(Günther Hildebrand [F.D.P.]: Wie viel Poli- zisten sind denn mit einer Schaufel zusam- mengeschlagen worden? - Weitere Zurufe von CDU und F.D.P.)
Herr Abgeordneter Hentschel, ich spreche Sie an. Ich bitte um Mäßigung im Redebeitrag, aber auch in der Reaktion. Dass wir diese Debatte nicht emotionsfrei führen können, ist mir klar. Aber ich bitte um Mäßigung auf beiden Seiten.
Angesichts dieser Geschichte kann ich Ihren Punkt 4, in dem Sie die Regierung implizit vor Protesten warnen, nur als bodenlosen Zynismus werten.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Dr. Christel Happach-Kasan [F.D.P.]: Den haben Sie doch auch!)
angesichts der Geschichte der Atomenergie in Schleswig-Holstein und der nicht gerade rühmlichen Rolle Ihrer Partei wäre sicherlich angebracht.
dass wir hier heute im Landtag über die Abwicklung der Atomenergie und den Einstieg in eine neue Energiezukunft reden können.
Ich bin auf den Bericht der Regierung gespannt und ich bin sicher, dass Schleswig-Holstein auf dem Weg in die Energiezukunft gute Karten hat, die es auszuspielen gilt.
Der erste Trumpf in die Zukunft heißt Windenergie, der zweite Biomasse, der dritte Kraft-WärmeKoppelung, der vierte Energiesparen, der fünfte Offshore, der sechste Passivhaus und der siebte Geothermie. Mit sieben Trümpfen können wir jedes Spiel gewinnen!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Atomkompromiss vor einigen Wochen war ein Schritt in die richtige Richtung, dessen Auswir
kungen auf Deutschland und Europa wir wohl erst in ein paar Jahren richtig verstehen werden. Der SSW hat sich seit den sechziger Jahren gegen die Atomenergie ausgesprochen. Für uns war der Ausstieg der einzige Weg; wir wären am liebsten gar nicht erst eingestiegen.
Uns ist klar, dass wir den Ausstieg nicht von heute auf morgen erzwingen können. Dies musste die Bundesregierung ebenfalls erkennen, die erst nach langen internen Streitereien über den Ausstieg dann doch noch auf einen gemeinsamen Kurs gekommen ist. Danach hat sie es dann nach zähem Ringen mit der Energiewirtschaft geschafft, eine gemeinsame Ausstiegsperspektive zu entwickeln. Und ich finde, das ist erwähnenswert.
Nach der Katastrophe von Tschernobyl ist jedem klar geworden, dass in der Atomenergie ein erhebliches Restrisiko steckt.
Dieses Restrisiko beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Gefahr eines Unfalls. Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass deutsche Atomkraftwerke mit osteuropäischen Atomkraftwerken auf eine Stufe zu stellen sind. Das ist mir schon klar. Doch vor einem Unfall sind auch wir nicht gefeit. Über die Unfallgefahr hinaus haben wir ein Entsorgungsproblem. Das wird uns auch immer wieder deutlich gemacht, wenn wir in den Medien verfolgen, wie die bedrohlich wirkenden Castor-Transporte durchs Land rollen. Die Bilder machen immer wieder deutlich, dass derart gesicherte Transportgüter eine enorme Gefahr in sich bergen, eine Gefahr, die für uns immer noch nicht kalkulierbar ist.
Dass heute die Atomtransporte mit einem so hohen Sicherheitsaufwand bewacht werden müssen, ist einer falschen Entscheidung in der Energiepolitik in den sechziger Jahren zuzuschreiben, die wir heute bedauern. Gleichwohl haben wir nun den Ausstiegskompromiss und gleichzeitig auch eine Perspektive. Diese Perspektive gilt es auch den Demonstrierenden zu vermitteln.
Es ist gut, dass die Bundesregierung sich mit der Energiewirtschaft geeinigt hat. Das war ein Auftrag, den die Bundesregierung von den Wählern bekommen hat.
bin ich der Meinung, dass die meisten Umfragen deutlich machen, dass es einen allgemeinen gesellschaftlichen Konsens gibt, nämlich dass die Mehrheit der Bevölkerung die Atomenergie ablehnt und so schnell wie möglich da heraus möchte.
