Protocol of the Session on October 10, 2002

„Wir stehen zu der Aussage, dass wir eine Förderung derjenigen wollen, die Kinder zu betreuen haben. Deshalb ist es Beschlusslage meiner Partei, das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting zu ersetzen.“

An dieser Stelle gibt es Gemeinsamkeit.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Thorsten Geißler [CDU]: Das machen Sie doch gar nicht! - Rainer Wiegard [CDU]: Wo ist denn die Familien- komponente? - Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat die Frau Ministerpräsidentin.

Wenn Sie das Ehegattensplitting nicht abschmelzen oder begrenzen wollen, um daraus ein Familiensplitting zu machen, wie wollen Sie das dann anders machen? Was soll denn dieser Satz, dem Sie zugestimmt haben? Ich sage ja, Sie haben an einer teilweisen Amnesie gelitten. Sie wissen heute nicht mehr, was Sie beschlossen haben.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Noch zwei Bemerkungen zur Erbschaftsteuer und zur Vermögensteuer. Die Erbschaftsteuer ist zurzeit beim Bundesverfassungsgericht, weil die unterschiedliche Besteuerung von Barvermögen und anderen Vermögen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dabei könnte am Ende herauskommen, dass man sagt: Dann schaffen wir sie ganz ab! Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Nicht mit den Stimmen der CDU

und anderer Parteien, wenn ich das richtig verstanden habe. Es wird wohl eher so sein, dass man die Besteuerungsarten einander angleicht und auf diese Art und Weise Gerechtigkeit zwischen den Erbenden und den Vererbenden hinbekommt.

Was die Vermögensteuer anbetrifft, so hat die damalige CDU-Bundesregierung 1993 im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung des föderativen Konsolidierungsprogramms die private Vermögensteuer mit der Begründung erhöht, die Vermögensteuer diene der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als Grundlage einer gesunden gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Bravo kann ich dazu nur sagen. Sie haben es schon einmal besser gewusst.

(Holger Astrup [SPD]: Na also! - Beifall bei SPD und SSW)

Steuern sind kein Raubgriff und kein Thema für eine Neiddiskussion. Was sollen diese blöden Begriffe, mit denen jede Diskussion von vornherein kaputt gemacht wird?

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie sind kein Raubgriff in die Portemonnaies der Bürgerinnen und Bürger. Die Frage und die Antwort - und dafür wird man gewählt oder nicht gewählt, meine Damen und Herren von der rechten Seite -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ja! )

- Ja, Herr Kubicki, Sie sind nicht gewählt worden.

(Beifall bei der SPD)

Welche Leistungen erwarten die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Staat? Welche Steuern muss ihnen der Staat abnehmen, damit er diese kollektiven Leistungen, die zu Gerechtigkeit und Befriedigung der Gesellschaft, zu Chancengleichheit und zu Wettbewerbsfähigkeit beitragen, erbringen kann? Wir haben uns entschieden: Vermögensteuer, Erbschaftsteuer und Ehegattensplitting.

(Anhaltender Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 58 Abs. 2 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Wiegard das Wort.

Frau Präsidentin! Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gesagt, dass PISA neue Aufgaben stellt. Dazu will ich

(Rainer Wiegard)

nur sagen: Die Umsetzung der Unterrichtstafeln war schon vor PISA die Aufgabe dieser Landesregierung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es hätte schon vor PISA einer hinreichenden Zahl an Lehrkräften bedurft, um diese Aufgaben zu erfüllen. Das ist keine neue Aufgabe, die nun entstanden ist.

Ein zweiter Punkt: Familiensplitting. Ich kann überhaupt nicht erkennen - wie eben schon durch einige Zwischenrufe deutlich geworden ist, Frau Heinold, dass in der jetzigen Diskussion irgendetwas in Richtung Familienkomponente geht. Es geht bei Ihnen doch nur darum, dass Sie auch noch an die letzte Kohle der etwas besser Verdienenden heranwollen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es! - Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist die einzige Zielrichtung. Wir haben sehr deutlich gesagt - Frau Ministerpräsidentin, Sie haben das eben richtig zitiert -, wir wollen im Rahmen einer völlig neuen Familienpolitik und im Rahmen einer grundlegenden Steuerreform, die diesen Namen auch verdient,

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie überhaupt nicht gesagt!)

ein Familiensplitting einführen, das die Zahl der zu versorgenden Familienmitglieder berücksichtigt.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es wirklich unverschämt, dass ausgerechnet Sie diesen Punkt in die Diskussion einbringen.

(Lachen der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Wir haben, Frau Heinold, einen Ausgleich für den besonderen steuerlichen Vorteil des Ehegattensplittings geschaffen. Wir haben den Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehenden eingeführt, damit sie genau denselben Vorteil erhalten wie ein Ehepaar. Dies haben sie abgeschafft.

(Zuruf von der CDU: Richtig! - Günter Neu- gebauer [SPD]: Das war das Bundesverfas- sungsgericht! Das ist falsch, was Sie sagen!)

Wenn Sie es nicht schon längst wären, müssten Sie ob dieser politischen Untat rot vor Scham werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Frau Ministerpräsidentin, Sie haben gesagt, Sie seien wiedergewählt worden. Das kann ich nicht nachvoll

ziehen. Soweit ich das verstanden habe, ist am 22. September Herr Schröder wiedergewählt worden.

(Holger Astrup [SPD]: Es reicht, dass Sie nicht gewählt worden sind! - Monika Hei- nold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erken- nen Sie, dass die CDU verloren hat!)

Er hat Folgendes zu Ihren Steuererhöhungen in einem Interview mit „n-tv“ gesagt. Frage: Nun kommt auch noch Heide Simonis und sagt, Steuererhöhungen sind wahrscheinlich das, was wir brauchen. Der Kanzler antwortet: Sie hat eine allgemeine Bemerkung dazu gemacht, dass sie weniger Einnahmen als Ausgaben hätte. Da gibt es ja immer zwei Wege.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wer hat das nicht, ist die Frage, und die Antwort des Kanzlers: Eben, da gibt es immer zwei Wege. Steuererhöhungen sind in der jetzigen konjunkturellen Situation ökonomisch unsinnig und deshalb ziehen wir sie auch nicht in Betracht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ihr Bundeskanzler und Parteivorsitzender sagt weiter, wir haben keine Absicht, Steuern zu erhöhen, unabhängig davon, was eine lieber hätte oder nicht lieber hätte.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Oh, oh!)

Die Nachfrage lautet: Hat Frau Simonis ihre private Meinung geäußert? Ja gut, sagt der Kanzler, Frau Simonis kann von ihrer Meinungsfreiheit Gebrauch machen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich stehe für das, was die Bundesregierung macht und was die SPD insgesamt für richtig hält. Es passiert gelegentlich einmal, dass jemand zu einer Detailfrage eine andere Auffassung hat.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut! - Glocke der Präsi- dentin)

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluss.

Letzter Satz: Es geschieht, wie ich es für die Bundesregierung und für die SPD sage - so Kanzler Schröder.