Deswegen möchte ich Sie herzlich bitten, aus Ihrem heutigen Antrag, in dem Sie ja sagen, dass nichts mehr in Richtung Ehegattensplitting getan werden
Das Wort zu einem weiteren Kurbeitrag nach § 56 Absatz 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Heinold, mit dieser Form von Trickserei sollten Sie wirklich keine Politik machen.
- Sie können nicht einfach sagen, dass Sie eine Passage, die von uns sehr klug formuliert worden ist und die in einer bestimmten Richtung gemeint war - -
Ja, das sage ich doch. Es war eine Passage, die Sie vermeintlich klug formuliert haben, und Sie haben damit eine bestimmte Intention verbunden. Sie haben dann aber diese von Ihnen formulierte Intention gleichzeitig bei denen unterstellt, die den Satz im Zweifel mit beschlossen haben. Wir haben immer gesagt, dass wir im Ehegattensplitting eine Kinderkomponente für sehr wichtig halten. Aber das ist etwas völlig anderes als das, was Sie machen wollen.
- Wenn ich das richtig verstehe: Das ist ein Antrag von 2001, in dem es darum ging, die bisherige Konstellation des Ehegattensplittings zu überprüfen. Wenn das so weiter führt - -
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es macht also keinen Sinn, wenn man Politiker fragt, was sie im letzten Jahr beschlossen haben und was sie heute beschließen?)
- Wir haben nicht Ihre Meinung und Ihre Auffassung beschlossen, Herr Hentschel. Das mögen Sie vielleicht glauben, aber das ist nicht der Fall. Wir haben dem sogar mit unseren Debattenbeiträgen dezidiert widersprochen. Das, wofür wir uns eingesetzt haben, war ausschließlich die Frage - das können Sie vielleicht einmal nachlesen -, dass wir tatsächlich eine Kinderkomponente im Steuersystem brauchen - wir in der FDP haben noch ganz andere Vorstellungen -, vor allen Dingen, wenn wir dazu beitragen wollen, dass unsere überalterte Gesellschaft kinderfreundlicher wird und dass Anreize dafür geschaffen werden, dass möglicherweise wieder mehr Kinder das Licht der Welt erblicken.
Aber daraus jetzt zu schließen, dass wir Ihren Vorstellungen der Abschmelzung des Ehegattensplittings bei den oberen Einkommensgruppen auch nur ansatzweise haben zustimmen wollen, das ist eine Verkennung und eine Verkehrung der Debattenlage, die wir im letzten Jahr gehabt haben. Das wollte ich nur einmal feststellen.
(Beifall bei FDP und CDU - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kubicki, wo wollen Sie denn abschmel- zen? Bei den unteren Einkommen?)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Wesentlichen geht es bei den drei Steuerarten, über die wir uns unterhalten - die Diskussionen um die anderen sind ja Scheingefechte -, um die Umgestaltung des Ehegattensplittings, um Erbschaftsteuer und um Vermögensteuer; es geht um Fragen der Gerechtigkeit bei der Lastenverteilung in Bezug auf die Leistungen, die der Staat erbringen soll, und es geht um die Frage der Seriosität der politischen Versprechungen, die man gegeben hat.
Wie die CDU alles zu versprechen, Steuersenkungen plus mehr Leistungen des Staates, das geht nicht. Das habe ich vor dem Wahlkampf gesagt; das habe ich im Wahlkampf gesagt.
Ich habe meine Forderung bezüglich der Vermögensteuer immer klar und deutlich, sogar nachlesbar - das ist in der „Welt“ mit der Kopfnote fünf abgewatscht worden -, erhoben. Es gibt überhaupt keinen Grund, heute deswegen einen Dringlichkeitsantrag zu stellen.
Wenn Herr Dr. Garg nach vorn eilt, um die Leistungen der Vermögensinhaber zu preisen, dann ist das okay. Aber es gibt auch Leistungen der Lohnsteuerzahler. Diese finanzieren im Moment zu absolut nicht mehr nachvollziehbaren Prozentzahlen die Leistungen des Staates, während die anderen legale - es geht gar nicht darum, dass das illegal ist - Möglichkeiten der Steuerumgehung haben. Das finden wir, die Sozialdemokratie und andere - jetzt bin ich für einen Moment aus meiner Rolle als Ministerpräsidentin gefallen -, nicht gerecht und wollen das ändern.
