Protocol of the Session on December 12, 2002

Meine Damen und Herren, wir haben bereits im Vorwege angekündigt, dass wir diesem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung nicht zustimmen werden. Gleichwohl werden wir uns mit Einzelanträgen an der weiteren Beratung beteiligen, weil wir glauben, dass es richtig ist, uns nach der langen Vorlaufzeit auch zu Sach- und Einzelfragen, die in der Anhörung, aber auch in den Gesprächen mit den Standorten eine Rolle gespielt haben, zu äußern.

Ein Punkt, den wir einbringen und zur Abstimmung stellen werden, ist die Zusammensetzung des Vorstandes. Wir sind der Auffassung, dass es kein Dreiervorstand, sondern ein Fünfervorstand sein soll. Wir sind der Auffassung, dass die Pflege - das ist mittlerweile fraktionsübergreifender Konsens - selbstverständlich vertreten sein soll. Einmal wird das der Bedeutung der Pflege im Umgang mit den Patienten gerecht, zum anderen wird es dem betriebswirtschaftlichen Merkmal der Pflege in der Leitung eines solchen Großklinikums gerecht. Die Pflege ist eines der ganz entscheidenden betriebswirtschaftlichen Stellräder in einem solchen Klinikum. Deshalb muss die Pflege im Vorstand vertreten sein.

Darüber hinaus machen wir einen weiteren Vorschlag: Wir sind dagegen, dass es einen Vorstand für Forschung und Lehre gibt, sondern wir wollen, dass die beiden Fakultäten über die Dekaninnen beziehungsweise die Dekane in dem Vorstand vertreten sind. Es ist ein bisschen die Frage, was genau diese fusionierte Klinik sein soll: überwiegend Klinik oder überwiegend Uni. Wir wollen dadurch, dass die Fakultäten dort vertreten sind, den universitären Charakter der Einrichtung stärken, weil die Fakultäten nach wie vor im Wesentlichen Träger von Forschung und Lehre sind.

Wir sind darüber hinaus der Auffassung - ich rede jetzt ein bisschen schneller, weil mir die Zeit davonläuft -, dass wir den gemeinsamen Ausschuss nicht brauchen werden, weil dann die Fakultäten dort vertreten sind.

Ein weiterer Punkt, den ich nur ganz kurz nennen möchte, ist, dass dieser Gesetzentwurf bislang keine Vorkehrungen trifft, wie die örtliche Ebene organisiert werden soll, das heißt in welcher Art und Weise die Entscheidungen des Zentralvorstandes in den Standorten tatsächlich umgesetzt werden. Auch dazu machen wir einen Vorschlag.

(Jost de Jager)

Lassen Sie mich abschließend sagen, meine Damen und Herren, dass wir uns freuen, dass die FDP unseren Anträgen zustimmen wird. Das hat sie auch im Ausschuss schon gemacht.

Meine Damen und Herren, Sie haben zwei Jahre Zeit gehabt, einen wasserdichten Gesetzentwurf vorzulegen. Sie haben die Zeit dafür nicht genutzt. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf enthält nach wie vor offene Variablen. Der Fusionsprozess ist schon ins Trudeln und ins Stolpern geraten, bevor er überhaupt richtig begonnen hat. Aus diesem Grunde werden wir nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Weber.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach intensiver Beratung in den letzten Wochen und Monaten fällt das Resümee für die sozialdemokratische Fraktion so aus, wie wir es bereits in der ersten Lesung angedeutet haben: Die Fusion der Hochschulklinika in Kiel und Lübeck zu einem gemeinsamen Hochschulklinikum Schleswig-Holstein ist und bleibt ein notwendiger und unumgänglicher Schritt. Wenn es dafür noch eines weiteren Beleges bedurft hätte, der Bericht der Landesregierung zu den Universitätsklinika 2001, der heute auch auf der Tagesordnung steht, liefert ihn. Die Jahresabschlüsse und die Lageberichte für das Geschäftsjahr 2001 aus Kiel und Lübeck dokumentieren erneut die äußerst angespannten finanziellen Rahmenbedingungen für die beiden Hochschulklinika.

