Protocol of the Session on July 13, 2000

Sie bringen die Schulen nämlich in eine Situation, in der sie für Zustände verantwortlich sind, die sie selber nicht zu verantworten haben, weil sie die Höhe ihrer Personalausstattung nicht beeinflussen können. Deshalb lassen Sie die Schulen allein, wenn Sie solche Verfahren allein in die Verantwortung, in den Zuständigkeitsbereich der Schulen geben. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Das Problem besteht einfach darin, dass die Schulen oftmals gar nicht in der Lage sind und gar nicht die Mittel an die Hand bekommen, das auszufüllen. Das ist auch bei dem letzten Beispiel so, das ich mit Blick auf die Zeit nennen möchte. Das ist die Frage, die in dem Bericht auch nur angerissen wird, inwieweit die Schulen für ihre eigene Personalbewirtschaftung mitverantwortlich sein sollen. Sprich: Sollen Schulen in der Lage sein, ihre Lehrer, ihre Lehrkräfte selber auszuwählen, oder sollen sie das nicht?

Es gibt ja Modellversuche. Ende vergangenen Jahres ist gesagt worden, sie sollten auf alle Kreise ausgeweitet werden. Das heißt, dass sich die Schulen ihre Lehrkräfte tatsächlich selber aussuchen können.

Ich warne Sie und uns davor, dies im Zuge der Autonomie einzuführen. Das bedeutet einen Mehraufwand für die Schulen, der ihnen nicht entgolten wird. Das heißt, sie werden nicht in die Lage versetzt, diesen Mehraufwand tatsächlich auszufüllen. Ich fürchte, dass es irgendwann einmal so ist, dass wir nicht mehr gleiche Verhältnisse in allen Teilen des Landes und an allen Schulen des Landes haben. Darum geht es.

Es ist klar - gerade auch vor dem Hintergrund der Information über das, was ich zu Hamburg gesagt habe -: Bei den Bewerbungszahlen werden die Schulen

im städtischen Bereich, in Kiel oder im Hamburger Umland immer beliebter sein als die Schulen im nördlichen Landesteil oder meinetwegen an der Westküste. Wir würden uns also von dem Prinzip der Bestenauslese und der gleichen Verteilung der Besten über das Land verabschieden, wenn wir die Personalbewirtschaftung freigäben.

Deshalb freue ich mich, dass sich die Anzeichen mehren, dass Sie selber von diesem Vorstoß wieder Abstand nehmen und zu dem alten Verfahren zurückkehren wollen. Auch das ist ein Punkt, bei dem wir Gemeinsamkeit hätten. Wir würden Sie dabei unterstützen. Wir fordern Sie auf: Treiben Sie es nicht zu weit mit der Autonomie der Schulen und bringen Sie sie nicht in eine Situation, in der die Schulen für die schlechten Nachrichten zuständig sind und Sie für die guten.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weber.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zur Bewältigung der Vergangenheit im Rahmen des vorherigen Tagesordnungspunktes hat einige Zeit in Anspruch genommen. Deshalb erlauben Sie mir, nicht meine ganze Zeit auszuschöpfen und auf alle Details des Berichts einzugehen, zumal die Ausführungen der Ministerin dem entsprechen, was die SPD-Fraktion an Konsequenzen und Lehren aus dem Bericht zur Unterrichtsversorgung zieht. Darüber, auch über die quantitativen Fragen, werden wir im Detail im Ausschuss weiterreden können.

Wir werden uns über die quantitativen Fragen, die sich für die Ausbildung von Lehrern, für die weitere Entwicklung der Schulprogramme und viele andere Dinge, die damit zusammenhängen, ergeben, im Ausschuss auseinander setzen können. Deswegen möchte ich mich in dieser exklusiven Runde des Plenums zu diesem Zeitpunkt lediglich darauf beschränken, ein paar Sätze zu dem zu sagen, was der Kollege de Jager hier ausgeführt hat.

Herr Kollege, natürlich ist ein Bericht zur Unterrichtsversorgung, der den ganzen Bereich des Unterrichtsausfalls nicht abdeckt - weil er in dem Bericht auch nicht erfragt ist -,

(Jost de Jager [CDU]: Es ist ein Bericht zur Unterrichtsversorgung!)

