Protocol of the Session on November 14, 2002

Zum eigentlichen Thema komme ich jetzt, Herr Kayenburg! Hätte ich nur aus Sicht einer naturnahen Waldwirtschaft bei uns die Wahl zwischen einer FSC-Zertifizierung - diese Abkürzung steht für Forest Stewardship Council, zu Deutsch Weltforstrat - und dem System PEFC - Pan European Forest Certification -, dann würde ich mich aus verschiedenen Gründen für das FSC-Zertifikat aussprechen.

(Detlef Matthiessen)

Ich möchte an dieser Stelle eine Spezialdebatte über die verschiedenen Wege zur nachhaltigen Waldbewirtschaftung vermeiden. Summarisch gesehen ist das PESC-System auch nicht schlecht. Ich möchte es keinesfalls diskriminieren. Ein Zusammengehen beider Systeme wäre wünschenswert. Ich denke, auf dem Weg sollte man auch weitermachen.

Lassen Sie mich nun einige Bemerkungen zum gängigen Konflikt zwischen ökologischen Zielsetzungen und ökonomischer Effizienz machen. Wie so oft schneidet der ökologisch richtige Weg der naturnahen Waldbewirtschaftung gegenüber dem konventionellen System deutlich besser ab. Monokulturen, Altersklassenwald, Kahlschläge, Pestizideinsatz im Wald, Anpflanzungen von nicht Standort angepassten Baumarten, die vermeitlich frohwüchsiger sind, dies alles ist in der aktuellen Forstdebatte eigentlich ein Relikt der Vergangenheit geworden beziehungsweise es steht noch auf den Fahnen einiger ewig Gestriger.

Dazu muss man wissen, dass ein Fichtenwald zwar seinen Holzvorrat, gemessen an Kubikmeter Zuwachs pro Hektar und Jahr schneller aufbaut, diese Wälder aber regelmäßig aufgrund ihrer naturfernen Produktionsart und der naturfernen Wirtschaftsweise fast 100prozentig ihre Schlagreife nie erreichen, weil die Bäume vorher durch ein Sturmereignis umgeworfen werden.

Der naturnahe Wald dagegen bietet, ist er erst einmal voll entwickelt - das dauert natürlich lange -, klare ökonomische Vorteile, was ich an vielen Beispielen belegen kann. Zum Beispiel ist der Holzvorrat in solchen Wäldern größer, auch gegenüber einem naturnahen Wald ohne Nutzung. Das heißt also, der genutzte Dauernaturwald ist das wirtschaftliche und ökonomische Optimum.

Das größte Problem für die globale Forstwirtschaft ist der Raubbau. Die Zahlen in dem Bericht sprechen deutlich für sich. Wir tragen in Deutschland durch unsere Nachfrage ganz wesentlich dazu bei. Der Bericht sagt, dass weltweit zwei Drittel aller Holzprodukte von den G8-Staaten nachgefragt werden. Das heißt, wie im Klimaschutz auch: 80 % der Ressourcen werden von 20 % der Weltbevölkerung verballert.

(Frauke Tengler [CDU]: Zwei Drittel sind nicht 80 %!)

- Im Klimaschutz ist es so. Hier sind es zwei Drittel. Zwei Drittel werden von 20 %, also den G8-Staaten, nachgefragt. Das ist beachtlich.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Ja, ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Ich spreche mich im Ergebnis für eine Beibehaltung der FSC-Zertifizierung aus.

Noch ein Satz zu Ihnen, Frau Dr. Happach-Kasan. Sie sagen, FSC floppt und bringen als Beispiel eine Zurückweisung der Zertifizierung in Indonesien. Dort wird illegaler Waldeinschlag übrigens mit Maschinengewehren „erkämpft“.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz.

