Gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir es bei einer Neugestaltung der EU-Strukturen wieder verstärkt in die Hand nehmen, wie wir unsere sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestalten. Die EU wird sich ändern müssen - in ihren Strukturen, in ihrem Aufbau und in ihrer zentralen Organisation. An diesen Änderungen arbeitet der EU-Konvent, und man kann nur hoffen, dass es den Konventmitgliedern gelingt, eine vernünftige Balance zwischen
Der EU-Ratsvorsitzende und dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen brachte es auf den Punkt, als er davon sprach, dass die EU eine große europäische Gemeinschaft der Nationalstaaten werden müsse. Alle, die von den zentralistischen Vereinigten Staaten Europas träumen, müssen endlich einsehen, dass sich dieser Traum mit den Bevölkerungen der 25 Staaten nicht umsetzen lässt. Die zukünftige EU muss also viel dezentraler, flexibler und volksnaher organisiert werden als die heutige EU, ansonsten wird dieses historische Projekt keinen Erfolg haben.
Die Osterweiterung birgt also Chancen und Risiken - auch für die Bundesrepublik und für SchleswigHolstein. Gerade die Ostseeanrainerstaaten haben durch den Beitritt von Polen, Litauen, Lettland und Estland jetzt die einmalig Chance, das Mare Balticum zu schaffen, wovon Ministerpräsident Björn Engholm einst nur zu träumen wagte. Deshalb wird es in Zukunft entscheidend darauf ankommen, dass die Landesregierung und damit das Land den Motor in der Ostseekooperation wieder auf Touren bringt. Mit anderen Worten: Wir in Schleswig-Holstein sollten gemeinsam die kulturellen und wirtschaftlichen Chancen der EU-Erweiterung beim Schopfe packen.
Gerade wenn wir - wie heute - über den Haushalt des Landes für 2003 sprechen, wird uns schmerzhaft bewusst, dass die Landesregierung und der Landtag leider über immer weniger Einfluss auf die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen verfügen. Die Musik spielt nicht nur eher bei den internationalen Konzernen, sondern auch immer öfter in Brüssel und Berlin, als es uns hier in Kiel recht sein kann.
Deswegen ist es von entscheidender Bedeutung, welche Akzente die Bundesregierung und der Bundesrat für unser Land setzen. Ich will nicht verhehlen, dass sich der SSW die Politik der neuen/alten Bundesregierung anders vorgestellt hatte. Selten ist eine Bundesregierung mit so viel Verwirrung und scheinbar ohne klaren Kurs in ihre zweite Periode gestartet. Man fragt sich, ob die Anstrengungen des Bundestagswahlkampfes Schuld daran sind, dass wir bisher eine so müde und völlig perspektivlose Politik präsentiert bekommen.
Aber, liebe Kolleginnen, Kollegen, zu einer guten Regierung gehört aber auch eine gute Opposition, und die fällt in Berlin bisher leider auch aus. Denn die
Opposition benimmt sich in vieler Hinsicht wie in einem bayerischen Komödienstadl: Statt eigene - seriös zu nehmende - Alternativen aufzustellen, hören wir nur Hohn und schrille Zwischenrufe. Ich will auf die jüngsten Äußerungen von Herrn Koch gar nicht eingehen, aber er war bekanntlich auch dafür verantwortlich, dass die Union den so genannten Wahlbetrugsausschuss im Bundestag einsetzen will.
Dazu fällt einem nur noch die Redensart ein: Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Ich glaube wirklich, dass die Menschen diese Spielereien unendlich Leid sind.
Obwohl man also zu Recht mit der aktuellen politischen Situation in Berlin unzufrieden sein kann, gibt es aber überhaupt keinen Grund, über Weimarer Verhältnisse und Reichskanzler Brüning zu reden oder gar die Bürgerinnen und Bürger dazu aufzufordern, auf die Barrikaden zu gehen. Immerhin hatte die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2002 das höchste Bruttosozialprodukt ihrer Geschichte. Außenminister Joschka Fischer hat ja nicht ganz unrecht, wenn er sagt: Die gefühlte Rezession ist viel stärker als der reale Rückgang der Wirtschaft.
Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht nur hausgemacht sind. Es ist eine Tatsache, dass die internationale Konjunktur spätestens seit dem 11. September 2001 ins Stocken geraten ist. Die USA, Japan und auch viele europäische Länder befinden sich in einem wirtschaftlichen Tief, das naturgemäß auch den Exportweltmeister Deutschland trifft.
Gänzlich verdrängt worden sind dabei aber die Folgen der deutschen Einheit. Aus meiner Sicht ist es ein Fehler von historischem Ausmaß, dass die Vereinigung nicht als nationale Aufgabe definiert wurde. Statt dessen schreitet in den Neunzigerjahren die Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft voran. Steuern zu zahlen wird lächerlich gemacht und die Forderung nach Steuererleichterung wird hoffähig gemacht. Das ist das Problem, mit dem wir auch heute noch zu kämpfen haben.
