Protocol of the Session on December 18, 2002

(Karl-Martin Hentschel)

kräfte verpflichtet werden können, bei Stundenausfall einzuspringen.

Fünftens. An geeigneten Standorten sollen Oberstufenzentren gebildet werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das kostet eine Menge Geld!)

In einem ersten Schritt soll an Orten, wo es mehr als eine gymnasiale Oberstufe gibt -, das ist an fast allen Orten in Schleswig-Holstein so, in denen es Gymnasien gibt - die Zusammenarbeit ausgebaut werden.

Sechstens. Kleine Schulen sollen organisatorisch zusammengefasst werden mit einer gemeinsamen Schulleitung, um schulübergreifende Kooperation zu ermöglichen. Über die Beibehaltung der Standorte soll vom Schulvorstand vor Ort entschieden werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Die Kultusminis- terin ist zum Teil begeistert!)

Siebtens. Die Lehrerstundenkontingente sollen konsequent nach Schülerzahlen auf die Schulen verteilt werden, wobei Sonderfaktoren aufgrund des sozialen Einzugsbereiches, wenn Mehrbedarf für Fördermaßnahmen und Sprachförderungen besteht, berücksichtigt werden. Ausnahmen soll es nur für Inselschulen und ähnlich extreme Standorte geben.

Achtens. Auch die Berufsschulen haben ein Problem der kleinen Klassen.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ist das jetzt Hentschels Weihnachtsmärchen?)

Der Vorschlag des Rechnungshofes, eine Mindestklassengröße vorzuschreiben und gegebenenfalls die Schüler und Schülerinnen zu Bezirksfachklassen oder Landesberufsschulen zusammenzufassen, soll umgesetzt werden. Dabei müssen die betroffenen Betriebe einbezogen werden.

Die zweite große Reform des Bildungswesens betrifft die Hochschulen. Qualitativ gute Hochschulen in Forschung und Lehre sind einer der wichtigsten Standortfaktoren für unser Land. Zurzeit befinden sich unsere Hochschulen in einer dramatischen Lage, zu der ich vorhin schon etwas gesagt habe.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wer hat die denn eigentlich da hineingebracht?)

Mit der Einrichtung der Strukturkommission für die Uni-Klinika unter der Erichsen-Kommission für die Hochschulen soll eine Grundlage für neue Entscheidungen getroffen werden. Herr Jost de Jager, Sie haben letzte Woche erneut vertreten, der Gesetzentwurf zur Fusion der Klinika sei in zentralen Punkten unvollständig und komme zum falschen Zeitpunkt. Es

sei voreilig, über ein so erhebliches Strukturvorhaben zu entscheiden, bevor die so genannte ErichsenKommission ihre Vorschläge vorgelegt habe. Ihre Presseerklärung gipfelt in dem Satz: Das sei eine Zumutung für die Betroffenen und ein parlamentarischer Sittenverfall. Nein, Herr de Jager, ein Sittenverfall wäre es, wenn wir wieder nicht die Kraft hätten, die nötigen Entscheidungen zu treffen, wenn es uns nicht gelänge, die nötigen Strukturreformen auf den Weg zu bringen und wenn wir die Hochschulen alleine ließen, denn dann sparen wir sie kaputt. Deshalb wird meine Fraktion dafür eintreten, dass die Strukturen der Hochschulen auf der Basis der Kommissionsvorschlage zügig reformiert werden. Es müssen ab 2003 weitere Einsparungen bei den Uni-Kliniken realisiert werden. Dafür ist ein handlungsfähiger Klinikvorstand die unabdingbare Voraussetzung,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn mit den frei werdenden Mitteln soll die Finanzierung unserer Hochschulen sichergestellt werden.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ein Quatsch!)

Herr de Jager und Herr Kubicki, ich spreche Herrn de Jager jetzt besonders an, obwohl er nicht hier ist: Wir werden an dieser Linie festhalten - und wenn wir noch so viele de Jagers zum Jagen tragen müssen. Herr de Jager.

