Protocol of the Session on January 22, 2003

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Kindergesundheitsbericht

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2241

Ich darf darauf hinweisen, dass mit diesem Antrag ein Bericht in dieser Tagung seitens der Fraktion beantragt wird. Ich bin dahin unterrichtet, dass es diesen

Bericht zumindest in dieser Tagung nicht geben wird. Ich kann nur sagen, worüber das Präsidium unterrichtet ist. Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung des Antrages gewünscht? - Wenn das nicht der Fall ist, dann trete ich in die Aussprache ein. Die Aussprache wird eröffnet durch die antragstellende Fraktion, durch den Antragsteller, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gesundheit unserer Kinder sollte es wert sein, regelmäßig über positive Entwicklungen wie über Risiken zu berichten. Wir haben in Schleswig-Holstein letztmalig 1997 einen entsprechenden Bericht seitens der Landesregierung bekommen. Ich denke, dass es deshalb mehr als begründet ist, dass die CDULandtagsfraktion den Vorstoß und Vorschlag macht, einen aktualisierten, neuen, vertieften Bericht hier zu erhalten.

In den meisten Bundesländern ist man offensichtlich ein Stück aktueller und intensiver an der Gewichtung des Themas, wie man entsprechenden Veröffentlichungen entnehmen kann. Es geht um die besonderen Gesundheitsrisiken unserer Kinder, Stichworte wie Vorsorge, Sprachentwicklung, motorische Entwicklung, Legasthenie, Gesundheitsverhalten, Zahngesundheit, psychischer Bereich, Gesundheitsverhalten, Umwelt, die Belastung durch die familiäre Situation, ambulante und stationäre Versorgung. Das sind die Stichworte, die angesprochen gehören.

Wir haben inzwischen einen Kindergesundheitsbericht, zum Beispiel im Jahre 2000 aus Lübeck. Dies zeigt, dass sehr wohl eine Aktualisierung kommunal stattfindet und stattfinden kann.

Unser Antrag war parallel mit dem Frauengesundheitsbericht eingebracht. Deswegen war das Stichwort, Herr Präsident, 28./30. Tagung. Wir möchten deshalb die Zahl „28“ durch „33“ ersetzt haben. Dann haben wir ausreichend Zeit, sofern die Landesregierung diesmal bereit ist, einen Bericht abzugeben, diesen zu hören und zu diskutieren. Eigentlich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist es nicht üblich, dass Berichtsanträge hier überhaupt dargelegt werden sollen. Darüber hat man sich verständigt. Aber diesmal wollte die SPD, dass wir darüber sprechen. Wir haben dieses Gesprächsangebot aufgenommen und warten mit Interesse, wie Sie auf diesen Berichtsantrag reagieren werden.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt dem Abgeordneten Arno Jahner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kalinka, Gratulation, das war eine der ersten Reden, die ich von Ihnen gehört habe, ohne dass Sie draufgeschlagen haben, dass Sie ruhig geblieben sind, dass Sie sachlich waren. Schön, dass wir das mal erleben durften. Das ist eine völlig neue Erkenntnis.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht können wir auf dieser Basis in Zukunft weiterarbeiten.

(Zuruf von der CDU: Doch nicht gleich ü- bertreiben!)

- Das ist nicht übertrieben, das ist schon so okay.

Um das gleich vorweg zu sagen: Den hier vorliegenden Antrag des Kollegen Kalinka werden wir von der Sache her unterstützen.

(Zurufe von der CDU: Oh! Sehr gut!)

- So entstehen Freundschaften.

(Heiterkeit)

Auch wir erwarten einen neuen, den heutigen Gegebenheiten angepassten Kindergesundheitsbericht. Gleichwohl wollen wir, was die Erstellung eines solchen wirklich brauchbaren Berichts angeht, die nötige Zeit finden und die nötigen Finanzmittel gesichert sehen. In der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes hat sich die Bundesregierung verpflichtet, allen in der Bundesrepublik lebenden Kindern ein Höchstmaß an Gesundheit zu garantieren. Gesundheit, das ist laut Weltgesundheitsorganisation der Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens, nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.