Die auf den ersten Blick relativ lange Laufzeit der Atomkraftwerke ist sicher erst einmal unbefriedigend. Ich meine, dass ein noch schnellerer Ausstieg früher für Sicherheit gesorgt hätte. Aber wir müssen erkennen, dass wir die Zeit für den Ausstieg auch brauchen. Daher müssen wir die Zeit jetzt nutzen, um die Energieversorgung umzustellen und Energieeinsparungsprogramme zu forcieren. Und Karl-Martin Hentschel hat uns eben mit seinen sieben Punkten dargestellt, welche Chancen sich uns da bieten.
Damit der Ausstieg nicht zu einem Lippenbekenntnis verkommt, brauchen wir alternative Energieformen, um keinen Atomstrom importieren zu müssen. Sonst wäre der Ausstieg konterkariert und auch kein richtiger Ausstieg.
(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Das ist auch kein richtiger Ausstieg!)
Wir haben jetzt den Auftrag, die Zeit zu nutzen, um im Bereich der alternativen Energieformen weiter zu forschen. Weiter müssen wir auch ein Importverbot für Atomstrom schaffen, das auf europäischer Ebene rechtlich abgesichert ist.
Wir wissen, dass Schleswig-Holstein derzeit in der Windenergietechnik an vorderster Stelle steht. In diesem Bereich hat Schleswig-Holstein es geschafft, eines der führenden Exportländer zu werden. Und es gilt heute als hochentwickelter Wirtschaftsstandort für diese Branche.
Ich frage mich: Warum sollen wir nicht auch in anderen alternativen Energieformen die Besten werden? Hierin liegen meiner Meinung nach auch Chancen für unser Land. In diesen Feldern sind wir schon jetzt zumindest besser als manches andere Bundesland.
Es nutzt nichts, wenn wir der Atomenergie nachweinen. Es gilt vielmehr die Chancen zu erkennen, die sich für unser Land und für unsere Wirtschaft bieten. Daher muss die Landesregierung jetzt beauftragt werden, die Forschung in diesen Bereichen zu unterstützen und für die Zukunft Arbeitsplätze zu schaffen, die ein Ausgleich für Atomkraftarbeitsplätze sein können. Es ist wichtig, dass wir lernen, die Chancen zu sehen. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler begehen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben und Kohle- und Gaskraftwerke zu fördern. Das wäre ein Schritt, der zur Zerstörung der Ozonschicht und zur globalen Klimaerhitzung beitragen würde. Ein solcher Schritt wäre nicht mit den Zielen der Agenda 21 vereinbar. Das wäre zwar kurzfristig nicht so gefährlich wie die Atomkraft. Langfristig aber würden wir ebenfalls Schäden anrichten, Schäden, die für uns heute noch nicht einmal absehbar sind. Es gibt Regionen auf der Erde, die diese Probleme heute bereits zu spüren bekommen. Daher müssen wir in Deutschland und in Schleswig-Holstein eine grundsätzliche Kehrtwende in der Energiepolitik einleiten. Schleswig-Holstein muss die Vorreiterrolle und die Marktführerrolle übernehmen.
Ebenso müssen wir das neue Gesetz für erneuerbare Energien für Schleswig-Holstein nutzen und wir dürfen nicht auf dem alten Stand verharren. Die Landesregierung muss weiterhin die erneuerbaren Energieformen fördern. Es gilt ganz oben mit dabei zu sein, um dann auch erfolgreich exportieren zu können. Hierin liegen für uns noch Möglichkeiten ungeahnten Ausmaßes. Für Schleswig-Holstein sehe ich hierin ähnlich gute Chancen wie seinerzeit bei der Technologieentwicklung in den sechziger und siebziger Jahren in Süddeutschland, durch die aus ländlich strukturierten armen Regionen prosperierende Regionen gemacht worden sind. Diesem Beispiel sollten wir endlich folgen. Wir sollten uns einen Wissensvorsprung gegenüber anderen verschaffen, statt immer nur auf Bayern oder Baden-Württemberg zu schauen und diese Länder aufgrund der damaligen Entwicklung zu glorifizieren. Wir sollten es selbst anpacken und uns selbst aus dem Schlamassel befreien.