Dadurch würden die Vor- und Nachteile gleichzeitig nach der nächsten Landtagswahl in Kraft treten und
dadurch würde auch der 15. Landtag nicht in Versuchung geraten, im eigenen Interesse zu entscheiden.
Von dieser einvernehmlich - ich wiederhole: einvernehmlich - vereinbarten Vorgehensweise wird jetzt abgewichen. Die großen Fraktionen nehmen in Kauf, dass die große Diätenreform, die ja wirklich eine vernünftige Sache ist,
völlig in Misskredit gerät. - Lieber Kollege Kayenburg, ich habe gesagt: Der springende Punkt ist, dass die Diätenreform mit der neuen Wahlperiode in Kraft treten soll.
Ich sage noch einmal - ich wollte eigentlich nicht weiter polemisieren -: Ich finde, dass die beiden großen Fraktionen mit ihrem gemeinsamen Vorschlag auf dem erarbeiteten Neubeginn in Sachen Diätenreform herumtrampeln. Das Gleiche gilt leider auch für den zweiten Punkt der heutigen Debatte, die Neueinteilung der Wahlkreise. Eigentlich sollten Diäten genauso wenig mit Wahlkreisen zu tun haben wie Mönche mit Freudenhäusern.
Aber wir wissen ja, dass beide Themen trotzdem miteinander verkoppelt worden sind, sowohl in der bisherigen Debatte als auch im gemeinsamen Antrag von SPD und CDU. Ich finde, es ist ein Armutszeugnis, das uns da jetzt vorliegt. Denn dadurch entsteht der Verdacht, dass es den beiden großen Fraktionen doch nur um die Wahrung eigener Interessen geht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei gibt es reichlich objektive Gründe dafür, die Zahl der Wahlkreise deutlich zu reduzieren.
Wir alle wollen verhindern, dass die Regelgröße von 75 Landtagsabgeordneten nicht nach jeder Wahl durch Überhang- und Ausgleichsmandate erheblich überschritten wird. Die einzig wirksame Methode zur
Begrenzung der Zahl der Mandate ist aber, dass man die heutige Zahl von 45 Wahlkreisen erheblich reduziert.
Das Innenministerium hat uns in einer Modellrechnung im Innen- und Rechtsausschuss aufgezeigt, dass die optimale Lösung die Reduktion auf höchstens 38 Wahlkreise ist. Nur so lässt sich zuverlässig sicherstellen, dass der Landtag den Referenzwert von 75 Abgeordneten nicht wesentlich überschreitet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es mag sein, dass man dies alles auch anders berechnen und hinterfragen kann. Aber ich stelle noch einmal die zentrale Frage: Wieso konnte das nicht im Innen- und Rechtsausschuss geschehen, wo seit zwei Jahren ein FDP-Gesetzentwurf schmort?
(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Den haben Sie bisher abgelehnt! Das finde ich nun scheinheilig, Frau Kollegin!)
Ich möchte einen anderen Punkt ansprechen, der wirklich enttäuschend ist. Der SSW mahnt seit Jahren und Jahrzehnten in diesem Haus ein anderes Parlamentsverständnis an. Wir mahnen an, dass die Fraktionen besser und mehr zusammenarbeiten, um die großen Probleme des Landes zu lösen.
- Lieber Kollege Kayenburg, da fassen Sie sich bitte an Ihre eigene Nase; denn bis heute haben SPD und CDU sich kaum darauf verständigen können, ob ein Schimmel weiß ist, ohne dass es zu Grabenkämpfen kam.
Umso tragischer ist es, dass es offensichtlich nicht schwer gefallen ist, in der Wahlkreisfrage eine Einigung zu erzielen.
Ich bin enttäuscht darüber, dass das nur in dieser Frage, nicht aber in anderen Fragen möglich war. Da
(Vereinzelter Beifall bei SSW und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Holger Astrup [SPD]: Das ist schlichter Unsinn!)
Der Kollege Hay hat vorhin deutlich gemacht, wie oft die Wahlkreiseinteilung und die Anzahl der Abgeordneten geändert wurde. Ich möchte aber nur eine Bemerkung machen: Erst seit 1990 steht das in der Landesverfassung.
Wir werden uns mit diesem Problem weiterhin beschäftigen. Ich kündige schon jetzt an, dass der SSW weitere Anträge zur Änderung der Landesverfassung einbringen wird. Wir haben gesagt, wir wollen, dass Sinti und Roma in die Landesverfassung aufgenommen werden. Dazu stehen wir und entsprechende Anträge werden wir weiterhin einbringen. Dann werden wir sehen, wo wir dafür Unterstützung bekommen.
(Beifall bei SSW, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Wie war das mit den Mönchen und dem Freudenhaus?)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern den Appell des Kollegen Hay aufgreifen, was die Frage der Sachlichkeit angeht. Wir können natürlich auch so weitermachen und sagen, es ist uns egal, wir hauen hier einfach schnell unsere polemischen Sachen raus, die Bevölkerung wird das schon schlucken.
Ich will einmal auf folgende Punkte hinweisen. Zunächst einmal, Kollege Hay, gehört zur Sachlichkeit und Redlichkeit, dass man, wenn man einen solch nachdenkenswerten Beitrag leistet, darauf hinweist, dass die Verfassung in der Frage der Abgeordnetenzahl bisher nicht geändert worden ist. Es gab lediglich eine Änderung des Wahlgesetzes. Wir beschäftigen uns das erste Mal mit der Frage der Verfassungsänderung.
Die spannende Frage ist, ob man mit dem Vorschlag von 69 Abgeordneten, den Sie unterbreiten und über
den man nachdenken kann - ich warte noch auf eine sachliche Begründung, warum es 69 sein sollen -, das Strukturproblem ändert, ob man erreicht, Überhang- und Ausgleichsmandate zu verhindern.
- Ja, Herr Puls, aber die Frage ist doch umgekehrt, ob wir nicht eigentlich von Verfassung wegen gezwungen sind, das Wahlrecht so auszugestalten, dass die Sollzahl optimal erreicht werden kann. Es ist wirklich eine spannende Frage, ob der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass durch die Wahlrechtsausgestaltung die Verfassungsnorm erfüllt wird. Sonst könnten Sie 50 Wahlkreise bilden und 69 Abgeordnete in die Verfassung schreiben, in dem Wissen, dass Sie dann immer über 80 Abgeordnete haben. Das kann es nicht sein. Dieser spannenden Frage muss man noch nachgehen.
- Auf jeden Fall ist es dem Gesetzgeber verboten, sich von den Verfassungsgrundsätzen zu entfernen; das ist sicher.
Das Zweite, was ich sagen will: Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Zahlen haben; vielleicht können Sie mir das noch einmal erklären.
- Selbst rechnen ist in Ordnung. Ich vertraue aber momentan auf das, was uns der Innenminister mitgeteilt hat.
(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Holger Astrup [SPD]: Der hat grob gerechnet, wir haben fein gerechnet! Das ist doch in Ordnung!)