Protocol of the Session on January 23, 2003

Die Wahrheit ist, Frau Ministerpräsidentin, es gibt gar keine Gefahren und es gibt keinen Schaden, die den Mitarbeitern durch wahrheitsgemäße Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss entstehen könnten.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sie haben es auch für richtig gehalten, sich auf ein - ich sage das jetzt einmal so - angebliches Gutachten des Innenministers für die Richtigkeit Ihrer Rechtsauffassung zu beziehen. Als Ihre Chefin der Staatskanzlei dieses „Gutachten“ - das soll ein Gutachten sein! - vorgelegt hat, konnte jeder förmlich sehen, wie peinlich es ihr war - 29 dürre Zeilen mit überhaupt nur vier Zeilen Inhalt. Der Rest war Wiedergabe von Gesetzesvorschriften. Aber noch nicht einmal die Form eines Gutachtens mit einer Gegenüberstellung einander gegenüberstehender Rechtspositionen ist gewahrt worden, sondern es ist eine einfache Bezugnahme auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes vom 26. April 2002 - drei Tage vor dem Tag, als diese SPD-Fraktion, für die das Gutachten auch erstattet worden war, einstimmig dem Untersuchungsauftrag, den Sie heute für angeblich so verfassungswidrig halten will, zugestimmt hat. Meine Damen und Herren, das ist nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der CDU)

Ihre Berufung auf einen scheinbar unbestimmten Untersuchungsauftrag ist scheinheilig und offensichtlich das letzte Mittel, um sich wenigstens für ein paar Monate vor der Kommunalwahl eine Atempause zu verschaffen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordne- ten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist kurzfristig gedacht. Wir haben Zeit, wir arbeiten ja auf andere Daten hin - das wissen Sie - und wir haben auch Zeit für Akribie.

(Jutta Schümann [SPD]: Sie bestimmt! - Zu- ruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Sie wollen doch angeblich sogar die nächste Landtagswahl gewinnen. Je mehr Sie verzögern, desto stärker wird unser Rechtschutzbedürfnis für Eilanträge.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich sage es ganz deutlich: Der gegenwärtige Untersuchungsauftrag ist bestimmt genug und ist auch verfas

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

sungsmäßig. Das sagen wir mit aller Nachdrücklichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es ist kein einziger unzulässiger Beweis erhoben worden und wenn Sie das gerichtsnotorisch feststellen lassen wollen, dann wünsche ich Ihnen gute Reise. - Das aber eben nicht bei gleichzeitiger Kaltstellung des Ausschusses. Deshalb machen wir diese Ergänzung, die Konkretisierung des Ausschussauftrages. Ihr Pulver zur Trockenlegung des Ausschusses machen wir Ihnen jetzt nass.

(Beifall bei der CDU)

In Ausübung unseres Rechts als antragstellende Minderheit beantragen wir heute eine Ergänzung im Sinne von § 3 Abs. 3 UAG, die tatsächlich sogar eine Einschränkung des bisherigen Untersuchungsauftrages darstellt, das heißt, eine zeitliche Eingrenzung des zu untersuchenden Geschehens und die ausdrückliche Benennung von Geschehenskomplexen. Wir haben nie andere untersucht - das ist immer ausschließlicher Gegenstand gewesen -, aber wir haben auch einen Anspruch auf diese Ergänzung, und zwar hier und heute haben wir den Anspruch, Herr Kollege Astrup und Herr Kollege Neugebauer.

Ich möchte Ihnen ein Zitat des Bundestagskollegen - wie heißt der mit Vornamen? -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dieter!)