Selbst heute noch, Herr Abgeordneter Wiegard, versprechen Sie Dinge, von denen Sie selber eigentlich wissen müssten, dass Sie sie nicht halten können. Wir haben 35 Milliarden € durch die Steuersenkungen in diese Volkswirtschaft gegeben. Eigentlich müsste hier die Wirtschaft boomen, da ja auch - das möchte ich noch hinzufügen - die Vermögensteuer ausgesetzt ist - sie ist übrigens nicht abgeschafft - und die Erbschaftsteuer ebenfalls teilweise ausgesetzt worden ist. Nichts davon ist geschehen. Der klassische Zusammenhang, von dem wir früher im ersten Semester Volkswirtschaft ausgegangen sind, besteht einfach nicht mehr. Die Wirtschaft wächst, und es gibt nicht mehr Steuern; die Steuern sinken, und die Wirtschaft wächst nicht.
- Doch, so ist das leider. Wenn das stimmen würde, was Sie, Herr Wiegard, sagen, müsste in Mali die Wirtschaft nur so boomen, sodass man mit dem Zählen der Wachstumssprünge gar nicht mehr nachkommen könnte.
So sehr ich ja die Kubickischen Anfängervorlesungen in Volkswirtschaft schätze - ich frische mein Wissen immer gern wieder auf -: Unser Problem ist im Moment nicht, dass wir eine zu geringe Sparneigung hätten; unser Problem ist, dass der heimische Konsum nicht anspringen will, obgleich man ihn nahezu herbeibetet. Also kann doch an der Stelle das gar nicht eintreten, was Sie in düstersten Farben an die Wand gemalt haben.
Wir stellen fest: Steuersenkungen begünstigen - das ist in unserem System so - einige Leute überproportional, und Leistungen und Lasten des Staates belasten andere Leute überproportional. Das sind leider nicht die gleichen, sondern es sind sehr unterschiedliche Gruppen. Das wollen wir ausgleichen.
Übrigens, Herr Abgeordneter Wiegard, damit auch das in Ordnung gebracht wird: Ich habe nicht gesagt, dass wir durch Ausfälle von Vermögen- und Erbschaftsteuer soundsoviel Millionen verloren hätten. Vielmehr habe ich nur auf die Frage eines Journalisten „Was würde es Ihnen in Schleswig-Holstein denn bringen?“ gesagt: Etwa 130 Millionen €. Das ist eine ganz andere Diskussion, die wir da geführt haben. Aber das macht nichts. Diese Zahl in Ihrer Aussage hat wenigstens gestimmt.
Ich würde gern darauf zurückkommen, warum wir diese Diskussion jetzt führen und warum ich finde, dass sie notwendig ist. Wir haben durch die PISAStudie die Situation bescheinigt bekommen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig negativ beeinflussen wird, wenn es uns nicht gelingt, Spitzenwissen und Spitzenkönnen unseres Nachwuchses in den Wirtschaftsprozess mit einzubringen.
Wir werden international abgehängt, wenn uns das nicht gelingt. Wir werden ferner Schwierigkeiten haben, junge Leute in internationalen Unternehmen unterzubringen, wenn ihnen der Ruf vorauseilt, bei der PISA-Studie auf Platz 25 von 32 befragten OECD-Ländern gelandet zu sein. Das heißt, etwas in dieser Richtung zu unternehmen, wird von uns erwartet. Wir haben doch alle im Wahlkampf versprochen, dass wir uns um Ganztagsbetreuungsangebote bemühen - Herr Stoiber nicht so sehr wie andere, aber es ist doch versprochen worden -, dass wir die Kindergärten näher an die schulische Bildung anbinden wollen. Das schaffen Sie doch nicht durch nichts; das bekommen Sie doch nicht durch Steuersenkungen bezahlt. Dafür brauchen Sie doch Geld.
Was nun das Ehegattensplitting betrifft, will ich mich gar nicht in den Streit einmischen, den Sie gerade miteinander gehabt haben. Aber ich muss Ihnen
ehrlich sagen: Die CDU leidet da an partieller Amnesie. In der Drucksache steht - ich darf zitieren -:
„Der Schleswig-Holsteinische Landtag unterstützt das Ziel, die staatlichen Leistungen weitgehend von der Institution der Ehe auf die Kinder zu verlagern. Zu diesem Zweck soll die geltende Regelung des Ehegattensplittings überprüft werden.“
Das kann man doch nur so verstehen, dass man da rangehen will. Ich weiß gar nicht, was hier auf einmal los ist.
Nicht nur haben dem alle zugestimmt. Ihr damaliger Landesvorsitzende hat hier am 26. Januar von diesem Pult aus erklärt:
„Wir stehen zu der Aussage, dass wir eine Förderung derjenigen wollen, die Kinder zu betreuen haben. Deshalb ist es Beschlusslage meiner Partei, das Ehegattensplitting durch ein Familiensplitting zu ersetzen.“