Protocol of the Session on January 22, 2003

An diesem Erfolg der Kohl-Regierung - davon gab es nicht so fürchterlich viele - wollten auch CDU und CSU trotz Stoiber nicht knabbern. Die Wirtschaft wusste also, was auf sie zukommen würde. Man versuchte es dann mit einer Vielzahl von Eilklagen, obwohl die Regelung schon viel länger bestand und somit eigentlich schon uraltes Recht war, das in den Jahren zuvor nie hinterfragt wurde. Die Aussichten, solche Prozesse zu gewinnen, waren gleich Null. Die Wirtschaft wusste das. Was übrig blieb, war eine Mischung aus Bockigkeit und Unprofessionalität der Getränkeindustrie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau so etwas führt dann natürlich zu den Problemen, die wir bei der Einführung des Dosenpfands dann auch erleben konnten. Die Wirtschaft hat also unprofessionell gehandelt.

Man muss aber leider auch sagen, dass die Oppositionspolitik auf Bundesebene ebenfalls unprofessionell gehandelt hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die seinerzeitige Töpfer-Regelung basierte auf den Grundlagen von Anfang der 90er-Jahre und ließ Ausnahmen zu, die dadurch noch erweitert wurden, dass das Angebot an Getränken vielfältiger wurde und sich die Konsumgewohnheiten auch bei den Dosentrinkern änderten. Mischgetränke aller Art, ob mit oder ohne Kohlensäure, spielen auf dem Markt inzwischen eine wichtige Rolle. Umweltminister Trittin wollte auch mit einem entsprechenden Gesetzentwurf reagieren. Aber auch hier haben CDU/CSU und FDP

(Lars Harms)

eine vernünftige Lösung im Bundesrat wieder blockiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Resultat ist das unverständliche Chaos, das wir Anfang dieses Jahres vorfinden konnten.

Will man ein Dosenpfand durchsetzen, so muss es für die Bevölkerung einsichtig und verständlich sein. Beides war nicht der Fall. Kakao aus der Dose kostet kein Pfand, aber die Cola aus der gleichen Dose kostet Pfand. Für den Bürger bedeutet dies Unübersichtlichkeit und Willkür anstatt vernünftige ökologische Nachvollziehbarkeit. Bei diesem wichtigen Thema haben Union und FDP regelrecht gepennt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Die Grenzhändler hingegen haben nicht gepennt. Sie versuchten, das Problem zu umgehen, indem sie ihre Getränkedosen ins Ausland, sprich nach Dänemark, exportierten; so meinten sie zumindest. Das soll heißen, die Käufer aus Dänemark unterschreiben dafür, dass die Dosen nach Dänemark exportiert werden. Ob dies wirklich rechtlich zulässig ist, wage ich zu bezweifeln. Der Umweltminister hat ja auch eben gerade auf die rechtliche Problematik hingewiesen. Auch in Dänemark gilt das Dosenpfand. Ich glaube, wir müssen diesem Treiben an der Grenze ganz schnell Einhalt gebieten und wieder für klare Verhältnisse sorgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Zuruf des Ab- geordneten Heinz Maurus [CDU])

- Lieber Kollege Maurus, „klare Verhältnisse“ heißt: Das Dosenpfand gilt uneingeschränkt auch für Grenzshops. Die Grenzshops sind allerdings eine typisch schleswig-holsteinische Besonderheit. Sie werden sich neu positionieren müssen. Bei dieser Neupositionierung erwarten wir, dass die Landesregierung im Rahmen der Landesplanung die betreffenden Kommunen entsprechend unterstützt, damit sie die Neupositionierung erfolgreich bestehen können.

(Zuruf der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

- Ein solches Entgegenkommen, Frau Kollegin Tengler, wäre sicherlich im Sinne der betroffenen Kommunen und der entsprechenden Betriebe und wäre so als eine Art Kompensation für die Schwierigkeiten, die das Dosenpfand kurzfristig verursacht, geeignet.

Wenn ich nun aber schon darüber spreche, dass das Dosenpfand uneingeschränkt gelten soll, meine ich auch anmerken zu müssen, dass das Dosenpfand für alle Arten von Getränkedosen erhoben werden sollte. Umweltminister Trittin hat ja auch schon angedeutet, dass eine solche Regelung kommen soll. Sie muss allerdings auch schnell kommen.

