Bei dem Thema, über das wir heute diskutieren, tun wir uns aus meiner Sicht mit gegenseitiger Polemik keinen Gefallen. Damit wird man bei denjenigen, die Schlagzeilen machen - das reicht aber nur bis morgen früh -, Freude hervorrufen. Ich bin der Auffassung, dass wir das Thema der Sache angemessen in aller Ernsthaftigkeit diskutieren sollten. Ich werde versuchen, meinen Beitrag entsprechend zu halten.
Sie haben in Ihrem Beitrag davon gesprochen, dass eine Verfassungsänderung nur durch eine Zweidrittelmehrheit möglich ist. Schauen Sie bitte in die Geschichte des Landes Schleswig-Holsteins und zählen Sie, wie oft die verfassungsgemäße Zahl der Abgeordneten des Landes seit 1947 geändert worden ist. Das ist mehrfach geschehen.
Ich muss - dabei denke ich unter anderem an die Presseerklärung des Bundes der Steuerzahler - auch deutlich machen, was es mit den Überhang- und Ausgleichsmandaten auf sich hat. Lieber Kollege Hentschel, ich hatte gestern Abend, nachdem wir von einer Veranstaltung des Landtagspräsidenten zurückkamen, Gelegenheit, Ihren Kurzbeitrag in einem Sender zu hören, der normalerweise versucht, uns mit Oldies einzulullen. Man kann Überhangmandate gar nicht abschaffen. Das würde bedeuten, jemandem, der in einem Wahlkreis gewählt wurde, sein Mandat wegzunehmen. Das geht nicht. Es gibt keine zwei Sorten Abgeordnete, die unterschiedliche Rechte haben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz einiges zu der Begründung unseres Vorschlages sagen: Mathematisch gesehen gibt es immer die Möglichkeit - ob es 37 oder 38 oder auch, wie bei unserem Vorschlag, 40 Wahlkreise sind -, dass es durch Überhang- und Ausgleichsmandate zu einer Abweichung von der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten kommt. Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler dieses Landes beim Wahlgang.
In Schleswig-Holstein hat die Persönlichkeitswahl, die sich mit den Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet, seit Beginn der demokratischen Geschichte des Landes eine besondere Stellung. Die Persönlichkeitswahl gewährleistet den Bürgerinnen und Bürgern des Landes die echte Wahl eines Abgeordneten aus ihrem Wahlkreis. Eine Persönlichkeitswahl sichert somit einen besonderen persönlichen Bezug des gewählten Abgeordneten zu seiner Region und den dort wohnenden Bürgerinnen und Bürgern.
Ich will nun kurz erklären, wie oft die Verfassung geändert worden ist: Der Schleswig-Holsteinische Landtag hatte in der 1. Wahlperiode, die am 8. Mai 1947 begann, 70 Abgeordnete. Während der 2. bis 5. Wahlperiode - von 1950 bis 1967 - hatte er 69 Abgeordnete. In diesem Zeitraum sank die Zahl der Wahlkreise in Schleswig-Holstein von anfänglich 46 auf 42. Von der 6. bis zur 9. Wahlperiode - von 1967 bis 1983 - gehörten dem Landtag 73 Abgeordnete aus 44 Wahlkreisen an. In der 11. und 12. Wahlperiode waren es 74 Abgeordnete aus 44 Wahlkreisen. Seit der 13. Wahlperiode - also seit 1992 - gehören dem Landtag 75 Abgeordnete aus 45 Wahlkreisen an. Daraus kann man erkennen, dass die Verfassung mehrfach geändert worden ist.
Lassen Sie mich nun etwas zum Verhältniswahlrecht sagen: Anfangs betrug das Verhältnis eins zu eins. Danach pendelte es sich auf 1,5 zu eins ein. Das ist der Grundsatz - man muss versuchen, das auch verfassungsgeschichtlich zu begreifen - des Vorranges der Persönlichkeitswahl. Diesen wollen die Antragsteller CDU und SPD auch bei den beabsichtigten Verfassungsänderungen in der Zukunft zum Tragen kommen lassen.
Das Verhältnis wird in Zukunft - 40 Wahlkreise zu 29 Listenplätzen - nicht mehr 1,5 zu eins, sondern 1,38 zu eins betragen. Eigentlich müssten die kleineren Fraktionen des Landtages - die Interessen sind unterschiedlich und wir sollten nicht so tun, als gebe es eine identische Interessenlage - froh sein.
Folgendes habe ich neulich dem Landesvorstandssprecher der Grünen gesagt: Wenn man nur die nackte Interessenlage berücksichtigt, würden die Grünen einen Wahlkreis mit 74 Listenplätzen vorschlagen. Demgegenüber würde die SPD 74 Wahlkreise mit je einem Listenplatz vorschlagen. Hier wird deutlich, wie sehr die Interessen zwischen den kleineren und den großen Fraktionen auseinander liegen.
