Protocol of the Session on January 22, 2003

Natürlich ist die Interessenlage der Gebietskörperschaften unterschiedlich. Das hat zu einer Belastung in der Tarifgemeinschaft von Bund, Ländern und Gemeinden geführt. Ich teile die Auffassung: Den Letzten beißen die Hunde; am schlechtesten sind die Gemeinden dran. Es ist aber auch bekannt - es ist heute veröffentlicht worden -, dass es Leute gibt, die vorrechnen, dass die Tariferhöhung den Bund überhaupt nichts kostet, weil er mit 42,5 % an den zusätzlichen Lohnsteuereinnahmen partizipiert. Auch angesichts der unterschiedlichen Mehrkosten für Bund, Länder und Gemeinden hat es Spannungen gegeben. Ich will Ihnen sagen, Herr Garg, ich habe die Belastungen der Tarifabschlüsse und die Mehreinnahmen, die wir vielleicht durch etwas mehr Steuern haben, nicht gegengerechnet. Aber diese Rechnungen gibt es natürlich. Besonders für den Bund ist das günstiger.

Ich habe uneingeschränkt gesagt: Der Tarifabschluss ist zu hoch. Die Folgen für die jetzt Beschäftigten sind genannt worden. Wir haben im Finanzausschuss über den Beförderungsstau zum Beispiel in der Steuerverwaltung gesprochen. Dort konnten im letzten Jahr 150 Beförderungen, insbesondere im mittleren Dienst, aus Budgetgründen nicht ausgesprochen werden. Das ist in anderen Ressorts ähnlich. Diese Folgen sollen nicht verniedlicht werden.

Aber es ist nicht richtig, dass wir keine Vorsorge getroffen haben. Wir haben jedenfalls bei den Pensio

nen und Lehrern teilweise Vorsorge getroffen. Dort hängt es jetzt vom Besoldungsabschluss ab. Die Ressorts haben bei ihrem Budget gewusst, dass sie damit die Tarifrunde erreichen müssen. Aber weil sie schon 2002 mit den Personalkosten sehr restriktiv umgegangen sind, lassen wir ihnen die Rücklagen, die sie in ihren Budgets erwirtschaftet haben. Diese gehen nicht in die Haushaltsdeckung, sondern sie stehen auch für den Tarifabschluss als Reserve zur Verfügung. Das ist erfreulicherweise mehr, als wir geplant haben.

Sie haben gefragt, was 2004 und 2005 sein wird. Ich habe für 2003 die Aussage gemacht, dass nach meiner Auffassung kein Nachtragshaushalt erforderlich ist. Für 2004 und 2005 müssen wir einmal in Ruhe die konjunkturelle Einnahmeentwicklung abwarten.

Sie können zwar darüber wehklagen, dass der Tarifabschluss zu hoch ist. Er ist aber abgeschlossen. Die Stunde der Wahrheit kommt bei den Besoldungsanpassungen und auch beim Steuervergünstigungsabbaugesetz. Dabei werden wir sehen, ob wir bei der Unternehmensteuerreform teilweise gegensteuern müssen, um die Einnahmesituation zu stabilisieren.

Ich bleibe dabei: Alles, was hier zu Strukturveränderungen auf Bundes- und Landesebene gesagt worden ist, gilt. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass diese Reformen erforderlich sind. Aber es muss auch einmal gepfiffen werden. So wie die Ministerpräsidentin dies gestern für das Land getan hat, so muss auch auf Bundesebene einmal gepfiffen werden.

(Beifall bei der SPD - Thorsten Geißler [CDU]: Dann mal los!)

Wir werden dann sehen, ob es dafür in den gesetzgeberischen Einheiten im Bundestag und Bundesrat Mehrheiten gibt. Dazu gehört auch die Einnahmesituation.

