Protocol of the Session on January 23, 2003

der Rechtsfehlerhaftigkeit wurde durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes erhärtet und an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt hätte die CDU ihren Antrag korrigieren können beziehungsweise müssen.

Nun gibt es ja das Sprichwort: Besser spät als nie. Fehler haben ja auch die Funktion, dass wir aus ihnen lernen.

Völlig absurd und widersprüchlich erscheint mir jedoch die Erklärung der Kollegen Kerssenbrock und Kubicki, dass sie und die CDU-Fraktion den Untersuchungsauftrag vermutlich nicht für rechtsfehlerhaft halten. Da stellt sich dann tatsächlich die Frage: Warum stellen Sie dann einen Verbesserungsantrag? Vielleicht aus Nettigkeit oder anderen altruistischen Erwägungen? So kennen wir Sie noch gar nicht. Haben wir uns also auf ein neues Verständnis von Oppositionspolitik bei Ihnen einzurichten?

Sie haben mit Ihrer juristischen Stümperei trotz aller Warnungen einen gefährlichen Weg beschritten, der nur so lange gut gehen konnte, wie alle Beteiligten Ihr Spiel mitspielten. Das ging überraschend lange gut, bis einer der Betroffenen durch seinen Anwalt Bedenken wegen der Rechtlichkeit des Untersuchungsauftrages anmeldete und auf die Möglichkeit von Schadenersatzpflichten hinwies. Dass die Staatskanzlei dann im Lichte dieser nunmehr geltend gemachten Rechtsargumente ihrerseits Konsequenzen zog, erscheint mir spätestens zu diesem Zeitpunkt aus ihrer - also der Staatskanzlei - Sicht zwingend. Die Chefin der Staatskanzlei hatte bereits im Vorfeld in mehreren Schreiben auf mögliche rechtsfehlerhafte Grundlagen hingewiesen und um Präzisierung gebeten.

Auch wenn Sie behaupten, der ursprüngliche Untersuchungsauftrag sei korrekt, haben Sie keine Sekunde gezögert mit dem Versuch, Ihren eigenen Antrag mit dem gestern vorgelegten so genannten Ergänzungsantrag zu heilen. Sie haben im Ausschuss die Frage der Anwendung von Rechtsmitteln gegen den Beschluss der Staatskanzlei nicht einmal zur Diskussion gestellt. Wir hätten ja darüber reden können. Dieses Handeln macht doch vollkommen offensichtlich, dass Sie der Bestandskraft Ihres eigenen Antrages nichts zugetraut haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Nicht an Ihrem Reden, an Ihrem Handeln möge man Sie erkennen!

Nun zu dem vorliegenden so genannten Konkretisierungsvorschlag. Der Kollege Neugebauer hat ja

schon auf verschiedene aufzuwerfende Fragen richtigerweise hingewiesen. Ich will das an dieser Stelle auch tun: Kann aus Artikel 18 der Landesverfassung eine nachträgliche Einschränkung abgeleitet werden? Wenn von Ergänzung, Präzisierung und dergleichen die Rede ist, dann ist das eigentlich ein additiver Prozess und nicht eine Subtraktion des Gehabten. Darf der ursprüngliche Untersuchungsauftrag in wesentlichen Punkten eingeschränkt beziehungsweise aufgehoben werden? Hat der ursprüngliche Auftrag dann noch Bestand? Wird durch den vorgelegten Text der ursprüngliche Text in toto ersetzt? Was passiert, wenn ein Betroffenenvertreter auf einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Formulierung besteht? Was wäre dann? Heilt der vorgelegte Antrag, wenn er denn heilt, rückwirkend? Bestand hinsichtlich der bisher erhobenen Informationen im Falle der Feststellung der Rechtswidrigkeit ein Beweiserhebungsverbot beziehungsweise besteht ein Beweisverwertungsverbot?

Mir scheint, wir sind dabei, ein Stück Rechtsgeschichte zu schreiben. Es stellt sich natürlich jenseits der beschriebenen Probleme die Frage der Tauglichkeit Ihres heute vorgelegten Antrages an sich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Was habt ihr ei- gentlich zu verbergen?)

Zum Beispiel haben sie den Passus „sowie sonstigen Aktivitäten“ gestrichen, um dann dem § 3 des Untersuchungsausschussgesetzes zu genügen, der da im Satz 1 lautet: „Der Gegenstand der Untersuchung ist im Antrag und im Beschluss über die Einsetzung hinreichend bestimmt festzulegen.“ Sie streichen wegen dieses Bestimmtheitsgebotes den Begriff „sonstige Aktivitäten“, belassen aber an anderer Stelle den Begriff „sonstiges Fehlverhalten“. Ich vermag als Laie einen gravierenden Unterschied nicht zu erkennen, da mögen sich vielleicht Juristen mit anderem Ergebnis drüber beugen.

Ich glaube, die Probleme und Fragen, die ich hier angerissen habe, machen deutlich, dass wir den von Ihnen erarbeiteten neuen Antrag mit großer Sorgfalt behandeln sollten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört zunächst einmal die Überweisung in das normale parlamentarische Verfahren, das heißt konkret, Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss. Es ist ja so, dass wir Sie an einer Fehlerwiederholung nicht hindern können, weil das Minderheitenrecht gilt. Artikel 18 der Landesverfassung schreibt vor: „Der Landtag hat das Recht und auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht,...