(Jürgen Weber)

immer ein Anlass zum Nachjustieren. Deswegen ist es natürlich auch richtig, sich die einzelnen Schularten anzusehen und zu bewerten.

Auch wenn wir in Bezug auf kleine Klassen gut und in Bezug auf erteilten Unterricht pro Schüler mittelmäßig - im bundesweiten Maßstab - sind, zeigt sich doch, dass das Problem der Hauptschulen das gravierendste zum Nachjustieren ist. Nichtsdestotrotz kann ein Angebot zur Kooperation nicht so aussehen, dass Sie sagen: „Entweder stimmen Sie unserer Auffassung zur Abschlussprüfung zu oder es gibt keine Kooperation, kein gemeinsames Stück Weg!“ - Das kann nicht die Voraussetzung sein.

Wir sind natürlich bereit, über die Frage qualifizierter Leistungsbemessungen und Zertifizierungen an allen Schulen, auch an Hauptschulen, zu reden und die pädagogische Debatte weiterzuführen. Das kann aber nicht nach dem Motto gehen: „Sie heben hier im Parlament die Hand für Abschlussprüfungen oder wir brauchen über Hauptschulen überhaupt nicht zu reden!“.

(Zuruf des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Ich will doch einmal deutlich sagen, dass Ihre Ausführungen zu dieser Frage von mir so nicht nachvollzogen werden können.

Im Zusammenhang mit diesem Bericht werden wir im Ausschuss natürlich auch über die Fragen zu sprechen haben, die Sie hier angesprochen haben.

Eine Bemerkung zum Komplex der Autonomie! Ich glaube, es wäre sinnvoll und hilfreich, sich zunächst einmal in Ruhe anzugucken, wie auf den verschiedenen Ebenen Schulautonomie existiert. Wir sollten uns erst einmal anschauen, was in Bezug auf die Entwicklung von Schulprogrammen, von Versuchen, auf andere Formen des Managements in den Schulen umzustellen, auch bei der Frage der Auswertung von Versuchen, im Bereich von Steuerungsmöglichkeiten, auch im Bereich von Personalhoheit auf den Weg gebracht ist, und das vernünftig auswerten. Das wollen wir auch gern tun. Niemand stellt sich hier hin und sagt: Um Probleme zu verdrängen, verschieben wir das Ganze auf eine Ebene tiefer oder auf einen anderen Bereich. Das will niemand tun. Wir werden uns das im Detail angucken. Es muss funktionieren.

Die Verantwortlichkeit des Landes für die quantitative Ausstattung steht außer Frage. Da gibt es auch keine Missverständnisse. Ich habe auch noch niemanden erlebt, der sozusagen seine Auffassung der Unzufriedenheit nicht beim Land, sondern woanders abgeladen hätte. Da sind wir gefeit und stellen uns gern. Deshalb muss die Diskussion darüber weiter geführt werden.

Ich schließe zunächst einmal meinen Debattenbeitrag und freue mich auf die detaillierte Diskussion im Ausschuss. Ich denke, der Kollege Klug wird noch einige Anknüpfungspunkte bringen, die die Diskussion im Ausschuss anregen werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ehe ich Herrn Abgeordneten Dr. Klug das Wort erteile, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass Kommentare von der Regierungsbank zwar verständlich, aber nicht zulässig sind.

Herr Dr. Klug, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im zurückliegenden Schuljahr haben drei wesentliche Faktoren die Unterrichtsversorgung an den Schulen in Schleswig-Holstein bestimmt: Das sind zum einen die steigenden Schülerzahlen, denn gegenüber dem Vorjahr waren rund 4.900 zusätzliche Schülerinnen und Schüler mit Unterricht zu versorgen. Weiterhin stagnierten die Lehrerstellen - bekanntlich gab es im Haushalt 1999 eine Stagnation in diesem Bereich - und hinzu kommt, dass die Lehrerkollegien im Lande nach wie vor stark überaltert sind und dass die Krankheitsquote daher vergleichsweise hoch ist. Wenn man die Zahl der wachsenden Frühpensionierungen an der Gesamtzahl der Pensionierungen misst, so bietet dieser Wert auch Rückschlüsse auf längerfristige Erkrankungen und zunehmende Dienstunfähigkeit in der Lehrerschaft im Lande.

