Ich will hier auch folgendes Angebot machen. Wir haben eine große Tradition der Enquetekommissionen. Wir haben gemeinsam beraten, wie eine Ener
giepolitik in Schleswig-Holstein ohne Kernenergie aussehen kann. Wir haben einen Bericht vorgelegt. Die Enquetekommission hat in großer Einmütigkeit mit Ausnahme des Konfliktpunktes Kernenergie, ja oder nein - einen Bericht vorgelegt. Ich meine, wir sollten diesen Diskurs wieder aufnehmen. Ich werde die energiepolitischen Sprecher der Fraktionen zu einem solchen Gespräch einladen, um zu erörtern, wie wir das organisieren können.
Eines kann man uns, die wir seit 1988 konsequent gesagt haben, wir wollen aussteigen, nicht vorwerfen: Wir hätten nicht gehandelt. Das Beispiel Windenergie wurde genannt. Wir hatten uns vorgenommen, im Jahre 2010 25 % des hier verbrauchten Stroms durch Windkraft zu substituieren. Dieses Ziel werden wir bereits 2001 erreichen.
Diesen Vorwurf kann man uns nicht machen. Wir haben uns rechtzeitig auf den Weg in eine andere Art der Energieversorgung begeben.
Aufgrund der liberalisierten Marktbedingungen haben sich die Bedingungen aber etwas geändert. Daher müssen wir unser Konzept fortschreiben. Nach wie vor ist die Errichtung eines Ersatzkraftwerkes am Standort Brunsbüttel Gegenstand unseres Konzeptes. Die HEW werden sich bis Ende des Jahres dazu äußern müssen. Ob es sich dabei um ein Kohle- oder ein Gaskraftwerk handeln wird, bleibt zu entscheiden. Ich lade Sie herzlich ein, diesen Diskurs gemeinsam mit uns im Lande zu führen.
Heute will ich auf einige konkrete Aspekte, zum Beispiel auf die Frage, wie wir zu Zwischenlagern stehen, eingehen. Ich denke, wir werden im Herbst bei der Beantwortung der Berichtsanträge ausführlich Gelegenheit haben, auch über die energiepolitischen Konsequenzen zu diskutieren.
Der Beschränkung des Betriebs bestehender Atomanlagen kommt zentrale Bedeutung zu. Nach der zwischen den Verhandlungspartnern getroffenen Verständigung ist für jede einzelne Atomanlage in Deutschland festgelegt, welche Strommenge - gerechnet ab dem 1. Januar 2000 bis zur Stilllegung - maximal noch produziert werden darf. Die Zahlen sind bekannt. Demnach darf Brunsbüttel noch 47,6 TWh, Krümmel 158 TWh und Brokdorf 217 TWh produzieren. In der Umsetzung bedeutet das, dass Brunsbüttel noch bis zum Jahre 2006 betrieben werden kann. Die anderen Kraftwerke können natürlich entsprechend länger produzieren. Das haben wir gewusst, als wir sagten, aus Gründen der Akzeptanz und um die Ent
sorgungspläne in den Griff zu bekommen, ist der Einstieg in den Ausstieg mindestens so wichtig wie der Zeitpunkt der Stilllegung des letzten Kernkraftwerks.
Ich freue mich, dass die Vereinbarung ausdrücklich vorsieht, dass ältere Kernkraftwerke schneller stillgelegt werden können und die anderen dafür gegebenenfalls ein halbes, ein oder zwei Jahre länger betrieben werden.
- Aber nicht so alt! Herr Kubicki, Sie wissen ja fast alles. Über die Mängel älterer Siedewasserreaktoren und den Vergleich mit neueren Druckwasserreaktoren sowie unsere bisherigen Erfahrungen können wir uns gern einmal austauschen.
Ich bleibe dabei: Es ist wichtig, dass die älteren und nicht flugzeugabsturzsicheren Kraftwerke als Erste vom Netz gehen sollten.