Der im Jahre 1997 von der damaligen wie jetzigen Regierung veröffentlichte Bericht zur Gesundheitslage der Kinder in Schleswig-Holstein - Herr Kalinka hat Ihnen das Exemplar eben gezeigt - ist ein solches 64 Seiten starkes Papier. Was die Darstellung der einzelnen Komponenten angeht, hat es diese Forderungen erfüllt. Dies ist auch die Grundlage weiterer Planungen. Für einen bundesweit geplanten Kinder- und Jugendgesundheitsbericht, den - darauf hat man sich geeinigt - das Robert-Koch-Institut erstellen wird, werden aus diesem Bericht heraus durch die Landesregierung auch Haushaltsmittel bereitgestellt werden, um Sonderauswertungen in den Jahren 2004

und 2005 zu ermöglichen. Bei einer realistischen Betrachtung dieses Berichts über die Kinder- und Jugendpsychiatrie mit der eben erwähnten Sonderauswertung, Herrn Kalinka - da unterscheiden wir uns, was den Zeitablauf angeht; ich sage es noch einmal sehr deutlich -, erwarten wir den Bericht - erschrecken Sie nicht - bis Ende 2006.

(Lachen bei der CDU)

- Ja, es ist so. Wir gehen davon aus, dass er dann vorliegen wird.

Herr Kalinka, um Sie jetzt wieder zu beruhigen, ich komme auf Ihren Antrag zurück. Wir können uns vorstellen, dass es in unregelmäßigen Abständen Zwischenberichte im Sozialausschuss geben wird. Bitte, vergessen Sie nicht, meine Damen und Herren, eine Gesundheitsberichtserstattung befasst sich mit der systematischen Analyse und Bewertung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, der Gesundheitsgefährdung und der Gesundheitsversorgung. Darum erwarten auch wir von dem neuen Bericht eine ausführliche Darstellung zum Beispiel über die Bereiche der Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9, den Impfungsgrad, die Schuleingangsuntersuchungen, die Zahngesundheit, die Unfallrisiken als immer noch große Problembereiche. Großen Wert legen wir auf die Bereiche der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit ihren ambulanten und stationären, aber dann hoffentlich laut Krankenhausrahmenplan umgesetzten dezentralen Versorgungen sowie auf eine dezentrale Auskunft über Jugend- und Kindergesundheit im Zusammenhang mit Armut.

Meine Damen und Herren, wir lehnen diesen Antrag nicht ab. Wir wollen ihn im Fachausschuss begleiten, denn wissenschaftlich fundierte Gesundheitsberichte benötigen einen zeitlichen Vorlauf, um Problemstellungen und angemessene Methoden abzugleichen. Wir benötigen dabei Zeit für die Durchführung der notwendigen Untersuchungen und die abschließende Betrachtung der gesammelten Ergebnisse, aus denen dann ein Gesundheitsbericht im eigentlichen Sinne entsteht.

Neben dieser zeitlichen Betrachtung darf auch der finanzielle Aspekt nicht unterschätzt werden. Kein Gesundheitsbericht, der diesen Namen verdient hat, ist im Hauruck-Verfahren herzustellen und er ist auch nicht zum Nulltarif zu bekommen.

Wir beantragen die Überweisung in den Sozial- und Gesundheitsausschuss zur ausführlichen Beratung.

(Beifall)

Einen Moment, Herr Kollege Jahner. Nur für das Präsidium. Sie hatten gesagt: Ende 2006. Ist das ein konkreter Änderungsantrag für den jetzt vorliegenden Text?

Nein, das ist ein Teil meines Redebeitrags, in dem ich diesem Parlament sage, für eine wissenschaftlich fundierte Aussage für den Kinder- und Gesundheitsbericht brauchen wir eine so lange Zeit. Ich mag mich irren, das wäre schön, aber ich denke, es dauert seine Zeit.

Herr Kalinka, Sie können sich jetzt ruhig an den Kopf fassen.

Es geht nur um die Klarstellung der Abstimmungsgrundlage. Der Antrag auf Ausschussüberweisung bleibt also bestehen.

Für die Fraktion der FDP hat als Nächste Frau Abgeordnete Veronika Kolb das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gesundheitliche Situation von Kindern wird immer noch zu oft vernachlässigt. Deshalb kann die Erstellung eines Kindergesundheitberichtes, so wie es bereits in vielen europäischen Städten der Fall ist, auch für Schleswig-Holstein von Bedeutung sein.