In diesem Zusammenhang droht uns wahrscheinlich ein weiteres Versäumnis. So wie es aussieht, wird es keinen deutschen Automatenhersteller geben, der in nennenswertem Umfang Rückgabeautomaten für Dosen an den Einzelhandel liefern wird. Wahrscheinlich wird der norwegische Marktführer Tomra das Rennen machen. Auch hier hat die deutsche Wirtschaft wieder gepennt, weil sie sich hingesetzt, den Bockigen gespielt und gemeint hat, auf diese Weise davonzukommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das ist völliger Unsinn. Die Damen und Herren aus der Wirtschaft mögen sich bitte auch einmal an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientieren. Es ist eigentlich traurig: Immer wieder wird hervorgehoben, die Wirtschaft könne alles besser. Hier haben wir aber das beste Beispiel dafür, dass es anscheinend doch nicht immer so geht.

Ein letztes Wort noch zum Erfolg des Dosenpfandes. Der Erfolg ist weithin sichtbar. Jeder von uns wird es selber gespürt haben: Wir kaufen alle mehr Mehrwegverpackungen. Das ist allemal ökologischer als der Zustand, den wir noch am 31. Dezember letzten Jahres gehabt haben. Insofern ist das Dosenpfand jetzt schon ein Riesenerfolg.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich begrüße zunächst weitere Gäste in der Loge, und zwar Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK, die sich im Studiengang der AOK zur Ausbildung zum Betriebswirt befinden. Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

Wir kommen nun zu Kurzbeiträgen. Zunächst hat der Abgeordnete Detlef Matthiessen nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung zu einem Kurzbeitrag das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war eine ziemlich perfide Debatte, die wir hier gerade erlebt haben. Wir haben uns dafür stark gemacht, dass alle Dosen unabhängig vom Inhalt bepfandet werden.

(Detlef Matthiessen)

Wir haben uns dafür stark gemacht, dass es bundesweit ein einheitliches Rückgabesystem gibt, das übrigens jetzt im Oktober auch Realität wird. Das wurde von der Union politisch blockiert. Jetzt müssen wir uns von der Kollegin Tengler anhören, dass die daraus erwachsenen Nachteile der Regierung anzulasten seien. Das ist doch wirklich höchste politische Propagandakunst.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte nun noch kurz auf den Beitrag des Kollegen Hildebrand eingehen. Es ist tatsächlich richtig, dass sich aus den von ihm zitierten Berichten und Gutachten ergibt, dass es Einwegverpackungen gibt, die in der Ökobilanz besser abschneiden. Als Beispiel nenne ich die Schlauchverpackung, die wir aus diesem Grunde übrigens auch nicht bepfanden wollen. Wir haben eher das Problem, dass diese Verpackung aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen wenig Akzeptanz findet. Als Beispiel nenne ich die Pellwormer Inselmeierei. Dieses Beispiel und viele andere Beispiele stehen dafür, dass Betriebe betriebswirtschaftlich tatsächlich daran kaputtgegangen sind, dass sie diesen ökologisch richtigen Weg eingeschlagen haben. Man hatte entsprechende Versuche gemacht. Das Konzept war auch Klasse. Man konnte sich auf eine solche Verpackung draufstellen und sie hielt. Der Inhalt war auch leicht zu verpacken. Die Ökobilanz war top. Leider hat sich dies aber nicht durchgesetzt.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich bitte um ein bisschen mehr Ruhe.

Ein Letztes! Frauke Tengler, ich hatte den kleinen Einwurf gemacht: Schreiben Sie doch einmal eine Verordnung betreffend die Sonderstellung der die dänische Grenze passierenden Privateinkäufer. - Daraufhin sagten Sie: Das muss doch die Regierung machen, wenn das ein Problem ist. Ich brauche dieses Problem doch nicht zu lösen; ich muss es nur benennen. Die Regierung sollte handeln. - Ich habe einmal darüber nachgedacht, wie eine solche Verordnung aussehen könnte. Ein dänischer Käufer müsste dann einen Verbringungsnachweis liefern, also den Nachweis erbringen, dass er das Produkt nicht nach Deutschland verbringt. Das müsste unter Umständen noch kontrolliert werden. Wahrscheinlich müsste wegen der Geringfügigkeit auch noch eine Regelung betreffend Mindesterwerbsmengen und so weiter vorgesehen werden. Wer ist dann Normadressat einer

solchen Sonderstellung? Wer soll es kontrollieren? Wer soll es exekutieren?