Das sind ungünstige Rahmenbedingungen, die auch erklären, weshalb wir Bildungspolitiker - das ist mein fester Eindruck - von Schulelternbeiräten, Elterninitiativen, aus der Schülerschaft und von Lehrern in verstärktem Maße Hilferufe erhalten. Ich möchte das an einigen Beispielen aus der jüngsten Zeit beleuchten.

Elternvertreter der Realschule im Ahrensburger Schulzentrum am Heimgarten beklagen eine planmäßige Streichung von Unterrichtsangeboten - zum Teil von ganzen Fächern in ganzen Klassenstufen - und stellen fest, die Schule habe seit zehn Jahren keinen einzigen neuen jungen Lehrer für das Kollegium erhalten. Keine pensionierte Lehrkraft sei durch eine junge Kollegin oder einen jungen Kollegen ersetzt worden.

(Dr. Ekkehard Klug)

Die Grund- und Hauptschule in Marne, Dithmarschen, berichtet, drei Lehrkräfte seien zur Zeit wegen langfristiger Erkrankung ausgefallen; an der Hauptschule fielen daher ganze Unterrichtstage aus. Laut „Dithmarscher Rundschau“ vom 21. Juni dieses Jahres erklärte der Pressesprecher des Kultusministeriums dazu, „dass es für kurzfristige Vertretungsfälle mitunter guten Zuredens bedarf, dass ein Lehrer nach Dithmarschen geht. Da gibt es eine Auffälligkeit“.

Ein Vorschlag meinerseits: Frau Ministerin, geben Sie doch der Schule das Geld zum Engagieren einer Vertretungskraft, dann gibt es in der Zukunft vielleicht weniger derart auffällige Pressemitteilungen aus Ihrem Ministerium.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen Weber [SPD])

Die Schulen sind durchaus dazu in der Lage. Sie haben selbst davon gesprochen, dass es so viele Interessenten gibt. Die Schulen können sich dann umschauen und Lehrkräfte engagieren, die bereit sind, an einer Schule auch als Vertretungskraft zu arbeiten. Es wird den Schulen sicherlich vielfach helfen, wenn sie nicht warten müssen, bis das Ministerium zu Potte kommt.

Ein weiteres Beispiel ist das Gymnasium am Mühlenberg in Bad Schwartau. Der Elternbeirat stellt fest, dass in den letzten beiden Schuljahren in der Orientierungsstufe in mehreren Klassen über 30 % des Unterrichts ausgefallen seien.

Angesichts solcher Beschwerden und Probleme, die der Landesregierung ja bekannt sind, setzt die Obrigkeit auf das Prinzip Hoffnung. Frau Erdsiek-Rave brachte es in ihrem Bericht auf den Punkt. In den kommenden Jahren steht eine Verjüngung der Lehrerschaft bevor. Es ist zu hoffen, dass wir pro Jahr 200 zusätzliche Stellen bekommen werden. Darin liegt natürlich auch die Chance für eine Entlastung in den nächsten Jahren.

Wo bleiben aber die neuen Stellen eigentlich? Im Haushalt 2000 stehen 200 neue Stellen zur Verfügung. Vorgestern gab es in den „Kieler Nachrichten“ einen Artikel, in dem zu lesen war, dass die Grund-, Haupt- und Sonderschulen in der Landeshauptstadt Kiel im nächsten Schuljahr - laut Auskunft einer Schulrätin - die gleiche Planstellenzahl erhalten wie im Vorjahr. Jürgen, du weißt, dass im Landeshaushalt 70 zusätzliche Stellen für Grund- und Hauptschullehrer und 65 zusätzliche Stellen für Sonderschullehrer - also für die Schularten, die dieser Kreiselternbeirat vertritt, insgesamt 135 neue, zusätzliche Lehrerstellen - landesweit zur Verteilung bereit stehen. Keine einzige Stelle landet davon in Kiel.

(Jürgen Weber [SPD]: 300 Schüler weniger!)

