Protocol of the Session on January 23, 2003

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Graf Kerssenbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit nunmehr zehn Monaten müssen Sie, Frau Simonis, Woche für Woche Berichte über Filz und Ihre zu

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

nehmende Bedrängnis, in die Sie geraten sind, lesen und zur Kenntnis nehmen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Sogar Ihnen bisher treu ergebene Medien nehmen davon mehr und mehr Notiz. - Ich erinnere einfach nur einmal an das „Flensburger Tageblatt“ unmittelbar vor Weihnachten.

Nun haben Sie vergangene Woche beschlossen und mitteilen lassen, keine Aussagegenehmigungen mehr erteilen und dem Untersuchungsausschuss keine Akten mehr zur Verfügung stellen zu wollen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn wohl?)

Verehrte Frau Simonis, glauben Sie wirklich - das ist ein einmaliger Eingriff einer Landesregierung in die Kontrollbefugnis eines Untersuchungsausschusses und findet in der deutschen Parlamentsgeschichte kein Vorbild -,

(Widerspruch bei SPD und SSW)

dass Sie sich durch einen solchen einmaligen Eingriff in die Rechte eines Untersuchungsausschusses für die Berichterstattung über Ihre klägliche Regierungsumbildung von vorgestern Luft verschafft haben?

(Lachen bei der SPD)

Sie täuschen sich, Frau Simonis: Der Untersuchungsausschuss ist ja noch gar nicht zur vollen Blüte gelangt. Er fängt erst richtig an, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD - Zurufe)

- Selbstverständlich! Sie wissen doch, das letzte Aufgebot von vorgestern wird Ihnen dabei auch nicht zur Hilfe kommen.

Was Sie vom Parlament halten, das hat Ihre Chefin der Staatskanzlei unübersehbar deutlich gemacht. Ihr Schreiben an den Ausschuss, in dem Sie mitteilen, eben keine Aussagegenehmigungen und so weiter mehr erteilen zu wollen, ist nicht das erste Mal der Presse einen Tag vorher, bevor es dem Adressaten, nämlich dem Parlament, zugänglich geworden ist, der Presse zugänglich geworden. Frau Simonis, das Verhalten Ihrer Regierung gegenüber dem Souverän, gegenüber dem Parlament ist nicht nur unhöflich, es ist auch unerhört und verletzt den parlamentarischen Anstand.

(Beifall bei der CDU)

Es ist auch ein zutiefst undemokratisches Verhalten. Sie wollen doch soziale Demokraten sein!

(Zurufe von der SPD: Oh, oh!)

Es sind inzwischen drei Fälle falscher Aussagen, mit denen Sie sich herumzuschlagen haben. Ich frage: Wie viele werden es noch werden?

Es gibt das Märchen, Frau Simonis, vom Wikingerschiff an Ihrem Geburtstag. Das kann so nicht gewesen sein.

(Ursula Kähler [SPD]: Ist das jetzt zu Ihrem Antrag?)

Wollen Sie ernsthaft behaupten, dass Sie sich an Ihrem Geburtstag um 50.000 € kümmern, aber sich nie - ich wiederhole: nie - um 60 Millionen Investitionsvolumen für das Kieler Schloss gekümmert haben wollen?

(Jutta Schümann [SPD]: Wir sind hier nicht im Untersuchungsausschuss! Sie wollen hier doch Ihren Antrag begründen!)

Frau Simonis, das können Sie dem Weihnachtsmann erzählen; der glaubt Ihnen das. Wir glauben Ihnen das nicht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Dann das Märchen, das Sie dem Ausschuss über den Verlauf der Kabinettssitzung am 12. Februar 2002 aufgetischt haben, an der Sie doch gar nicht teilgenommen haben, und schließlich die schriftliche Lüge in Ihrer Gegendarstellung,

(Unruhe bei der SPD)

es habe keine Berichte im Pressespiegel der Landesregierung über B & B vor dem 20. Februar gegeben. - So in der Gegendarstellung, die Sie an die „Welt“ gegeben haben.

Das hat Ihre Regierungspressestelle inzwischen ja alles zugegeben.

(Anhaltende Unruhe bei der SPD)

Wie kommt so etwas zustande - scheinbar ohne Not?

(Günter Neugebauer [SPD]: Ist das jetzt die Antwort?)

Treten Sie hier hin und erklären Sie das! Treten Sie, Frau Ministerpräsidentin, hier an das Pult und erklären Sie uns diese unwahren Aussagen!

(Glocke der Präsidentin)

Entschuldigen Sie bitte, Herr Abgeordneter Kerssenbrock! Wir sind nicht im Untersuchungsausschuss, sondern es geht hier um den Inhalt des Antrages.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Frau Präsidentin, es geht hier um den Eingriff einer Landesregierung in die Rechte eines Untersuchungsausschusses, der sich in einer besonderen Lage befindet. Das wird man ja wohl noch zur Begründung eines Antrages schildern dürfen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Die Not ist ja offensichtlich sehr groß.

Ihr Vorgänger ist aus denselben Gründen aus dem Amt geschieden. Wie viel verträgt eigentlich die politische Kultur in Schleswig-Holstein an unwahren Aussagen eines Ministerpräsidenten?

Die Wahrheitspflicht ist eine der vornehmsten Aufgaben eines Landesbeamten, deren höchste Vorgesetzte Sie sind. Verstöße werden von Ihrem Innenminister gnadenlos geahndet, unnachsichtig. Was sollen eigentlich betroffene kleine Landesbeamte von Verstößen gegen die Wahrheitspflicht, von Ihrem Verhalten hier halten?

Meine Damen und Herren, die Not ist offenbar so groß geworden, dass gehandelt werden musste.

Der wahrscheinlich von der Landesregierung bezahlte Kollege Goecke

(Lachen bei der SPD)

hat offenbar, möglicherweise im Flugzeug nach China mit Herrn Gärtner abgestimmt, die Notbremse gezogen, als es Ernst wurde; denn sonst hätten Sie ja die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten, die Ihnen bereits seit dem 18. Dezember zur Verfügung standen, an den Ausschuss weitergeleitet. Sonst hätten Sie nicht neun Monate lang mit dem Ausschuss kooperiert, Akten übersandt und Aussagegenehmigungen erteilt, wenn Sie von Anfang an von der Rechtswidrigkeit des Untersuchungsauftrages überzeugt gewesen wären.

(Beifall bei der CDU)

Dann hätten Sie das alles in den neun Monaten überhaupt nicht tun dürfen und hätten sich rechtswidrig verhalten und Mitarbeiter Gefahren ausgesetzt. Wollen Sie das wirklich von sich behaupten?

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Wahrheit ist, Frau Ministerpräsidentin, es gibt gar keine Gefahren und es gibt keinen Schaden, die den Mitarbeitern durch wahrheitsgemäße Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss entstehen könnten.