(Martin Kayenburg [CDU]: Jetzt habe ich endlich kapiert, wer hier perfide argumen- tiert!)

Ich möchte anregen, dass die CDU mit ihrem großen juristischen Sachverstand, den wir gerade bei dem Einsetzungsauftrag für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss erleben durften, sich einmal darüber Gedanken macht, wie man eine solche Verordnung, wie Sie sie hier einfordern, wenigstens in Ansätzen konkret ausgestaltet.

(Beifall beim SSW)

Man kann, um beim Thema Dose zu bleiben, auch sagen: Es ist doch Blech, was Sie da geredet haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Konrad Nabel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es bedauerlich - das richtet sich auch an den Kollegen Detlef Matthiessen -, dass diese Debatte zur Lächerlichkeit verkommt.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss - auch zu Lars Harms - ganz deutlich sagen: Es war nicht etwa Bockigkeit der Industrie, vor allen Dingen der Großindustrie, im Getränkebereich, und von CDU und FDP, sondern das Hoffen auf eine andere Bundesregierung nach der Wahl im September, was dazu geführt hat, dass die seit zehn Jahren bekannte Drohung, dass die Pfandpflicht in Kraft tritt, nicht umgesetzt wurde. Ich glaube, dort liegt das entscheidende Problem. Das ist eigentlich auch keine Verniedlichung wert. Die Industrie hat damit schließlich eine ganze Menge Geld verdient oder, besser gesagt, gespart. Dieses Geld hat sie uns abgeknöpft, meine Damen und Herren. Insofern würde ich dies nicht in einem lächerlichen Sinne darstellen.

Ich finde es gut, dass Umweltminister Trittin jetzt wieder die Initiative ergriffen hat, nachdem das im Grunde gleiche Verfahren vor einigen Monaten - vor der Bundestagswahl - nicht funktioniert hat, weil damals immer noch die Hoffnung auf eine andere Bundesregierung in den Köpfen herumgeisterte. Es ist einem eindeutigen Versäumnis der Großindustrie im

(Konrad Nabel)

Getränkebereich geschuldet, dass das Dosenpfand heute mit einem Chaos betitelt werden kann, weil, wie Minister Müller ziemlich deutlich gemacht hat, die Pfandrücknahmesysteme bis heute nicht zur Verfügung stehen. Sie hätten aber schon vor Jahren zur Verfügung stehen müssen. Auch die Trickserei - das sage ich hier ganz bewusst -, die Frau Merkel in ihren letzten Amtsjahren betrieben hat, um die Mehrwegquote künstlich hochzuzonen und die Einwegquote künstlich herunterzuzonen, war, um es einmal ganz vorsichtig zu sagen, nicht ganz legal. Eigentlich hätten wir das Dosenpfand 1997 bekommen müssen. Das ist leider nicht geschehen. Der Erfolg der ganzen Debatte ist heute sichtbar.

Meine Damen und Herren, ich gehöre dem Landtag nun schon etwas länger an und ich habe noch sehr wohl die Debatte über die Umsetzung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes von Herrn Töpfer im Ohr, die wir Ende der 80er-Jahre hier geführt haben. Damals hat die SPD in diesem Hause von diesem Pult genau das gefordert, was jetzt wahrscheinlich im Laufe dieses Jahres Wirklichkeit wird, dass nämlich auf alle Einweggetränke, die in ökologisch nicht sinnvollen Verpackungen verkauft werden, ein Pfand zu erheben ist.

Ein Letztes, meine Damen und Herren, zum Kollegen Hildebrand! Herr Hildebrand, ist Ihnen eigentlich einmal aufgefallen, dass im Park immer nur die Dosen herumliegen und nie die Pfandflaschen?

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung über die Einführung und Umsetzung des Dosenpfands in Schleswig-Holstein zu dem Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD, Drucksache 15/2383, zur abschließenden Beratung in den zuständigen Umweltausschuss zu überweisen. Wer dem seine Zustimmung geben will, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig vom Hause so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf: