Jeder weiß, diese 7 Millionen € reichen gerade einmal zur Unterhaltung der vorhandenen Wege aus.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn man das ernsthaft betreibt, kann man nicht einen Meter neue Straßen bauen, wenn man die Unterhaltungsaufgaben wahrnehmen will.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung vom Thema!)

(Hans-Jörn Arp)

- Aber Sie, Herr Kollege! Wir reden nachher noch einmal darüber.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist völlig daneben! Beschäf- tigen Sie sich einmal mit dem Thema!)

- Wir können darüber noch diskutieren und reden, Sie über Dinge, von denen Sie etwas verstehen und dann, wenn Sie an der Reihe sind, und nicht, wenn ich an der Reihe bin.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Einzigen, die zurzeit noch bauen, sind die Gemeinden, die Bürgermeister. Es sind die Kommunen, die die Verantwortung für die Kinder übernehmen, für deren Schutz auf dem Weg zur Schule, zu Schwimmbädern und Sportstätten. Diese bezahlen zurzeit noch die Baumaßnahmen, und Sie nehmen ihnen immer noch mehr Geld weg.

(Beifall bei der CDU)

Herr Hentschel ist leider nicht hier. Ich hätte gerne einmal mit ihm geredet.

(Holger Astrup [SPD]: Da ist er doch!)

- Ach, da ist er ja! Schön, dass Sie da sind, Herr Hentschel. Ich rede etwas lauter, weil Sie so weit weg sitzen.