Protocol of the Session on December 12, 2002

(Zurufe von der CDU: Sehr richtig!)

Richtig ist auch, dass die Einführung der Fallpauschalen, der so genannten DRGs, über die wir auch an anderer Stelle in dieser Tagung noch beraten werden, alle Krankenhäuser, auch die Unikliniken vor einen gewaltigen Kostendruck stellen werden. Die Notwendigkeit, einzusparen und wirtschaftlich zu handeln, ist

angesichts der Abschüsse, vor allem des Kieler Universitätsklinikums, überhaupt nicht von der Hand zu weisen. Das tut auch keiner. Nur: Kernpunkt des Gesetzentwurfs ist nicht die Umstellung auf die Fallpauschalen - das hätte man auch anders regeln können -, sondern eine Fusion der Klinika. Um sich auf die DRGs einzustellen, hätte es dieser Fusion nicht bedurft.

Wahr ist ebenso, dass Schleswig-Holstein mit 40 % einen überproportional hohen Anteil seiner Hochschulausgaben in die Medizin steckt. Wahr ist auch, dass Schleswig-Holstein einen, an der Gesamtzahl der Studierenden gemessen, viel zu hohen Anteil an Medizinstudenten aufweist

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- das ist ja unbestritten -, mit dem besonderen Nachteil, dass diese Studienplätze ausgesprochen teuer sind. Wahr ist aber auch, dass sich an der Zahl der Studienplätze durch diesen Gesetzentwurf überhaupt nichts ändert.

Wer aus Kostengesichtspunkten - was man ja durchaus machen kann - den besonders hohen Anteil der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein kritisiert und darüber nachdenkt, darf nicht mit dem Klinikum beginnen, sondern muss mit der Struktur der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein insgesamt beginnen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das ist der Hauptvorwurf, den die CDU-Fraktion Ihnen, Frau Erdsiek-Rave, heute macht: Sie zäumen das Pferd von hinten auf. Sie beginnen mit einer Strukturveränderung bei den Klinika, bevor Sie sagen, wie Sie sich die Struktur der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein vorstellen. Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der CDU)

Es ist unsere feste Überzeugung, dass die Organisationsform der Klinika der der Fakultäten folgen muss und nicht umgekehrt. Aus diesem Grunde ist es falsch - da sind wir übrigens mit der FDP einer Meinung -, vor den Ergebnissen der ErichsenKommission und vor den Schlussfolgerungen daraus, die Sie selber im kommenden Jahr in Ihrem Landeshochschulplan ziehen werden, eine Strukturveränderung bei den Klinika vorzunehmen.

Ich frage Sie, Frau Erdsiek-Rave: Warum warten Sie mit Ihrer Klinikfusion nicht, bis politisch entschieden ist, was aus den Fakultäten wird?

(Beifall bei CDU und FDP)

(Jost de Jager)

Warum warten Sie die Erichsen-Kommission nicht ab?

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil wir angesichts der finan- ziellen Zahlen nicht länger warten können!)

Ein Zusammenhang zwischen der Klinikfusion und der Erichsen-Kommission wird von Ihnen, Herr Hentschel, ja stets bestritten. Es gibt ihn aber ganz offensichtlich. Klar ist doch, dass die Struktur der Klinika in einem inneren Zusammenhang mit der Struktur der Hochschulmedizin im Lande stehen muss. Die Festlegung von Kooperationsfeldern, die Zuweisung von Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkten ist eine hochschulpolitische Aufgabe der Landesregierung und nicht eine betriebswirtschaftliche Aufgabe des Klinikvorstandes.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Beschlussfassung darüber, wie wir die Kliniken organisieren, sollten wir deshalb zurückstellen, bis wir eine Entscheidung dazu haben, wie viel Hochschulmedizin an welchen Standorten im Lande künftig nötig ist.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, man fragt sich nach den Gründen für die Eile, die die Landesregierung an den Tag legt.

(Wortmeldung des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

- Ich lasse keine Frage zu. - Die guten Gründe für die Fusion sind Ihnen in weiten Teilen im Laufe der Zeit ausgegangen. Ich habe den festen Eindruck, Frau Erdsiek-Rave - gerade nachdem Sie das Projekt eben noch einmal als ein großes Reformprojekt dieser Landesregierung vorgestellt haben -, dass Sie die Fusion nur noch durchziehen, weil Sie sonst hochschulpolitisch in dieser Legislaturperiode ganz mit leeren Händen dastehen würden.

(Beifall des Abgeordneten Thorsten Geißler [CDU])

Die Erichsen-Kommission haben Sie überhaupt nicht zu verantworten; das war ein Reformvorschlag der Rektoren und nicht der Landesregierung. Sie sind nur in letzter Minute auf diesen Zug noch aufgesprungen. Ob Sie den Landeshochschulplan nächstes Jahr tatsächlich noch fertig bekommen, das steht in den Sternen.

Das einzige größere Projekt, das Sie sich vorgenommen haben, war die Fusion der Klinika, und die muss

durchgeführt werden, egal ob es Sinn hat oder nicht. Anders sind die Eile und das Timing dieses Gesetzentwurfes nicht zu erklären.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Diese Eile steht in einem merkwürdigen Kontrast zu der Verzögerungstaktik bei der Festlegung des Verwaltungssitzes. Erst im März soll der Aufsichtsrat per Satzung den Verwaltungssitz der fusionierten Klinik festlegen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nach der Kom- munalwahl!)