Wichtiger aber als die Erstellung eines solchen Berichtes ist, dass die bereits jetzt vorhandenen Kenntnisse und Daten zu entsprechenden Präventionskonzepten führen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Stadt Lübeck hat bereits jetzt entsprechende präventive Maßnahmen aus Erkenntnissen, die aus dem selbst erstellten Kindergesundheitsbericht gezogen worden sind, abgeleitet.

Kinder leiden heute fast so häufig wie ihre Eltern an den so genannten Erwachsenenkrankheiten: Schlafstörungen und Magenkrankheiten treten bei Kindern immer häufiger auf. Ein Drittel aller Jugendlichen nimmt Beruhigungsmittel oder andere Medikamente. Verschiedene psychische Störungen nehmen zu. Zu viele Kinder sind ihrem Alter entsprechend übergewichtig.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau ü- bernimmt den Vorsitz)

Gesundheitswissenschaftler führen die Zunahme dieser Erwachsenenerkrankungen unter anderem auf die Folgen der stetig wachsenden Leistungsansprüche in Schule, Familie und Gesellschaft zurück. Entsprechende Präventionsmaßnahmen sind deshalb nicht nur wünschenswert, sondern auch notwendig. Hier allerdings sind die Kommunen nicht mit den Problemen nicht allein zu lassen. Entsprechende Hilfestellungen durch das Land sind notwendig.

Denn mit einer stärkeren Vernetzung der verschiedenen Institutionen könnte darauf hingearbeitet werden, dass gesundheitliche Fehlentwicklungen der Kinder bereits in einem frühen Stadium korrigiert werden. Ein entsprechender Anstoß durch das Land könnte dabei gemeinsame Aktionen von Kommunen, Eltern, Krankenkassen, Schulen und Sportvereinen für eine präventive Arbeit unterstützen.

Ein Kindergesundheitsbericht sollte aber auch darlegen, wie die Gesundheitsversorgung von Kindern in Krankenhäusern nach Einführung von Fallpauschalen sichergestellt werden soll. Auf den ersten Blick könnten die Einführung von Fallpauschalen gerade der Disziplin der Kinderheilkunde zugute kommen. Denn mit einer durchschnittlichen Liegedauer von 6,7 Tagen im Jahr 2000 liegen die Kinderkrankenhäuser und -abteilungen weit unter dem Bundesdurchschnitt von 10,1 Tagen.

Doch ist in diesem Fall nicht die Liegezeit ausschlaggebend, sondern es sind die besonderen Umstände der Kinderheilkunde. Regelmäßig fordern Kinder deutlich mehr Pflege und damit mehr Personal, und zwar rund um die Uhr. Für eine ganz simple Blutentnahme bei einem Kleinkind ist ein ganzes Team über einen wesentlich längeren Zeitraum als bei Erwachsenen mit der Behandlung beschäftigt, als das in den Fallpauschalen eigentlich vorgesehen ist. Zudem müssen Kinder beaufsichtigt, gefüttert, beschäftigt und häufig auch von einem Psychologen oder Sozialarbeiter mit betreut werden.

Von den 664 deutschen Fallkategorien sind - abgesehen von denen in der Neugeborenenintensivmedizin - nur 13 ganz speziell auf Kinder zugeschnitten. Wir müssen endlich damit aufhören, Kinder medizinisch wie kleine Erwachsene zu behandeln.

(Beifall bei der FDP und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Denn Kinder fordern einen höheren Betreuungsaufwand, als die auf Erwachsene zugeschnittenen Fall

(Veronika Kolb)

pauschalen es zulassen. Die Folge wird sein, dass die Einnahmen in den Kinderkliniken durch die Fallpauschalen um 30 bis 40 % sinken werden, wie die Arbeitsgruppe der Gesellschaft für Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland schätzt.

Bereits jetzt hat Schleswig-Holstein durch sein Ja zur administrativ verordneten Nullrunde in den Krankenhäusern dafür gesorgt, dass sich die Personalsituation in den Kliniken in dem Land weiter verschärfen wird. An der Kieler Universitätskinderklinik sind bereits jetzt acht Stellen von insgesamt 40 Stellen auf der Kinderintensivstation unbesetzt. Die Einführung der Fallpauschalen wird die derzeitige Situation noch verschärfen.