Uns wurde unterstellt, wir seien bei der Besoldungsanpassung für eine Nullrunde. Die Position der Landesregierung war nicht, für die Beamten eine Nullrunde durchzusetzen. Aber unsere Position ist sehr wohl, wie auch Sie gesagt haben, Herr Kayenburg, eine angemessene Differenzierung vorzunehmen. Wegen der Laufzeit und wegen der geringeren Belastung bei der Rentenversicherung ist keine volle Vergleichbarkeit gegeben. Das muss man sehen. Deshalb ist unser Petitum, eine sozial ausgewogene Spreizung in aller Ruhe zu diskutieren. Die Spreizung zwischen einem Beamten mit A 6 und einem Minister mit B 10 ist wesentlich höher als im Tarifbereich zwischen BAT IX und BAT I. Deshalb ist gerade bei den Be

(Minister Claus Möller)

amten in Bezug auf die Phasenverschiebung die soziale Komponente, die eingefordert worden ist, wichtig.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür gibt es auch bei den Sonderzuwendungen Vorschläge. Warum soll man nicht auch die Sonderzuwendungen, sozial gestaffelt, so gestalten, dass die unteren Einkommensgruppen keinen Kaufkraftverlust haben? Wir werden mit dieser Position konstruktiv in die Verhandlungen auf Bundesebene gehen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Neugebauer das Wort. Wird das nicht gewünscht? Dann spricht jetzt der Abgeordnete Wiegard.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Finanzminister, Sie haben eben gesagt, es müsse bei der Frage nach Strukturveränderungen im Personalbereich und bei der Bezahlung des Personals einmal gepfiffen werden. Ich kann mich erinnern, dass wir seit 1988, seit die Ministerpräsidentin in Schleswig-Holstein der Landesregierung angehört, erst als Finanzministerin, dann als Regierungschefin, immer wieder Ankündigungen gehört haben, hier müsse nun endlich etwas geschehen. Auf den Pfiff warten wir bisher vergebens. Geschehen ist nichts. Auch dieses Mal gibt es wieder nur leere Ankündigungen.

Am meisten hat mich bei Ihrer Einbringung, Herr Möller, der Satz überrascht, dass ein Nachtragshaushalt nicht erforderlich ist. Diese Aussage ist allerdings nicht nur mutig, sondern auch erstaunlich, weil sie auch in den letzten Jahren nicht zutreffend war. Man muss erkennen: Haben die Haushalte der letzten Jahre bei Ihnen wenigstens noch bis Ostern einigermaßen gehalten und sind erst dann offensichtlich zu Makulatur geworden, so hat dieser Haushalt 2003 die Halbwertzeit von drei Wochen nicht überstanden, nämlich vom 18. Dezember 2002 bis zum 10. Januar 2003. Dann war alles schon wieder vorbei.

Ob dieser Abschluss nun für die Beamten im Landesdienst 1:1 oder 1:0,8 übernommen wird, ist doch ziemlich egal. Etwa 50 Millionen € mehr werden erforderlich sein, um das zu deckeln. Sie haben nicht nur 50 Millionen € mehr nicht eingestellt, sondern Sie haben überhaupt nichts mehr eingestellt. Sie haben sogar eine Minderausgabe eingestellt. Zudem hat die

Regierung entschieden, dass sie bei den Versorgungslasten noch ein bisschen etwas dazutut, weil sie ein paar Minister und Staatssekretäre zusätzlich versorgen muss. Ihnen fehlen zur Finanzierung tatsächlich etwa 85 Millionen €, egal wie das Ergebnis aussehen wird.

Ich bin schon sehr gespannt auf die konkrete Erläuterung Ihrer Darstellung, die Sie in einem anderen Satz gemacht haben, nämlich das erfreuliche Haushaltsabschlussergebnis für 2002. Das wundert mich nun noch mehr, weil Sie vor gerade vier Wochen einen Nachtragshaushalt vorgelegt haben, mit dem Sie mehr als eine halbe Milliarde € zusätzliche Schulden begründet haben, weil das Jahr 2002 ja so schlecht war. Wie sich hier die Haushaltslagen ändern, ist schon außerordentlich erstaunlich.

(Beifall bei der CDU)

Aber in Wahrheit hat der Haushalt 2003 nicht einmal drei Wochen gehalten. Uns ist von Ihnen der Haushaltsführungserlass für die Umsetzung des Haushaltes 2003 vorgelegt worden. Das ist schon ein bemerkenswertes Stück Papier.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Herr Hay, die Mehrheitsfraktion hat diesen Haushalt am 18. Dezember 2002 beschlossen. Präzise am 18. Dezember hat der Minister den Haushaltsführungserlass unterschrieben. Er war also schon vor dem 18. Dezember fertig.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Hört, hört!)

