Protocol of the Session on October 10, 2002

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mit den Beiträgen von den Kolleginnen von der CDU und der FDP ein Problem: Reden wir darüber, wie wir Korruption verhindern wollen, oder wollen wir das überhaupt nicht? Wie soll ich Ihre Beiträge verstehen? Sollten sie dazu dienen, den Entwurf zu verbessern und Vorschläge zu bringen, an welchen Punkten man Änderungen vornehmen sollte, damit die Wirkung des Gesetzes verbessert wird, oder waren Ihre Beiträge grundsätzlicher Natur in dem Sinne, dass wir so etwas überhaupt nicht brauchen? Der Staat dürfe zwar keine Aufträge an unzuverlässige Unternehmen geben, dürfe aber gleichzeitig nicht wissen, welche Unternehmen unzuverlässig sind.

(Zurufe von CDU und FDP)

Sie haben nicht auf die Frage geantwortet, ob Sie dafür sind und es grundsätzlich richtig finden, dass unzuverlässige Unternehmen keine Aufträge bekommen, was zurzeit ja Gesetzeslage ist.

(Martin Kayenburg [CDU]: Dann definieren Sie einmal „unzuverlässige Unternehmen“!)

Finden Sie das richtig oder wollen Sie, dass der Staat gar nicht weiß, welche Unternehmen unzuverlässig sind?

(Martin Kayenburg [CDU]: Muss der ein grünes Parteibuch haben, um zuverlässig zu sein?)

Letzteres heißt doch in der Konsequenz, dass das, was der Abgeordnete Müller gesagt hat, stimmt, nämlich dass Sie von vornherein verhindern wollen, dass ein diesbezügliches Gesetz erlassen wird. Das ist nichts weiter als Deckung von Korruption.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Karl-Martin Hentschel)

und SPD - Widerspruch bei der CDU - Martin Kayenburg [CDU]: Was Sie tun, ist nichts weiter als unverschämt!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich - Ihre Aufregung ist ja wieder einmal verräterisch -:

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Verbesserungsvorschläge an diesem Gesetz, Konkretisierung von gesetzlichen Vorschriften und Tatbeständen und so weiter sind immer willkommen. Darüber werden wir gern im Ausschuss reden. Dazu dienen auch die Ausschussberatungen. Aber bei dem, was Sie hier vorgetragen haben - das war offensichtlich der Tenor -, bekam ich jedenfalls den Eindruck, dass es Ihnen in keiner Weise darum geht, das Gesetz zu verbessern, sondern dass Sie dieses Gesetz nicht wollen.

Wenn Sie, Frau Strauß, dann zusätzlich noch anführen, dass es zu viele Gesetze gibt - ausgerechnet dann, wenn es darum geht, Rechte durchzusetzen, gibt es plötzlich zu viele Gesetze -, frage ich mich: Warum hat denn die CDU hier gerade ein ausführliches Mittelstandsförderungsgesetz vorgelegt und uns darüber diskutieren lassen? Sie können doch nicht in dem einen Fall ein Gesetz vorlegen, aber in dem anderen Fall, wenn wir ein Gesetz vorlegen - übrigens ein kurzes Gesetz, das auch den Unternehmen nicht mehr Bürokratie beschert, sondern die staatliche Seite zum Führen einer Liste verpflichtet und wesentlich weniger Umstände als das Gesetz, was Sie hier vorgelegt haben, macht -, argumentieren, dass es sowieso schon zu viele Gesetze gebe. Heißt das in der Konsequenz, dieses Parlament solle keine Gesetze mehr verabschieden, weil Sie der Meinung sind, es gebe zu viele Gesetze?

(Widerspruch bei der CDU)

Ich verzichte jetzt aus Zeitgründen darauf, auf einzelne Details Ihrer Vorträge einzugehen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Lesen Sie sie erst einmal!)