Entwarnung ist in keiner Weise in Sicht. Die unzureichende Finanzierung der Tarif- und Preissteigerungen im Bereich der Krankenversorgung seitens der Krankenkassen wird sich fortsetzen. Das wissen wir. Die fehlende Finanzierung der Tarifsteigerungen des wissenschaftlichen Personals durch das Land und die Absenkung der Landeszuschüsse haben kurzfristig keine seriöse finanzpolitische Alternative. Für Finanzspritzen gibt es keinen Spielraum, schon gar nicht im Landeshaushalt. Das wissen wir.

Schon für das Jahr 2001 – der Bericht liegt uns vor – schloss das Universitätsklinikum Kiel mit einem Fehlbetrag von 1,3 Millionen € ab. Die Zahlen für 2002 werden noch dramatischer aussehen. Die Hochrechnungen für die nächsten Jahre sind Ihnen bekannt, was die Defizite angeht.

Deswegen sage ich: Nicht zu handeln oder nicht schnell zu handeln wäre verantwortungslos. Das können und wollen wir uns auf keinen Fall leisten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt beim SSW)

Von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Hochschulklinika hängt aber nicht nur die Qualität der Krankenversorgung, der Maximalversorgung ab. Es sind unsere einzigen beiden großen Häuser der Maximalversorgung in Schleswig-Holstein. Davon hängt auch die Sicherheit von sehr vielen Arbeitsplätzen ab und – das darf nicht vergessen werden – auch die Qualität von Forschung und Lehre. Wer die Leistungsfähigkeit und gerade die wissenschaftliche Qualität der Medizin erhalten und ausbauen will, muss Vorsorge treffen. Auch das tun wir mit diesem Gesetzentwurf. Deswegen unterstützt die SPD-Fraktion mit einigen Ergänzungen und Änderungen diesen Regierungsentwurf ausdrücklich.

An dieser Stelle will ich gern etwas zu der Frage sagen, Kollege de Jager: Darf man ein solches Gesetz beschließen, bevor die Frage der strukturellen Veränderungen der Hochschulmedizin auf den Weg gebracht ist? Wenn Sie sich die Kennziffern anschauen, wenn Sie sich die wirtschaftliche Situation anschauen und wenn Sie sich anschauen, welche wirtschaftliche Perspektive die Hochschulkliniken in der jetzigen Situation haben – ich habe die Kennzahlen genannt; sie stehen im Bericht drin -, dann sage ich Ihnen: Völlig unabhängig davon, was und welche Form die Erichsen-Kommission in den nächsten Wochen und Monaten vorschlagen wird, werden wir die wirtschaftliche Verbesserung der Situation durch Synergieeffekte auf jeden Fall brauchen, völlig egal, wie sich die Hochschulentwicklung im Bereich der Medizin entfalten wird. Wir werden ansonsten in eine Situation hineinlaufen, dass weder in Kiel noch in Lübeck planungssicher und nachhaltig Wissenschaft und Krankenversorgung betrieben werden können. Das können wir auf keinen Fall zulassen. Deswegen brauchen wir jetzt schnell einen Entschluss über die Zusammenführung der beiden Kliniken.

Meine Damen und Herren, jetzt ist noch nicht der Zeitpunkt, um über die Frage zu reden, was die Erichsen-Kommission vorlegen wird. Wir wissen es noch nicht im Detail.

Für uns sind drei Grundsätze wesentlich:

Erstens. Die Kräfte und Mittel in Kiel und Lübeck müssen koordiniert werden, um medizinische Forschung und Lehre auf wissenschaftlich höchstmöglichem Niveau zu gewährleisten.

(Jürgen Weber)

Zweitens. Dabei benötigt die Hochschulmedizin eine wirtschaftlich effiziente Struktur und die Mitarbeiter benötigen zukunftssichere Arbeitsplätze. Das ist die Aufgabe, der wir uns stellen und die wir durch das Klinikgesetz einlösen, das wir heute beraten.