Dieter Wiefelspütz nicht vorenthalten, immerhin innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Der hat in einem Aufsatz in der DÖV vom Oktober 2002 - ganz frisch, ganz aktuell, schon in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages - zu dieser Frage Folgendes von sich gegeben - ich zitiere wörtlich mit Genehmigung der Frau Präsidentin -:

„Die Auffassung, die das Bundesverfassungsgericht erkennen lässt, ist überzeugend. Der Einsetzungsminderheit“

- das sind wir in diesem Fall -

„steht ein Anspruch auf Ergänzung des Untersuchungsauftrages zu, wenn auf diese Weise die verfassungsrechtlichen Hindernisse beseitigt werden können,“

- die sind hier gar nicht gegeben -

(Lachen bei der SPD)

„die der Fortsetzung der Arbeit des Untersuchungsausschusses entgegenstehen. Anderenfalls hätte es die Mehrheit des Untersuchungsausschusses beziehungsweise des

Bundestages in der Hand, die Weiterführung der parlamentarischen Untersuchung unter Hinweis auf verfassungsrechtliche Hindernisse zu stoppen, obwohl sie imstande wäre, dieses Hindernis zu beseitigen.“

Meine Damen und Herren, ich will damit sagen: Wir haben hier und heute nach dieser zeitlichen und komplexartigen Konkretisierung des Untersuchungsauftrages einen Anspruch auf Ergänzung des Untersuchungsauftrages durch das gesamte Parlament. Diesen Anspruch machen wir geltend und wir erwarten die Zustimmung der Mehrheitsfraktionen dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Neugebauer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesen Ausführungen des Kollegen Herrn Graf Kerssenbrock muss ich feststellen: Es wäre besser gewesen, Sie wären unserem Rat gefolgt und hätten auf eine Aussprache verzichtet. Denn was Sie gesagt haben, ist nicht geeignet, das Verfahren im Untersuchungsausschuss voranzubringen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von CDU und FDP)

Wir beraten doch Ihren Antrag, Herr Kalinka, aus einem ganz einfachen Grund: weil Sie schludrig gearbeitet haben!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alles andere, was wir eben von Herrn Kerssenbrock gehört haben, sind Nebelkerzen, mit denen Sie von Ihrem eigentlichen Versagen ablenken wollen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben durch Ihr Verhalten den Landtag in toto blamiert und dem Ansehen des Landtages geschadet.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur durch Ihr Verhalten, Herr Kalinka, ist der Untersuchungsausschuss handlungsunfähig geworden.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch einmal kurz skizzieren, in welcher Situation wir uns befinden. Schleswig-Holstein - das wis

(Günter Neugebauer)

sen wir - ist ein Land mit einer liberalen und modernen Verfassung. Die Rechte des Landtages sind wesentlich weit gehender im Verhältnis der Kontrolle zur Regierung, als es in vielen anderen Landesverfassungen in Deutschland der Fall ist. Zu diesen Rechten - das gestehen wir zu, wir haben die Verfassung ja wesentlich mit geprägt - gehört das Recht des Landtages, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen und - wie es heißt - Tatbestände im öffentlichen Interesse aufzuklären. Die Einsetzung eines solchen Ausschusses - das haben wir im April letzten Jahres respektiert - kann die Opposition sogar gegen den Willen der Regierungsfraktionen durchsetzen.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Dieses Minderheitsprivileg soll der Opposition - wie es in der Kommentierung heißt - ein scharfes Schwert gegenüber der von der Mehrheit getragenen Landesregierung verleihen und ihr helfen, ihre parlamentarische Oppositionsrolle wahrzunehmen.

Meine Damen und Herren, Kollege Arp, dies soll es - so heißt es weiter im Kommentar zur Landesverfassung - der Opposition erleichtern, ihren verfassungsgemäßen Aufgaben nachzukommen. Sie, meine Damen und Herren, sind diesem Auftrag zur verfassungsgemäßen Wahrnehmung Ihrer Aufgaben nicht nachgekommen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn die Formulierung eines unbestimmten, nicht konkretisierten Auftrages an den Untersuchungsausschuss ist mit Sicherheit keine verfassungsgemäße Aufgabe der Opposition.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Dr. Trutz Graf Kerssenbrock [CDU]: Sie haben ihn doch beschlossen!)

Ihr heutiger Antrag beweist doch, dass Sie jetzt endlich auch begriffen haben, was Sie über Monate bestritten haben.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)