Wir haben feststellen müssen, dass Deutschland in der internationalen Korruptionsstatistik seit Jahren zurückfällt. Das heißt, dass in Deutschland im internationalen Vergleich mit anderen Ländern seit Jahren die Korruption zunimmt. Das ist nicht erfreulich. Ich stelle fest, dass Korruption nicht etwa ein die Wirtschaft belebendes Element ist, sondern - in diesem Falle bin ich mir mit allen internationen Wirtschaftsorganisationen und der UNO einig,

(Lachen des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

im Übrigen auch mit der Europäischen Zentralbank - Korruption die Wirtschaft schädigt, in vielen Staaten der Erde eines der Hauptprobleme für die Wirtschaft ist und Wirtschaftswachstum behindert und die Durchsetzung von Maßnahmen gegen Korruption der Wirtschaft zugute kommt. Das sagen übrigens alle deutschen Wirtschaftsinstitute,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

sei es das Kieler, das Münchner, das Kölner oder das Berliner Institut. Wenn das so ist, kann ich nur feststellen: Wer wie die CDU ein Antikorruptionsgesetz im Bundesrat verhindert, der macht sich erstens zum Komplizen von Korruption und verhält sich zweitens damit wirtschaftsschädigend. Ich fordere die CDU dringend auf, ihre wirtschaftsschädigende Haltung zu korrigieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen daran gebunden ist, dass Aufträge nur an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu vergeben sind, wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf noch einmal wiederholt und somit bestätigt. Wir wissen aber alle, dass diese Bestimmung in der Vergangenheit nicht immer eingehalten wurde. Die Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Unternehmen musste bisher oft hinter Lohndumping zurückstehen. Man konkurrierte zu Billiglöhnen und konnte so als wirtschaftlich günstigerer Bieter die jeweiligen Ausschreibungen gewinnen. Mit Fachkunde und Leistungsfähigkeit hatte dies meist nichts zu tun. Dieser Entwicklung wird nun mit dem Tariftreuegesetz entgegengewirkt.

Somit verbleibt nur noch die Frage nach der Zuverlässigkeit. Zuverlässig im Sinne des vorliegenden Gesetzentwurfes sind Unternehmen, die sich keiner Straftaten wie Bestechung oder Vorteilsgewährung schuldig machen. Skandale der Vergangenheit - ich nenne nur den Kölner Müllskandal - hätten erstmals möglicherweise schwere wirtschaftliche Nachteile für das jeweilige Unternehmen zur Folge. Gleiches gilt für Unternehmen, die gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, gegen das Tariftreuegesetz oder auch gegen das Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit verstoßen. Dieses Gesetz zur Einrich

(Lars Harms)

tung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen schützt vernünftige, saubere, am Markt und am Wettbewerb orientierte Unternehmen und ist daher auch zu begrüßen.

(Beifall beim SSW)

Inhaltlich möchte ich aber einige Anmerkungen machen. Zwar wird noch einmal festgelegt, dass öffentliche Aufträge nur an zuverlässige Unternehmen vergeben werden können. Die Frage ist aber, wie lange ein Unternehmen als unzuverlässig gilt. Im vorliegenden Gesetzentwurf findet sich hierzu keine Bestimmung.

(Klaus-Dieter Müller [SPD]: Das ist richtig!)

Also müsste man auf andere Gesetze zurückgreifen. Im Tariftreuegesetz findet sich eine Passage, die die Länge des Ausschlusses von öffentlichen Aufträgen festschreibt. Auch einige andere Gesetze haben solche Bestimmungen. Aber eben nicht alle Gesetze haben eine solche Regelung. In der Abgabenordnung fehlt eine solche Bestimmung genauso wie bei den Regelungen zu Bestechung und Vorteilsnahme. Dies ist auch nicht verwunderlich, da diese Gesetze ursprünglich einen völlig anderen Hintergrund hatten und nicht ausschließlich auf wirtschaftlich tätige Unternehmen ausgerichtet waren.

Aufgrund der Tatsache, dass manches Mal noch Regelungen fehlen, wäre es angebracht, darüber nachzudenken, einen Mindestzeitraum für eine Eintragung ins Register festzulegen. Ich könnte mir vorstellen, dass man festlegt, dass ein Unternehmen, das eine schwere Verfehlung gemäß § 3 zu verantworten hat, für mindestens ein Jahr ins Register eingetragen wird. Dies lässt höhere Strafen offen und garantiert, dass eine Eintragung nicht aufgrund von mangelnder Regelungsdichte in einzelnen Bestimmungen ausbleibt. Zudem hätten wir so die Gewissheit, dass alle schweren Verfehlungen auch wirklich die gleichen Konsequenzen im Sinne des Gesetzes nach sich ziehen.