Drittens. Schließlich müssen wir im Interesse der Gesamtentwicklung unseres Hochschulsystems die Proportionen der Hochschulausgaben zugunsten der nicht medizinischen Bereiche verändern. Da gibt es vermutlich relativ wenig Dissens in diesem Land.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte zu einzelnen Punkten des Gesetzes etwas sagen. Nach intensiven Beratungen legen Ihnen die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Reihe von Änderungsanträgen vor, die dem Ziel geschuldet sind, Effizienz und Qualität noch besser zu erreichen, als es im Regierungsentwurf der Fall war. Die wichtigste Änderung, die wir beantragen - sie sind inzwischen konsensual -, ist die zusätzliche Einführung eines Vorstandes für Krankenpflege und Patientenservice.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Wir haben dabei sehr wohl im Auge behalten, dass wir einen schlanken und handlungs- und entscheidungsfähigen Vorstand brauchen. Nichtsdestoweniger haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ausschlaggebend dafür sind nicht allein Umfang und Bedeutung des Pflegebereiches aufgrund ihrer Quantität. Wir halten es für erforderlich, der Krankenpflege die Möglichkeit zu geben, die Entscheidungen über die betrieblichen Ziele des Klinikums wesentlich zu beeinflussen. Das geht nur dann, wenn auch ein Vorstandssitz entsprechend zugeordnet wird. Das scheint uns unabweisbar.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt beim SSW)

Es scheint uns vor allem deswegen unabweisbar, weil es gerade durch die Einführung der DRGs unerlässlich sein wird, an gängigen Pflegestandards orientierte Pflegekonzepte im Universitätsklinikum auch wirklich umzusetzen. Wir glauben, dass wir damit einen richtigen Schritt gehen.

Wir wollen diese Vorstandsposition hauptamtlich besetzen. Auch dazu haben wir uns ergänzend entschieden. Wir haben im ärztlichen Bereich und im Bereich von Forschung und Lehre eine KannBestimmung, was die Hauptamtlichkeit angeht. Wir sind der Auffassung, dass es aufgrund der Größe und

Bedeutung des Klinikums Sinn macht, nicht nur den Kaufmann, sondern auch den Bereich Pflege und Patientenservice hauptamtlich zu führen. Das scheint uns angemessen und erforderlich.

(Beifall bei SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, die Konzentration auf Schwerpunkte der Forschung wird durch die organisatorische Verzahnung der beiden Fakultäten in Kiel und Lübeck erleichtert und unterstützt. Deswegen halten wir die vorgesehene Form des gemeinsamen Ausschusses für einen zielführenden Weg Bei der Regelung der Zuständigkeiten des gemeinsamen Ausschusses erscheint es uns sinnvoll, dass sich die Leitungs- und Kollegialorgane der Hochschule nicht nur untereinander, sondern auch mit den beiden medizinischen Sachbereichen um eine Einigung bemühen. Deswegen haben wir in einem Änderungsantrag eine Benehmensregelung für diese beiden Bereiche aufgenommen. Das scheint uns erforderlich, um die medizinischen Kompetenzen, Erfordernisse und Qualitäten in die Entscheidungen adäquat einführen zu können.

Ich will aus Zeitgründen keine weiteren Details unserer Änderungsanträge vortragen. Sie sind nachzulesen und im Ausschuss ausführlich beraten worden. Außerdem habe ich die wichtigsten erwähnt.