Dennoch steht unser Staat vor ernsten Herausforderungen, und wir müssen uns endlich eingestehen, dass
wir dringend Reformen in Angriff nehmen müssen, und zwar in erster Linie in den Bereichen Arbeitsmarkt und Bildung, aber auch bei den Sozial- und Rentenkassen. Die Probleme in diesen Bereichen sind seit Jahren bekannt und Lösungsvorschläge gibt es zuhauf. Allerdings ist es natürlich nicht egal, welche Lösungsvorschläge man wählt und wie man sie dann auch umsetzt.
Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen aber ihren Beitrag zur Lösung der Probleme erbringen. Dieser gemeinsame Wille erscheint mir immer noch zu schwach. Dass es auch anders geht, konnte man kürzlich Medienberichten entnehmen, aus denen hervor ging, dass man in den Niederlanden im Rahmen eines Bündnisses für Arbeit eine Arbeitsmarktvereinbarung getroffen hatte: Arbeitgeber und Gewerkschaften hatten sich für 2003 auf Tarifsteigerungen bis zu 2,5 % geeinigt, während die Regierung zusagte, den Niedriglohnsektor und das vermögenswirksame Sparen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit rund 900 Millionen € zu unterstützen, und dies in einer Phase, wo es durch den Rücktritt der Regierung wegen der Auseinandersetzungen mit der rechten Liste Fortujn nur ein geschäftsführendes Kabinett gibt und im Januar Neuwahlen stattfinden. Es lohnt sich somit, den Kopf zu bewegen und einen Blick durch das nachbarliche Schlüsselloch zu wagen. Auch hier gilt, es gibt ganz einfach Besseres als fortdauernd den eigenen Bauchnabel zu betrachten.
Der SSW fordert also, dass die notwendigen Reformen der Kranken- und Rentenversicherungen, des Arbeitsmarktes und des Bildungssystems angepackt werden. Wir wollen den Sozialstaat reformieren und ihn erhalten; abschaffen wollen wir ihn nicht.
Deshalb fordert der SSW auch keinen neoliberalen Umbau des Sozialstaates beispielsweise nach den Vorstellungen der FDP, sondern sozialgerechte Reformen.
Insbesondere unsere skandinavischen Nachbarländer Dänemark und Schweden haben uns bereits vorgemacht, wie man einen angeschlagenen Sozialstaat wieder fit machen kann, Herr Kollege Hay sprach es an. Die hohen Wachstumsraten und die niedrigen Arbeitslosenzahlen bei gleichzeitig hohen sozialen Standards in diesen Ländern sprechen für sich.
In unseren skandinavischen Nachbarländern gibt es einen sozialen Konsens, an den sich bisher alle Regierungen jedweder Richtung gehalten haben.
Danach richtet sich auch der innere Kompass des SSW. Mit anderen Worten: Wir wollen keinen Staat nach Motto: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.
Obwohl der SSW das Ziel der Steuergerechtigkeit und damit auch das Stopfen von Steuerlöchern grundsätzlich teilt, haben wir Probleme mit einem Teil der Steuererhöhungen, die zum Jahresende kommen werden. Mein Kollege Harms hat dies in der letzten Woche in der Debatte über das Steuervergünstigungsabbaugesetz im Detail bereits erläutert. An dieser Stelle möchte ich nur noch einmal die Streichung der Eigenheimzulage erwähnen, was für die Baubranche - gerade auch in Schleswig-Holstein - schlimme Folgen haben wird.
(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Und für die So- zial- und Familienpolitik, die Altersvorsorge und und und!)
Steuererhöhungen, die zur Schwächung der Konjunktur führen, lehnen wir in der jetzigen Situation ab.
Mehr Steuergerechtigkeit heißt für uns aber sehr wohl die Einführung einer Vermögensteuer. Mit einer Zinsabschlagsteuer, die jetzt wohl kommen wird, können wir leben. Trotz einer unbestreitbaren Gerechtigkeitslücke ist die Einführung einer solchen Steuer vernünftig. Unter dem Strich ist sie wirklich das kleinere Übel. Bisher zahlen die meisten Bürger für ihre Kapitalerträge gar nichts. Illusionen - auch das ist schon gesagt worden - sollte man sich aber dabei nicht machen. Es wird weiterhin einen harten Kern von Steuerflüchtigen geben, die in ihrem unsozialen Verhalten von nicht wenigen Politikern und Lobbyisten unterstützt werden, wenn diese behaupten, dass die Steuergesetze den Bürgern keine andere Wahl ließen. Diesen Heuchlern wird nun das Handwerk gelegt und das begrüßen wir.