Neben den Strukturentscheidungen im Land brauchen wir Strukturentscheidungen in Berlin. Auch dafür trägt die Landesregierung eine wichtige Verantwortung. Wir sind deshalb der Überzeugung, es muss zu einer deutlichen Senkung der Lohnnebenkosten kommen. Darüber sind sich mittlerweile alle im Landtag einig. Das Folgende ist jedoch konkreter: Die Renten dürfen nicht mehr schneller steigen als die Einkommen der jungen Familien.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es muss durch eine Reform des Gesundheitswesens erreicht werden, dass die Beiträge zur Krankenversicherung gesenkt werden. Die Basis für die Finanzierung des Sozialversicherungssystems muss verbreitert werden, indem alle Einkommen - auch die von Beamten, Abgeordneten, Besserverdienenden, Selbstständigen sowie Kapitaleinkommen - einbezogen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist das Schweizer Modell. Wenn die Schweiz dies überlebt, so denke ich, dass auch Deutschland dies überleben würde. Der Anteil der Steuerfinanzierung muss deutlich angehoben werden. Die Gegenfinanzierung soll durch Verbrauchssteuern aufkommensneutral erfolgen. Deshalb hält meine Fraktion

(Karl-Martin Hentschel)

auch an der Verwendung der Ökosteuer für die Senkung der Lohnnebenkosten fest.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Steuerlasten. Kapitalgesellschaften und Vermögen müssen angemessen an der Finanzierung unseres Staates beteiligt werden. All denen, die sich über Steuererhöhungen und Erbschaftssteuer Gedanken machen, sage ich: Wir müssen verhindern, dass die Einkommensentwicklung immer weiter auseinander läuft. Herr Kubicki, Einkommensunterschiede sind gut. Die Leute, die tüchtig sind, sollen auch etwas verdienen. Wenn wir es aber nicht schaffen, das Auseinanderlaufen der Einkommensunterschiede zu stoppen, dann gerät unsere Demokratie irgendwann in Gefahr. Deshalb ist das notwendig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir unterstützen auch den Beschluss der Landesregierung, sich für eine schnelle und unverwässerte Umsetzung des Hartz-Konzeptes einzusetzen, auch wenn es dabei die eine oder andere Kritik gibt. Ich glaube, es ist richtig, dass die Leiharbeit dann, wenn sie in großem Umfang eingesetzt wird, für das Unternehmen, das den Leiharbeiter einstellt, in den ersten Monaten günstiger ist. Auf jeden Fall muss sie so günstig sein, dass es sich für diese Unternehmen lohnt. Natürlich kann es andererseits nicht zu so großen Abschlägen kommen, dass feste Arbeitsplätze massenhaft durch Leiharbeitsplätze ersetzt werden. Das muss man auch sehen. In dieser Frage muss es zu einem ausgewogenen Verhältnis kommen. Die Holländer haben vorgemacht, dass eine solche Ausgewogenheit möglich ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Bei den Personal-Service-Agenturen müssen wir ungedingt darauf achten, dass sie vor Ort in kommunaler oder privater Hand eingerichtet werden. Die Arbeitsvermittlung darf nicht beim Arbeitsamt selbst bleiben. Das Arbeitsamt wird diese Aufgaben als starre Bundesbehörde nicht bewältigen können. Wir müssen sehr darauf achten, dass das Arbeitsamt sich in seiner Eigengesetzlichkeit nicht durchsetzt und dass tatsächlich eine Dezentralisierung stattfindet, die die nötige Flexibilität bringt.

Der vorliegende Sparhaushalt ist nicht die Lösung aller Probleme.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Er schafft neue Probleme!)

Er ist ein notwendiger Schritt. Herr Kubicki, unser Problem ist auch nicht die mangelnde Wirtschaftskraft. Schleswig-Holstein hatte im ersten Halbjahr 2002 gegenüber 2001 mit 1,3 %das höchste Wachstum aller Bundesländer.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das reicht aber nicht!)

- Wir werden weiter daran arbeiten, mehr zu haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann tun Sie es doch einmal!)