Wichtig ist weiter, dass im Gesetz auch deutlich festgelegt wird, dass es auch für in öffentlicher Hand befindliche Unternehmen gilt. Die Unternehmen, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, müssen den gleichen Bedingungen unterliegen wie die öffentliche Hand selber. Das heißt, sie dürfen ihre Aufträge ebenfalls nur an zuverlässige Unternehmen vergeben und sie müssen die gleichen Möglichkeiten zur Einsichtnahme in das Register haben. Daher rege ich an, in § 1 Abs. 3 die in Mehrheit der öffentlichen Hand befindlichen Unternehmen noch einmal explizit zu nennen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Die dritte Anregung, die ich habe, ist auch gleichzeitig die, die sich am schwierigsten umsetzen lässt. Die Erfahrungen im Bausektor zeigen, dass zwar viele „schlechte“ Unternehmen früher oder später vom Markt verschwinden, diese dann aber später von demselben Eigentümer neu gegründet werden. Sie haben so formell wieder eine blütenweiße Weste. Oft hat ein unzuverlässiger Unternehmer auch mehrere Firmen, was zu ähnlichen Problemen führt, weil nicht alle seine Firmen im Register eingetragen sind. Will man ganz perfekt sein, müsste man hier auch einen Riegel vorschieben. Es nützt nichts, wenn ein Unternehmen verzeichnet ist und der gleiche Unternehmer über andere Unternehmen weiter am Wettbewerb um öffentliche Aufträge teilnehmen kann. Mir ist allerdings auch klar, dass eine solche Regelung kompliziert und wohl ohne weiteres nicht möglich ist. Trotzdem sollten wir uns dieser Problematik in der Diskussion zumindest einmal annehmen.

Alles in allem kann man aber sagen, dass der Gesetzentwurf sehr wichtig und im Zusammenhang mit dem Tariftreuegesetz zu sehen ist. Beide Gesetze müssen so schnell wie möglich verabschiedet werden, damit endlich wieder eine solide Grundlage für vernünftigen und leistungsbezogenen und ehrlichen Wettbewerb um öffentliche Aufträge besteht. Ich möchte auch noch einmal, Herr Kollege Müller, darauf hinweisen, auch in Nordfriesland findet sich heute in den Tageszeitungen ein Artikel, der deutlich macht, dass auch dort die Kreispolitik sehnlichst ein Tariftreuegesetz mit einer solchen Regelung erwartet. Diesen Erwartungen sollten wir selbstverständlich auch folgen. Das Land erwartet es von uns.

(Beifall bei SSW und SPD)

Mir liegen drei Wortmeldungen für Kurzbeiträge nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zunächst Herr Abgeordneter Dr. Graf Kerssenbrock.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rede des Kollegen Müller - er macht eine staatstragende Bewegung -, war eine von Moral triefende Rede, aber eine ziemlich heuchlerische Rede. Für wen macht Ihr eigentlich ein solches Gesetz? Zur Befriedigung von Gewerkschaftsfunktionären oder für wen eigentlich?

(Beifall bei CDU und FDP)

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

Das Problem ist doch, dass hier - ich muss mich wirklich wundern, wenn die Landesregierung das mit trägt - auf diese Weise das Verdachtsstrafrecht bei noch nicht erfolgten Verurteilungen eingeführt wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sogar bei Einstellung von Strafverfahren nach § 153 Zivilprozessordnung, wo ausdrücklich nach jeder Kommentierung noch nicht einmal festgestellt ist, ob überhaupt strafbares Verhalten vorgelegen hat, wollen Sie schon einen Eintrag ins Register veranlassen. Es ist wirklich ein Skandal, dass das hier vorgelegt wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dies gibt auch Veranlassung, einmal Ihr großes wunderbares justizpolitisches Vorhaben der Korruptionsbekämpfung zu untersuchen. Sie haben mit großem Brimborium eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft eingerichtet. Diese Staatsanwaltschaft hat riesige Anklagen produziert. Gucken Sie doch bitte einfach einmal, was davon übrig geblieben ist und regelmäßig noch davon übrig bleibt. Dabei kommen höchst peinliche Dinger heraus, nämlich dass die öffentliche Hand, siehe Landesbauamt hier in Kiel, höchst selbst daran mitgewirkt hat, privatrechtliche Unternehmen in Bestechungsvorwürfe hineinzuziehen, weil sie keine Haushaltsmittel zur Verfügung hatten. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann gibt es Freisprüche für diese betroffenen Unternehmer und wahrscheinlich zum Lohn einen Eintrag in dieses Register. Das ist in der Tat wirklich der Gipfel der Heuchelei.

(Beifall bei CDU und FDP)