Das bleibt im Detail zu besprechen. Daher kann ich heute keine Zeitpläne nennen. Ein atomares Endlager für hochradioaktiven Müll ist - das stelle man sich einmal vor - weltweit noch nicht vorhanden. Das Endlager, das für Gorleben geplant ist, ist auch heute nach jahrzehntelanger Erkundungs- und Forschungsarbeit - nicht mehr als ein virtuelles Projekt. Es ist eine Option, die zwar noch existiert, über deren Realisierungsmöglichkeiten aus heutiger Sicht aber wenig Optimistisches gesagt werden kann. Es gibt erhebliche wissenschaftliche Zweifel an der Eignung dieses Salzstocks.
Die Suche nach einem geeigneten atomaren Endlager muss mit Nachdruck vorangetrieben werden. Mit der aus Pressemeldungen bekannt gewordenen Haltung der bayerischen Staatsregierung, gegen das Endlager Gorleben gebe es keine begründeten Bedenken, ist es so meine ich - so weit nicht her. Das von der Bundesregierung verfügte Moratorium von wenigstens drei Jahren ist konsequent, damit die im Gesamtzusammenhang zu lösenden Probleme abgearbeitet werden können, ohne dass am Standort Gorleben möglicherweise Fehlinvestitionen getätigt werden. Dabei geht es um Millionenbeträge.
In der Zwischenzeit werden wir Zwischenlager benötigen. Herr Sager, Sie sagen, wie schrecklich diese Zwischenlager sind. Ja, man hat abzuwägen: Will man über Jahrzehnte an der Wiederaufbereitung festhalten, dann brauchen wir weniger Zwischenlager. Ich meine, das ist einer der großen Fortschritte dieses Energiekonsenses: Die Wiederaufarbeitung wird in spätestens fünf Jahren beendet.
Als wir vor einigen Jahren veröffentlich haben, dass wir die schleichende Verstrahlung der Nordsee, der Irischen See durch Wiederaufarbeitungsanlagen gesehen haben, hat man uns verlacht. Heute sind diese Unterlagen Gegenstand hochpolitischer Beratungen der Umweltminister der Nordseeanrainerstaaten. Das ist ein Problem. Wer aus der Wiederaufarbeitung aussteigen will - und das ist gut so -, der muss sich auch zur Zwischenlagerung bekennen.
Eine Zwischenlagerung bedeutet nun auch einmal die Bereitstellung von Abklingbecken für dreißig Jahre. Dafür gibt es ein Konzept. In Norddeutschland gibt es auch Zwischenlager. Unsere Kernkraftwerke haben Verträge mit Gorleben und Ahaus. Ich war einer der Ersten, die sich zu dezentralen Zwischenlagern bekannt haben, um Transporte - mit den damit verbunden Gefahren - zu minimieren. Genauso aber sage ich: Es muss nicht an jedem Kraftwerksstandort in SchleswigHolstein ein Zwischenlager gebaut werden. Ich appelliere zunächst auch an die Verantwortlichen im süddeutschen Raum, die die meisten Kernkraftwerke haben, aber überhaupt nicht bereit sind, an einem Entsorgungskonzept mitzuarbeiten, und alle Zwischenlager nach Norddeutschland verlagern wollen. So geht es natürlich nicht!
Wir bekennen uns dazu, dass wir in diesem Rahmen auch Zwischenlager brauchen. Drei Zwischenlager wurden beantragt. Die Dimension des Zwischenlagers in Brunsbüttel reicht aus, um den Müll aller drei Kernkraftwerke Schleswig-Holsteins für die Restlaufzeiten, die jetzt vereinbart wurden, aufzunehmen. Die Lager sind überdimensioniert.
- Ganz ruhig, vielleicht sind Sie die Letzten, die nach drei Zwischenlagern rufen. Wir sind mit unseren Gesprächen mit den Betreibern und dem Bundesumwelt
minister weiter, als Sie glauben. Ich sehe keine Notwendigkeit für drei Zwischenlager. Wer einmal an Diskussionen am Standort Geesthacht teilgenommen hat, der weiß, dass wir dort neben dem Kernkraftwerk noch die GKSS haben. Außerdem haben wir dort bereits ein Zwischenlager für Abfälle aus Nichtkraftwerken. Dieser Standort ist noch geprägt von den Leukämiefällen und ich denke, dieser Standort hat - was die Entsorgung angeht - seine Pflicht wirklich getan. Daher plädiere ich für ein vernünftiges „burden-sharing“.