Ja. - Ergebnis Ihres Beitrages ist: Sie meckern an den unabweislichen Schwierigkeiten, den internationalen Raubbau zu bekämpfen, rum, bringen aber keine eigenen Konzepte. Das ist typisch für die FDPPolitik. Rummeckern, ohne Konzepte einzubringen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schon in der letzten Debatte zum Thema Gütesiegel in der Forst- und Holzwirtschaft haben wir als SSW deutlich gemacht, dass wir das FSCSiegel präferieren. Daran hat sich auch nach dem Bericht nichts geändert. Unsere Haltung hat sich eher noch verstärkt, da durch den Bericht noch einmal deutlich wird, welche Vorteile das FSC-Siegel gegenüber dem PEFC-Siegel hat. Selbstverständlich sind beide Siegel grundsätzlich als positiv anzusehen.

Durch das PEFC-Siegel will sich die private Holzwirtschaft immerhin selbst beschränken, um eine nachhaltige Forstwirtschaft zu ermöglichen. Diesen Schritt darf man nicht unterschätzen. In anderen Wirtschaftsbereichen sind wir noch lange nicht so weit, obwohl auch dort mit der Knappheit der Ressourcen zu rechnen ist.

(Lars Harms)

Allerdings bleibt immer noch festzuhalten, dass bei der FSC-Zertifizierung die Umwelt- und Sozialpartner gleichberechtigt eingebunden sind. Durch das Dreikammersystem, das Ökonomie, Ökologie und Soziales gleichberechtigt berücksichtigt, werden die Anforderungen der Agenda 21 auf vorbildliche Art und Weise erfüllt. Ich gebe dabei auch noch zu bedenken, dass keiner der drei Bereiche den anderen majorisieren kann. Somit besteht immer ein Einigungszwang zugunsten einer ganzheitlichen Sichtweise von anstehenden Problemen. Ich glaube, näher kann man an den Sinn der Agenda 21 gar nicht herankommen.

Zudem ist nur das FSC-Siegel weltweit anwendbar und vergleichbar. Bei Holzimporten sollten wir deshalb die FSC-Zertifizierung zur Bedingung machen. Daher ist es nur logisch, wenn wir Gleiches für heimische Produkte gelten lassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch, dass Einzelbetriebe kontrolliert werden und man sich nicht auf eine reine Selbstverpflichtungserklärung verlässt, spricht für das FSC-Siegel. Wir können zwar verstehen, dass die Landesregierung um einen Ausgleich zwischen beiden Siegeln bemüht ist. Trotzdem müssen wir feststellen, dass das FSCSiegel dem PEFC-Siegel in einigen Punkten überlegen ist, nicht zuletzt auch, was den Einsatz von Bioziden und die Renaturierung von Teilen des Waldes angeht.

Das FSC-Siegel sollte somit nicht nur ein Marketinginstrument, sondern auch eine zwingende Voraussetzung für den Kauf von Holzprodukten sein. Damit sind wir bei den Maßnahmen der EU. Der Bericht erwähnt, dass die Einführung von verbindlichen ökologischen und sozialen Standards für die Beschaffung von Holzprodukten unter anderem aus wettbewerbsrechtlicher Sicht noch nicht abschließend geklärt ist. Das ist im Prinzip richtig, bezieht sich allerdings weitestgehend nur auf die Sichtweise in unserem Land.

Auf europäischer Ebene ist man in vielen Bereichen inzwischen der Meinung, dass ökologische und soziale Standards eine Rolle spielen müssen. Das drückt sich auch in vielen Kommissionsvorlagen und EUDirektiven aus, die dies inzwischen berücksichtigen.

Daher bin ich sicher, dass die kommende EUDirektive ökologische und soziale Standards erlauben wird. Bezogen auf das FSC-Siegel bedeutet dies, dass das Siegel aufgrund seiner weltweiten einheitlichen Gültigkeit nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, wenn sich die öffentliche Hand bei der Beschaffung von Holzprodukten am FSC-Siegel ori

entiert. Ich gehe vielmehr davon aus, dass die EU gerade das FSC-Siegel als Grundlage für den Wettbewerb erlauben wird. Erst, wenn das geschehen ist, wird man die Nutzung von illegal geschlagenem Holz überhaupt verhindern können.