(Detlef Matthiessen)

einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.“ Sie haben also wiederum das Recht, Ihren Antrag hier im Hause durchzusetzen. Ich hoffe, dass Sie sich den in der Beratung auftauchenden Argumenten dann nicht verschließen. Denn ich erkläre für meine Fraktion an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich, auch wir sind an Aufklärung interessiert und wollen keinesfalls, insbesondere auch aus prinzipiellen demokratischen Gründen, das Recht der Opposition schmälern oder die Arbeit erschweren, aber es muss auch gerade jetzt im zweiten Anlauf gelten: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Gestatten sie mir, verehrte Kolleginnen und Kollegen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als Nachrücker und Neuling im Zweiten PUA, abschließend folgenden Wunsch zu äußern: Lassen Sie Vorwürfe à la Kerssenbrock, Rot-Grün wolle wichtige Unterlagen vorenthalten oder die Aufklärungsarbeit behindern.

(Zuruf von der CDU: Jetzt sind Sie schon wieder dabei!)

- Was hätte ich denn für ein Motiv? Das ist doch absurd.

Lassen Sie Fragen à la Kubicki, welche Brisanz in den weiteren Sitzungen steckt, wenn die Regierung zu solchen Mitteln greift. Das könnte ja gefährlich werden. Das mag vielleicht geeignet sein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, gegenüber Öffentlichkeit und Journalisten die Spannung aufrechtzuerhalten, nutzt sich aber nach gewisser Zeit ab. Zurück bleibt ein fader Nachgeschmack. Es nützt nichts, die Suppe nur am Kochen zu halten, irgendwann muss man sie auch auslöffeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich empfehle für die zukünftige Zusammenarbeit das Motto: Fakten, Fakten, Fakten!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neun Monate arbeitet der Zweite Parlamentarische Untersuchungsausschuss, der in der Presse auf Filz

Ausschuss getauft wurde. Neun Monate, da drängt sich der Vergleich mit einer Schwangerschaft auf. Um im Bild zu bleiben: Es drängt sich auch der Verdacht auf, dass alles nur eine Scheinschwangerschaft ist.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Der Untersuchungsauftrag sei so unbestimmt formuliert, dass damit gegebenenfalls kein Untersuchungsrecht abgeleitet werden könne, so lautete die Warnung des Wissenschaftlichen Dienstes in dem für die SPD-Fraktion angefertigten Gutachten, das dem Untersuchungsausschuss im Sommer letzten Jahres zugeleitet wurde.

Dass der Kollege Hay die gleiche Warnung schon bei der Einsetzung des Ausschusses aussprach, kann man im Protokoll nachlesen. Damals wurde diese Warnung in den Wind geschlagen, denn es ist ja guter parlamentarischer Stil, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses einvernehmlich zu beschließen. Auch das darf man in dieser Debatte nicht vergessen.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vor diesem Hintergrund wiederhole ich, was ich für den SSW schon im Ausschuss gesagt habe: Wir werden in Zukunft nicht mehr allein aus parlamentarischen Gründen der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zustimmen. Die Zeit ist vorbei.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damals gingen wir von dem Ermessensspielraum aus und meinten, dass dieser Ermessensspielraum so sei, dass wir dem Untersuchungsausschuss guten Gewissens zustimmen könnten. Das sehe ich heute nicht mehr.

Bei der Einsetzung des Ausschusses sprach ich auch davon, dass wir den damaligen Gerüchten - ich möchte die damalige Situation in Erinnerung rufen, in Erinnerung rufen, wie hochgekocht alles war - ein Ende machen, sagten, es müsse so sein, und sagten, dass dies nur im Rahmen eines Untersuchungsausschusses geschehen könne. So war die Situation. Heute ist sie anders.

Der Ausschuss hat nach einer entsprechenden Schadenersatzdrohung seitens eines Betroffenen seine Befragungen ausgesetzt,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist völliger Quatsch!)

(Anke Spoorendonk)

weil die Landesregierung ihrerseits ihre Aussagegenehmigungen zurückgezogen hat. Eine sinnvolle Weiterarbeit ohne Zeugen aus dem Bereich der Landesregierung ist nun auch wirklich nicht möglich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vielleicht können Sie mal sagen, welcher Schaden uns über- haupt droht!)

Außerdem steht im Raum - das steht im Raum -, dass die gesamte Arbeit des Ausschusses, weil sie vor Gericht nicht Bestand haben könnte, infrage gestellt werden könnte. Ich habe danach gefragt und bisher keine befriedigende Antwort erhalten.

(Heinz Maurus [CDU]: Kriegst du gleich!)

- Das reicht nicht. Das muss hier geklärt werden.

Nun hat der Ausschuss am Montag der damals antragstellenden Fraktion, der CDU, quasi den Auftrag gegeben, den entstandenen Schaden zu heilen. Dafür gibt es nur ein Mittel, nämlich den Auftrag so genau zu bestimmen, dass kein Betroffener oder Zeuge seine Aussage künftig verweigern kann, indem er auf die Unbestimmtheit des Untersuchungsauftrages verweist.

(Beifall bei SSW und SPD)

Die CDU-Fraktion hat nun auch einen neuen, konkretisierten Antrag vorgelegt. Über diesen Antrag werden wir im Innenausschuss noch streiten müssen. Ich frage hier, ob es sich um einen erweiterten oder um einen konkretisierenden Auftrag handelt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ein Konkre- tisierender!)

In dem neuen Antrag sind Untersuchungsgegenstände eingefügt, beispielsweise die gesamte EXPO und die Gesundheitsprojekte der Landesregierung in Palästina und im arabischen Raum. Meines Wissens ist das ein erweiterter Antrag.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das ist eine Ein- schränkung gegenüber „sonstige“! So ein- fach ist das!)

Dafür haben wir den Innen- und Rechtsausschuss. Ich will dieser Diskussion nicht vorgreifen. Sie muss aber geführt werden.