Lassen Sie mich noch kurz auf den Vorschlag, der auf dem Tisch des Hauses liegt, eingehen. Diesen werden wir in den nächsten Wochen und Monaten in den zuständigen Gremien zu diskutieren haben. Es werden 40 Wahlkreise und 29 Listenplätze vorgeschlagen. Da in Schleswig-Holstein im Regelfall nur die größeren Fraktionen die Chance haben, einen Wahlkreis direkt zu gewinnen, würde es, da es fünf Wahlkreise weniger wären, uns, also die großen Fraktionen, betreffen. Demgegenüber wird es nur ein Listen
Wenn Sie das Ergebnis aus 2000 umrechnen, werden Sie feststellen, dass in erster Linie die größeren Fraktionen weniger Abgeordnete hier im Landtag haben werden. Wir sind dazu bereit.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt kurz ansprechen. Ich glaube, wir haben in der Vergangenheit sehr gut daran getan, an diesem Prinzip festzuhalten: Die Wahlkreise haben die kommunalen Gebietsstrukturen bisher in irgendeiner Form widergespiegelt. Das heißt, dass es in einer Gebietskörperschaft - also in einem Kreis oder kreisfreien Stadt - bis zu vier Wahlkreise - das galt für die größeren Städte der Landes - gab. Dabei gab es mit Flensburg und Neumünster zwei Ausnahmen. In diesen Städten gab es einen kleinen städtischen und einen größeren ländlichen Anteil.
Dieses Prinzip wollen wir auch in Zukunft beibehalten. Es hat auch etwas mit der Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger zu tun, wenn es in Zukunft 40 Wahlkreise und 29 Listenplätze gibt, durch die in erster Linie die derzeitigen kommunalen Strukturen widergespiegelt werden. Diese Erfahrung haben wir gemacht.
Ich komme zu meiner letzten Bemerkung zu diesem Komplex: Wir haben die Absicht, dass schon bei der Landtagswahl 2005 nach der von uns beabsichtigten Verfassungsänderung gewählt wird. Ich gehe davon aus, dass wir auch in den einzelnen Gremien des Landtages noch intensiv über den von uns einzubringenden Antrag „Verfassungsänderung“ sachlich debattieren werden.
Lassen Sie mich in der Zeit, die mir für meine Rede noch zur Verfügung steht, noch ganz kurz auf das Thema Diäten eingehen. Ich darf daran erinnern: Es gibt ein Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2000. Wir waren uns bisher in diesem hohen Haus einig, dass wir dieses Urteil auch aus Verantwortung, aus Respekt gegenüber der Dritten Gewalt des Staates umzusetzen haben.
Herr Kollege Kubicki, es geht nicht um das Verabschieden eines Gesetzentwurfs, sondern um eine Entschließung, die vier Bestandteile hat, die für SPD und
CDU den Weg zu einer Verkleinerung des Landtages aufzeigen, zu einer Umsetzung des Berichts der unabhängigen Diätenkommission und weitere Bestandteile enthält, die durch den Bericht des Landtagspräsidenten Bestandteil der Debatte in diesem Haus waren. Ich gehe davon aus, dass es uns möglich sein muss, auch die kleineren Fraktionen des hohen Hauses in den nächsten Wochen und Monaten in diesen Prozess einzubeziehen aus den von mir anfangs genannten Gründen. Es geht um das Gesamterscheinungsbild der parlamentarischen Demokratie.
Dieses Angebot mache ich Ihnen ausdrücklich als Vertreter der SPD-Landtagsfraktion. Ich hoffe, dass es trotz unterschiedlicher Auffassung, was die Zusammensetzung des Landtages hinsichtlich der Wahlkreise und der Listenmandate betrifft, gelingt - wie in der Vergangenheit fast schon einmal, was das Thema Umsetzung der Vorschläge der Benda-Kommission anbetrifft -, auf eine Linie zu kommen. Dann hätten wir einen guten Schritt nach vorn getan und machten es 2005 vielleicht für Bevölkerungsschichten attraktiv, sich für den Landtag zu bewerben, die bisher aufgrund der Einkommensstruktur nicht kandidieren wollten. Das wäre auch ein wesentlicher Beitrag, das Parlament zukünftig mit anderen Berufsschichten zu durchmischen. Damit wäre das Parlament insgesamt stärker. Daran müssen wir alle ein Interesse haben.
Das Wort erteile ich jetzt dem Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU-Fraktion, Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Hay hat darauf hingewiesen, dass am 21. Juli vorletzten Jahres das Bundesverfassungsgericht eine Vielzahl von parlamentarischen Funktionszulagen für unzulässig erklärt hat. Das Urteil ist zwar zum Thüringer Abgeordnetengesetz ergangen, aber wir alle waren uns klar darüber, dass das auch Auswirkungen auf uns haben müsste. Deswegen haben wir uns entschieden, eine unabhängige Diätenkommission einzusetzen, einerseits, um dem Spruch des Urteils des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden, andererseits, um dem Vorwurf der Selbstbedienung zu entgehen.
Genau vor einem Jahr, im Dezember 2001, hat Professor Benda das Ergebnis unterbreitet. Das Ergebnis der Diätenkommission wurde - daran will ich Sie gern erinnern - von fast allen gesellschaftlich relevanten Gruppen und in der Öffentlichkeit positiv beurteilt. Zitat:
„Hat der Landtag die Kraft dazu, die Vorschläge umzusetzen, dann könnte in Kiel ein Stück deutscher Parlamentsgeschichte geschrieben werden.“
So kommentierte der von uns allen geschätzte Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag die Vorschläge der Kommission.
„Die entscheidende Frage ist aber, zeitgleich mit einer Diätenreform auch das Parlament zu verkleinern.“