Auf die Frage der Transporte und die Abwägung, ob diese öffentlich bekannt gemacht werden oder nicht, möchte ich nicht weiter eingehen. Das öffentliche Interesse an der Frage, wann Transporte stattfinden, ist abzuwägen. Das heißt jedoch nicht, dass man möglichen Demonstranten auf die Minute genau im Vorwege sagt, wie die Fahrtroute ist. Ich denke, unter den jeweiligen Sicherheitsgesichtspunkten wird diese Frage von den Behörden abzuwägen sein. Ich hoffe natürlich, dass dann, wenn sich zeigt, dass wir wirklich aussteigen wollen, Widerstände gegen erforderliche Transporte steigender Akzeptanz weichen.
Sie sollten sich überlegen, wo Sie stehen und ob Sie diesen Diskurs mittragen wollen. Wenn Sie dazu stehen, dass Sie - wie Sie es hier immer gesagt haben die Kernenergie als eine Übergangsenergie sehen, dann sollten Sie mit uns gemeinsam daran arbeiten, die Energieversorgung Schleswig-Holsteins und Norddeutschlands nach dem Auslaufen der Kernkraft in zirka zehn Jahren konstruktiv zu gestalten.
Sie sollten bei diesem wichtigen gesellschaftlichen Problem der sicheren und umweltgerechten Gestaltung unserer Energieversorgung nicht die ewig Gestrigen sein. Sie waren es schon bei der Green Card, Sie sollten es nicht bei der Energieversorgung bleiben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Energiepolitik ist eigentlich eine übernationale Politik, also eine Europapolitik, zumindest eine nationale Politik. Es ist also nicht ganz einfach, den Ausführungen und Zahlen zu folgen, wenn wir uns ausschließlich auf Schleswig-Holstein konzentrieren.
Ich möchte nicht auf den Horrorbeitrag von Herrn Hentschel, sondern auf zwei Aussagen der Vorredner eingehen, und zwar auf eine von Frau KockmannSchadendorf und eine von Herrn Harms.
Ich weiß nicht, ob diese beiden Kollegen wissen, wie groß der Energiebedarf in Deutschland ist und welchen Anteil die erneuerbaren Energien haben. Heutzutage ist das nämlich eine sehr verschwindend kleine Zahl. Wir haben in Deutschland einen Energiebedarf von etwa 485 Millionen t Steinkohleeinheiten, davon einmal gerade 2,4 % an erneuerbarer Energie,
- lassen Sie mich weitersprechen, ich habe nur drei Minuten Zeit - nämlich Biomasse, Wind, Solar und Wasser.
Die neueste Energieprognose der ESSO-AG - eine hervorragende Prognose, was sich auch in den vergangenen Jahren gezeigt hat - geht bei einem Rückgang der Stromversorgung von den Kernkraftwerken davon aus, dass die erneuerbaren Energien in 20 Jahren einen Anteil von 6 % einnehmen werden. Das ist verdammt wenig.
Der Rückgang der Kernkraftwerke an der Stromversorgung wird bei etwa 30 Millionen t Steinkohleeinheiten liegen, das heißt, die Energieversorgung durch Kernkraftwerke von heute in Höhe von etwa 65 Millionen t Steinkohleeinheiten wird auf etwa 33 Millionen t Steinkohleeinheiten zurückgehen. Diese 30 Millionen t werden zu etwa 12 Millionen durch zusätzliche Energielieferungen aus erneuerbaren Energien gespeist. Es bleibt also eine Deckungslücke von etwa 20 Millionen t Steinkohleeinheiten pro Jahr.
Sie haben gesagt, Herr Minister, dann bauen wir wieder ein neues Kraftwerk in Brunsbüttel, basierend auf Naturgas oder auf Kohle.
Das sind ja ebenfalls fossile Brennstoffe, die uns wieder daran hindern, die Auflagen der Kyoto-Konferenz von 1997 zu erfüllen. Irgendetwas stimmt da nicht. Sie müssen ja den Energiebedarf irgendwoher bekommen.