Das bedeutet nichts anderes als ein Hinausschieben dieser Entscheidung bis zur Zeit nach der Kommunalwahl; das ist richtig, Herr Kubicki. Ich halte dieses Spiel auf Zeit für eine Zumutung für die betroffenen Standorte. Ich halte es parlamentarisch gesehen für eine Verwahrlosung der Sitten, dass Sie uns eine zweite Lesung des Gesetzentwurfes zumuten, bevor diese Frage geklärt ist.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Bislang ist es immer noch so gewesen, dass mit der Einrichtung neuer Landesbehörden dieser Größenordnung und dieses Umfanges immer auch eine Festlegung der Verwaltungssitze stattgefunden hat. Ich kann Beispiele nennen: Das war bei der ULR der Fall, das war bei der Datenzentrale der Fall, das war bei den Fachkliniken der Fall, das ist eigentlich immer der Fall gewesen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Hentschel wird gleich sagen, dass es Kiel sein wird!)

Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen. Aber in diesem Fall wollen Sie es nicht machen.

Deshalb sage ich Ihnen: Spielen Sie mit offenen Karten! Sie wissen genauso gut wie wir, welche politisch-psychologische Bedeutung die Festlegung des Verwaltungssitzes für die beiden Standorte hat. Durch Ihr beharrliches Schweigen in dieser Frage, Frau Erdsiek-Rave, schaffen Sie erst eine Unsicherheit an den Standorten, die zu beseitigen eigentlich Ihre Pflicht als Ministerin dieses Landes wäre. Es ist unerhört, eine Fusion auf den Weg zu bringen, aber bei der Festlegung des Verwaltungssitzes zu kneifen. Das ist Geheimniskrämerei, wobei es eigentlich eine politische Führungsaufgabe gewesen wäre, das sehr früh festzulegen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Zu Herrn Jansen komme ich gleich noch.

(Jost de Jager)

Erst einmal möchte ich feststellen, dass wir vor etwa zwei Jahren, nämlich am 25. Januar 2001, in diesem Haus das erste Mal die Klinikfusion beraten haben. Bereits damals haben wir gesagt: Wenn Sie eine solche Fusion auf den Weg bringen wollen, äußern Sie sich zu den Standorten und legen Sie sie fest. Aber in zwei Jahren haben Sie es - politisch gewollt - nicht geschafft, hier eine Klärung herbeizuführen. Deshalb waren es politisch gesehen in dieser Frage zwei verschenkte Jahre.

Sie haben auch viele andere Dinge nicht geschafft. Ich frage mich manchmal, was Sie in diesen zwei Jahren eigentlich tatsächlich getan haben. Sie schaffen es ja nicht einmal, in einem geordneten Verfahren einen Vorstandsvorsitzenden für die Zeit ab dem 1. Januar 2003 vorzustellen.

(Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Erst geht es Ihnen zu schnell, jetzt geht es Ihnen zu langsam!)

- Nein! Seit zwei Jahren wollen Sie diese Klinikfusion zustande bringen, und Sie schaffen es nicht einmal, einen Vorstandsvorsitzenden zu präsentieren, der das machen kann. Jetzt soll es Herr Jansen als OneDollar-Man richten. Ich sage Ihnen: Wenn Sie einen ehemaligen und profilierten SPD-Politiker zum Vorstandsvorsitzenden machen, werden Sie die Fusion in einer Weise politisieren, wie es sachlich eigentlich nicht angemessen ist.

(Beifall bei der CDU)

Damit bestätigen Sie die Bedenken, die es immer gegeben hat.

Ich sage das auch vor dem Hintergrund, dass in dem kommenden halben Jahr der Verwaltungssitz der fusionierten Klinika tatsächlich festgelegt werden soll. Bislang - das wird auch der Vorstand mit zu entscheiden haben, weil er dort Vorschläge machen wird - hieß es immer, dass der Verwaltungssitz deshalb nicht politisch festgelegt werden soll, weil das eine Sachentscheidung der Gremien nach dem 1. Januar 2003 werden soll. Mit der Benennung von Günther Jansen ist es aber so, dass diese Frage ins politische Feld zurückgeschoben wird. Dadurch wird natürlich auch die Frage des Verwaltungssitzes eine politische Entscheidung werden. Das kritisieren wir außerordentlich, meine Damen und Herren,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

so wie wir insgesamt kritisieren, dass die Fusion zum Anlass genommen wird, ehemalige SPD-Politiker vor dem Ruhestand zu bewahren und noch einmal einzusetzen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch Quatsch! - Lothar Hay [SPD]: So kann man nur reden, wenn man ihn nicht kennt!)

Auch das ist eine Personalentscheidung, die wir nicht für richtig halten.

Meine Damen und Herren, wir haben bereits im Vorwege angekündigt, dass wir diesem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung nicht zustimmen werden. Gleichwohl werden wir uns mit Einzelanträgen an der weiteren Beratung beteiligen, weil wir glauben, dass es richtig ist, uns nach der langen Vorlaufzeit auch zu Sach- und Einzelfragen, die in der Anhörung, aber auch in den Gesprächen mit den Standorten eine Rolle gespielt haben, zu äußern.