Das Problem liegt jedoch darin, dass unsere Finanzen gegenüber diesen Entwicklungen überproportional gesunken sind. Unser Problem ist auch nicht die mangelnde Konkurrenzfähigkeit. Wenn der Außenhandel in Schleswig-Holstein im letzten Jahr um 14 % gewachsen ist, dann liegt das nicht an der mangelnden Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem Ausland.

Unser Problem sind die Blockaden bei der Reform unserer sozialen Sicherungssysteme. Wir müssen aufhören, vor der nächsten Wahl Angst zu haben. Wir müssen aufhören, ein Politkasperlspiel zu betreiben. Wir müssen aufhören, jede politische Entscheidung vor dem Bundesrat zum Nullsummenspiel zu zerreiben. Wir müssen aufhören, jede politische Entscheidung erst einmal zum Verfassungsgericht zu tragen. Wir müssen mit dem Theater von überflüssigen Untersuchungsausschüssen, Verdächtigungen und kriminalistischen Fisematenten, wer einmal wann etwas gesagt hat, aufhören. Wir müssen im Parlament zu einer wirklich ernsthaften politischen Debatte zurückkehren, die um die Sache geht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Die schwierige Situation der Konjunktur und der öffentlichen Haushalte erfordert entschlossenes Handeln der Regierungen und klare Signale an die Bürgerinnen und Bürger. Da stimme ich Lothar Hay voll zu. Wir müssen klare Signale geben, damit die Menschen Vertrauen fassen. Viele Bürgerinnen und Bürger haben erkannt, dass alle ihren Teil dazu beitragen müssen, um den Tanker Deutschland wieder in Schwung zu bringen. Das haben wir in vielen Gesprächen erkannt. Sie erwarten von uns die Signale, dass wir die Probleme anpacken und die Belastungen gerecht auf alle verteilen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

(Karl-Martin Hentschel)

Ungewöhnlicherweise schließe ich mit einer Parole. Die lautet: Die Kinder haben Vorzug, packen wir es an!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am vergangenen Freitag wurde in Kopenhagen eine wahrlich historische Entscheidung für die gemeinsame Zukunft Europas getroffen. Mit der Aufnahme der zehn osteuropäischen Länder in die Europäische Union ist der Eiserne Vorhang, der 50 Jahre lang unser Bild von Europa bestimmte, endgültig beseitigt worden. Dies setzt die verbreitete kollektive Depression in der Bundesrepublik, bei der wir in den letzten Wochen einem vielstimmigen Jammerchor auf höchstem Niveau gelauscht haben, in eine ganz andere Perspektive.

Angesichts dieser erfreulichen Ereignisse sollten wir aufhören, nur Nabelschau zu betreiben. Wir sollten die osteuropäischen Völker willkommen heißen in unserer Gemeinschaft, die seit 1955 durch die gemeinsamen Werte von Demokratie, Menschenrechten und Rechtstaatlichkeit geprägt ist. Sie haben es nach Jahren der Entbehrung verdient, an unserem Wohlstand und an unserer wirtschaftlichen Prosperität teilzunehmen.

Natürlich wird die Osterweiterung nicht ohne Probleme vollzogen werden können. Es gibt Besorgnis darüber, wie sich durch die neuen Mitglieder die wirtschaftliche Entwicklung bei uns und in den anderen alten Mitgliedsstaaten entwickeln wird. Dazu haben viele Menschen Angst vor neuer Zuwanderung und billiger Arbeitskraft, die die heimischen Arbeitskräfte verdrängen könnten. Auch wenn diese Befürchtungen vielfach nicht real sind, da bisher fast alle EU-Länder durch den Beitritt von neuen Ländern mehr gewonnen als verloren haben, müssen wir sie ernst nehmen.

Gerade deswegen ist es so wichtig, dass wir es bei einer Neugestaltung der EU-Strukturen wieder verstärkt in die Hand nehmen, wie wir unsere sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gestalten. Die EU wird sich ändern müssen - in ihren Strukturen, in ihrem Aufbau und in ihrer zentralen Organisation. An diesen Änderungen arbeitet der EU-Konvent, und man kann nur hoffen, dass es den Konventmitgliedern gelingt, eine vernünftige Balance zwischen