Aus der ganzen leidigen Steuerdiskussion ergibt sich allerdings auch noch eine andere Erkenntnis. Bei den konjunkturellen Schwierigkeiten, die wir jetzt haben, ist die Einhaltung der Maastricht-Kriterien mehr als kontraproduktiv. Die dreiprozentige Verschuldungsgrenze mag ihre Berechtigung bei guter Konjunktur haben. Bei den aktuellen wirtschaftlichen Problemen verschärft diese Einschränkung der nationalen Handlungsmöglichkeiten die Probleme noch, weil man statt zu investieren weiter zum Sparen angehalten wird. Deshalb sollten bei der Neugestaltung der EU sowohl die Maastricht-Kriterien als auch die Konstruktion der Währungsunion mit ihrer restriktiven Geldpolitik überdacht werden.
lich in der Frage der Umsetzung des HartzKonzeptes. Der Kompromissvorschlag - insbesondere bei den Billigjobs - ist natürlich nicht ohne Probleme. Man braucht sich nur den Artikel aus der „Süddeutschen Zeitung“ im heutigen „Pressespiegel“ anzugucken. Angesichts der anderen positiven Effekte des Konzeptes aber ist hier ein Durchbruch geschaffen worden, der hoffentlich für weitere Reformen beispielhaft sein kann.
Interessant ist in diesem Fall, dass jetzt auch die nationale Presse erkennt, dass man in Schleswig-Holstein bereits mit ähnlichen Konzepten Erfolge erzielt hat. Schon seit einigen Jahren versuchen wir in Schleswig-Holstein, eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik umzusetzen, wobei nicht Herr Hartz, sondern eher das dänische Arbeitsmarktmodell Pate gestanden hat. Natürlich ist es noch nicht gelungen, flächendeckende Erfolge zu vermelden. Aber dort, wo man diese Modellversuche und ähnliche Modelle einer aktiven Arbeitsmarktpolitik anwendet, kommt man auch voran.
Der SSW begrüßt, dass die Landesregierung in ihrer Politik versucht, diese und ähnliche Elemente der skandinavischen Nachbarländer aufzunehmen. Das steht uns als Brücke zum Norden gut zu Gesicht, finde ich. Das gilt nicht nur für die Arbeitsmarktpolitik, die ich vorhin schon angesprochen habe, sondern auch für die Ostseepolitik und insbesondere für die Energiepolitik, in der Schleswig-Holstein Dänemark jetzt sogar prozentual gesehen als größer Windenergieproduzent überholt hat.
Trotz Kritikpunkte im Detail - vielen Dank! - kann der SSW diese Politik daher weiterhin unterstützen,
Vor diesem Hintergrund unterstützen wir auch das Verhalten der Landesregierung im Bundesrat, denn der Bundesrat darf als Verfassungsorgan nicht den Interessen der Parteien untergeordnet werden.
Gerade die Mängel der Steuerreform 2000 haben gezeigt, dass die Bundesregierung und die schleswigholsteinische Landesregierung nicht immer die gleichen Interessen haben, und wie wichtig es ist, schnell Bedenken anzumelden. Dies sollte nach Auffassung des SSW in Zukunft deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Anders formuliert: Wenn wir es mit
unserer Forderung nach einer Stärkung der Landesparlamente in unserem föderalistischen System ernst meinen - dazu haben wir in diesem Haus mehrfach Debatten geführt -, dann müssen auch die Länder lernen, glaubwürdiger zu agieren.
Eine Reform des Föderalismus unter Einbeziehung einer Finanzreform zwischen Bund, Ländern und Kommunen ist auch der richtige Weg, um vor dem Hintergrund der neuen EU-Strukturen die Regionen Deutschlands zu stärken. Der bisherige Zustand der Bundesländer jedenfalls ist alarmierend, denn nahezu alle Bundesländer haben riesige finanzielle Probleme.
Das gilt natürlich auch für Schleswig-Holstein. Die Eckdaten der Nachschiebeliste für den Haushalt 2003 sehen nicht besonders rosig aus, um es einmal milde zu formulieren. Zwar steigen die Investitionen um über 85 Millionen € auf 797 Millionen € und daher steigt auch die Investitionsquote von 9,1 % auf 10,2 %, aber leider ist dieser Wert überhaupt nicht aussagefähig, da es sich bei den meisten zusätzlichen Investitionen um die Gelder für die Flutopfer in Ostdeutschland handelt; diese fließen nicht nach Schleswig-Holstein. Nur bei dem Ausbau der Hochschulen, dem Umbau des Landtages und bei der Sanierung der Strafvollzugsanstalten des Landes wurden die Investitionen um knapp 7,6 Millionen € erhöht.