Dies ist nicht der einzige Ansatzpunkt. Natürlich müssen wir durch die Zertifizierung auch versuchen, nachhaltig zu wirtschaften. Mindestens genauso wichtig ist es, in der breiten Bevölkerung eine gewisse Sensibilität für eine nachhaltige Holzwirtschaft auszulösen. Bei dem Beitrag meiner Kollegin Happach-Kasan wurde besonders deutlich, wie notwendig das ist.

Wenn wir nicht alle problembewusster werden, wird der Baumarktleiter um die Ecke bei der Holzbestellung nicht auf die Zertifizierung achten. Dann wird der Häuslebauer nicht weiter nachfragen, wenn es um seine Baumaterialien zu einem konkurrenzlos billigen Preis geht.

Hier möchte ich ganz deutlich einmal eine Lanze für die vielen Eine-Welt-Projekte brechen, die zum Beispiel durch die Bingo-Lotterie gefördert werden und die auf genau solche weltweiten Problematiken aufmerksam machen.

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD] und Friedrich-Carl Wodarz [SPD])

Wir brauchen noch viel mehr solcher Projekte, damit auch der letzte Bürger weiß, worum es geht. Denn solange in Schleswig-Holstein Stadtvertretungen trotz preiswerterer Alternativen immer noch beschließen, Brücken aus südamerikanischem Tropenholz zu fertigen, solange tut auch in diesem Land Aufklärung Not.

Frau Abgeordnete Happach-Kasan erhält das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt das Konzept! Dafür hatte sie vorhin keine Zeit mehr!)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin, ehrlich gesagt, ein bisschen erschüttert, dass es in einer solchen Debatte nichts weiter gibt als das Verkünden von Glaubensbekenntnissen.

(Beifall bei der FDP)

FSC ist gut - so wird geglaubt. Kritische Nachfragen gibt es nicht einmal bei den Grünen, früher ein durchaus kritischer Verband. Keinerlei Kritikfähigkeit.

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Nichts weiter als das Lesen des Regierungsberichtes. Keinerlei eigene Nachforschungen. Keinerlei eigene Initiative, sich einmal darüber zu informieren, was in der Welt tatsächlich los ist. Warum gehen Sie nicht einmal ein bisschen raus aus dem Landeshaus und erkundigen sich? Das, was Sie machen, ist einfach Murks.

(Beifall bei FDP und CDU)

Raubbau in der gesamten Welt, das ist doch hier das Thema. Das steht in dem Bericht auch drin. Sie konnten es nachlesen. Das 100-fache der Waldfläche von Schleswig-Holstein wird jedes Jahr zerstört. Dann sagen Sie: FSC ist gut, das ist ganz prima.

Ich kann nicht verstehen, dass Sie nicht in Rage darüber kommen. Sie nehmen es einfach zur Kenntnis, nehmen es hin.

Gucken Sie doch einmal, was zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, die vor Ort tätig sind, die in Brasilien tätig sind, die in Kanada tätig sind, dazu sagen. Auch in Kanada, einem G8-Staat, wird Raubbau betrieben.

(Friedrich-Carl Wodarz [SPD]: Weil dort keine Zertifizierung stattfindet!)

Festzustellen ist, dass sich am Raubbau der Wälder, egal, ob es Zertifizierungen gibt oder nicht, nichts geändert hat. Insofern müssen wir neue Wege gehen und dürfen nicht länger die alten beschreiten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Kollege Matthiessen, Sie fordern Konzepte in einem 5-Minuten-Beitrag ein. Das finde ich schon ein bisschen seltsam.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur eine Andeutung! Das reicht mir!)

Ich finde, man muss dazu etwas mehr Gehirnschmalz haben als das, was ich in fünf Minuten hier sagen kann.