In diesem Haushaltsführungserlass sagen Sie etwas anderes als das, was Sie zum Beispiel eben zu den Personalkostenrücklagen erzählt haben. Sie weisen die Häuser an, die aus Personalkosteneinsparungen gebildeten Rücklagen nicht in Anspruch zu nehmen. Sie warten erst einmal auf die Haushaltseckdaten 2004 und 2005.

Noch viel schlimmer aber ist: Sie sagen, dass Verpflichtungsermächtigungen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Ministeriums in Anspruch genommen werden dürfen. Bis dahin ist das noch richtig. Aber Sie erklären gleichzeitig, dass von Freigabeanträgen zur Kabinettsentscheidung über die Höhe der Haushaltsansätze im Doppelhaushalt 2004/2005 abzusehen ist. Haushaltssperren für Investitionen bis zur Jahresmitte heißt das, Herr Möller. Das ist Ihr Haushalt. Dazu erklären Sie hier tatsächlich: Ein Nachtragshaushalt ist nicht erforderlich. Für Personalkosten ist keine Vorsorge getroffen und Investitionen werden gestoppt. Wir könnten noch ein paar Dinge aufzählen. Sie aber erklären hier vorne: Ein Nach

(Rainer Wiegard)

tragshaushalt ist nicht erforderlich. Ich glaube, Sie sollten diese mutige Aussage noch einmal überdenken und in diesem Haus eine Erklärung abgeben.

(Beifall bei der CDU)

Wir erwarten, dass alsbald Sie oder die arme Seele, Herr Stegner, der das schon im Bildungsministerium nicht konnte, oder wer auch immer, eine objektive Beschreibung der Finanzlage des Landes SchleswigHolstein vorlegt.

(Beifall bei der CDU)

Wir erwarten, dass Sie alles auf den Tisch legen, was an Risiken in den Schubladen schmort. Wir erwarten eine seriöse Beurteilung aller politischen Entscheidungen, die diesen desaströsen Zustand herbeigeführt haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile nun doch Herrn Abgeordneten Neugebauer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht verlängern, -

Okay, das ist sehr gut.

- aber ich hatte erwartet, dass der geschätzte Kollege Wiegard noch substanzielle Beiträge zu dieser Debatte würde leisten können.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben es nicht verstanden!)

Das hat er leider nicht getan. Wenn ich Präsident gewesen wäre, was ich nicht gewesen bin, hätte ich Sie unterbrochen und gefragt, in welcher Weise das, was Sie gesagt haben, mit dem Thema der Aktuellen Stunde zu tun hat.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie haben wieder nichts verstanden!)

Aber vielleicht, Herr Kayenburg, liegt das daran, dass Ihr Kollege als besoldeter Beschäftigter bei ver.di Probleme damit hat, diesen Tarifabschluss, den Sie kritisiert haben, positiv zu verkünden.

Herr Kayenburg, Sie haben gesagt, es gebe bei dieser Auseinandersetzung keinen Gewinner.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Das ist in zweierlei Hinsicht falsch. Gewinner sind natürlich die Arbeiter und Angestellten in den unteren und mittleren Einkommensgruppen, für deren Erwartung, dass ihr Einkommen an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst wird, wir großes Verständnis haben.

(Beifall bei der SPD - Martin Kayenburg [CDU]: Dafür machen sie in Berlin eine sol- che Steuererhöhung, dass nichts mehr übrig bleibt!)

Zu kritisieren ist die undifferenzierte Anhebung der Vergütung ohne Rücksicht auf die Einkommensgruppen.

Gewinner dieses Tarifabschlusses sind auch die Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Ein Streik wäre nicht im Interesse von Hunderttausenden von Menschen in diesem Lande, die zum Beispiel auf den ÖPNV und eine effiziente Abfallentsorgung angewiesen sind. Ich könnte Ihnen viele weitere Beispiele nennen. Diese Menschen können zufrieden sein, dass es dank des Tarifabschlusses gelungen ist, einen Streik im öffentlichen Dienst abzuwenden.