Ich will eines deutlich sagen, weil es in der ersten Lesung und vor allen Dingen in der Diskussion mit dem Personal eine Rolle gespielt hat: Es gibt eine klare politische Zusage dieser Regierung - dieser Zusage schließt sich unsere Fraktion an; sie wird auch dazu stehen -, dass es keine betriebsbedingten Entlassungen aufgrund des Fusionsprozesses in Kiel und Lübeck geben wird. Damit sichern wir den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen etwas zu, was in keinem anderen Veränderungsprozess in der Hochschulmedizin in anderen Ländern oder gar im privatwirtschaftlichen Bereich zurzeit passiert. Das ist etwas, was man positiv herausstreichen sollte. Aber ich füge hinzu: Wenn die Fusion gelingen soll, wenn eine erstklassige Versorgung in den beiden einzigen Häusern mit Maximalversorgung gewährleistet bleiben soll und wenn auch Lehre und Forschung vom Niveau her ihren Standard halten oder sogar verbessern sollen, dann kann es keine Garantie des Status quo geben, weder in Kiel noch in Lübeck.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen wird bereits in der Übergangszeit auf die jetzigen Gremien und auch auf den Übergangsvorsitzenden eine Menge Arbeit zukommen, nicht zuletzt die Mühe, alle Beteiligten zu motivieren, am Projekt Uniklinikum Schleswig-Holstein mitzuwirken.

(Jürgen Weber)

Ich will an dieser Stelle ein Wort zum Thema Verwaltungssitz sagen, weil das in der Diskussion eine sehr große Bedeutung hat. Auch wenn die öffentlichen Einlassungen die faktische Bedeutung dieser Frage maßlos überhöhen, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Entscheidung in der Sache herbeigeführt werden muss.

Die Aufgeregtheiten der letzten Wochen und Monate haben für mich zweierlei deutlich gemacht. Zum einen brauchen wir eine sachlich begründete, effiziente und betriebswirtschaftlich optimale Lösung für die Verwaltungsorganisation und damit für die Frage des Verwaltungssitzes. Das kann - zum Zweiten - erst dann entschieden werden, wenn der Fusionsprozess erste Schritte der Umstrukturierung erkennen lässt.

Die Entscheidung über den Verwaltungssitz kann sinnvollerweise nicht losgelöst von anderen wichtigen Fragen der Aufgabenteilung, der Aufgabenzusammenführung und der Aufgabenabgrenzung erfolgen. Deshalb ist es sinnvoll, dass der Aufsichtsrat eine solche Entscheidung nach sachlichen Kriterien fällen wird. Eine solche Entscheidung wird übrigens nicht von einem einzelnen Vorstandsmitglied, auch nicht von einem Vorstandsmitglied, das Günther Jansen heißt, gefällt. Herr de Jager, daher sind dies kleine Fingerübungen, die ich Ihnen nicht neiden will, die jedoch an der Sache vorbeigehen. Ich bin sicher, dass eine sachlich vernünftige Entscheidung gefällt wird. Wie immer die Entscheidung sein wird, sie wird vom Parlament begleitet werden. Das wissen wir alle. Die Frage wird daher noch zu erörtern sein.

Als bildungs- und hochschulpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion sage ich ganz deutlich: Lokale Sympathien und Verbundenheiten sind schön, aber sie können nicht ernsthaft der ausschlaggebende Maßstab sein, wenn es um ein für unser Land so wichtiges Projekt geht.

(Beifall der Abgeordneten Lothar Hay [SPD], Günter Neugebauer [SPD] und Ange- lika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier muss man sich zurücknehmen, um die sachlichen Argumente zu erwägen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Warum sagst du das in die Richtung der Lübecker?)

Ich bin sicher, dass der Aufsichtsrat nicht die Lautstärke, sondern das sachliche Gewicht der Argumente zur Grundlage seiner Entscheidung machen wird, und das beruhigt mich dahin, dass wir eine richtige Entscheidung fällen werden.

Die Bildung des Universitätsklinikums SchleswigHolstein findet in der Tat bundesweite Beachtung.

Deshalb sollten wir heute den rechtlichen Rahmen für eine gedeihliche Entwicklung setzen. Ich bitte um Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen. Ich bin sicher, dass wir als Ausschuss und als Parlament den dann eingeleiteten Fusionsprozess kritisch, jedoch positiv begleiten werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)