- Jürgen Weber, keine davon landet in Kiel, wo es doch möglicherweise soziale Brennpunkte und Probleme im Hauptschulbereich gibt, die danach rufen, dass man für eine Verbesserung der Lehrerversorgung sorgt und somit zu einer Verbesserung der sozialen Chancen der Kieler Schüler beiträgt. Von den 135 zusätzlichen Stellen für diese Schulart kommt keine einzige in Kiel an.

Zu dem zitierten Artikel der „Kieler Nachrichten“ von vorgestern hat die zuständige Schulrätin Folgendes gesagt:

„Wer Auskunft über den Verbleib der 200 neuen Lehrerplanstellen bekommen möchte, der darf nicht die Behörde, sondern muss die Bildungspolitiker fragen.“

Ich kann Ihnen den Artikel gern vorlegen, das steht hier so in den „Kieler Nachrichten“ von vorgestern. Daher frage ich jetzt die Bildungspolitikerin Ute Erdsiek-Rave: Frau Ministerin, in welchem BermudaDreieck verschwinden diese 200 - beziehungsweise 135, wenn man sich auf diese drei Schularten beschränkt - Lehrerstellen, die landesweit zur Verteilung zur Verfügung stehen? Wissen Sie das? Ich nehme es an.

Wissen die Schulräte etwas davon und dürfen es den Kreiselternbeiräten und der Presse nur nicht sagen? Die von mir zitierte Äußerung ist doch wirklich bemerkenswert. Frau Ministerin, es wäre wirklich hilfreich, wenn Sie uns dazu Auskunft geben würden. Ich bin der Auffassung, dass es darauf ankommt, mit den vom Landtag zusätzlich zur Verfügung gestellten Stellen die Unterrichtsversorgung im Land zu verbessern, und zwar dort, wo es aufgrund der von mir benannten Probleme - enorm hoher Krankenstand, steigende Schülerzahlen - brennt. Es gilt, eine nachhaltige Verbesserung der Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass auch mehr junge Lehrer an die Schulen kommen, damit die Alterszusammensetzung in der Lehrerschaft verbessert wird. Das hat für mich Priorität bei der Verwendung der vom Landtag bewilligten Mittel für die 200 zusätzlichen Stellen.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Bei der Durchsicht des Berichts ist mir ein Punkt aufgefallen, in dem ich die Regierung um Auskunft bitte. Die kleineren Fragen möchte ich mir für die Ausschussberatungen vorbehalten. Tabelle 1.1 des Berichts beziffert den Anstieg der Schülerzahlen für das kommende Schuljahr auf 8.038. Ende September letzten Jahres haben wir von der Landesregierung mit der Drucksache 14/3931 im Rahmen der Haushaltsbe

(Dr. Ekkehard Klug)

ratungen eine so genannte statistische Vorlage erhalten, die - wie jedes Jahr üblich - auch eine Schülerzahlprognose enthielt. Dort wurde der Schülerzuwachs für das Schuljahr 2000/2001 nur auf 5.514 beziffert. Das ist im Vergleich zu den 8.038 Schülern, die uns in dem Bericht zur Unterrichtsversorgung genannt wurden, immerhin eine Differenz von 2.500. Ich frage mich, wie innerhalb weniger Monate - nämlich von Ende September bis heute - zwei Vorlagen der Landesregierung einen Unterschied zur Schülerzahlentwicklung zum Schuljahr 2000/2001 aufweisen, der nicht zu erklären ist. Haben wir eine überraschend hohe Zuwanderung oder hat es möglicherweise in einem der vorgelegten Papiere einen Rechenfehler Ihres Hauses gegeben? Auch das möchte ich gern aufgeklärt haben.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Jost de Jager [CDU])

Frau Abgeordnete Birk hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Erfreulicherweise wird der Bericht des Bildungsministeriums zur Unterrichtssituation immer dicker. Das heißt nicht nur, dass das Zahlenwerk, das jedes Jahr vorgelegt wird, sondern gerade auch - wie die Ministerin betonte - die qualitativen Aspekte der Unterrichtsversorgung eine immer größere Rolle in der Berichterstattung spielen, weil es hierzu immer mehr Erfreuliches zu berichten gibt. Das ist gut so. Es ist auch richtig, dass diese gute Qualität zu einem Bericht über die Unterrichtsversorgung gehört.