Protocol of the Session on October 9, 2002

Schon 1998 hat der damalige Umweltminister Steenblock in einer Presseerklärung gesagt, dass die Landesregierung vorrangig das Ziel verfolgt, Klärschlamm und Kompost weitestgehend landwirtschaftlich zu verwerten. Die Ministerin hat darauf hingewiesen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ehlers?

Herr Kollege Jacobs, spricht sich die SPD-Landtagsfraktion dafür aus, in Zukunft auf Ökoflächen Klärschlamm auszubringen?

- Herr Kollege Ehlers, ich werde mich jetzt nicht dafür aussprechen, werde aber in meinem weiteren Redebeitrag auf Ihre Frage eingehen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Und ablehnen!)

Ich komme zurück auf die damalige Erklärung der Landesregierung, Klärschlamm und Kompost weitestgehend landwirtschaftlich zu verwerten. Der Umweltminister sah die Verwertung von Klärschlamm als sehr sinnvolles Recycling an, sofern eine Anreicherung von Schadstoffen im Boden praktisch ausgeschlossen werden kann. Seinerzeit hatten die Minister Buß und Steenblock neue Referenzwerte für Klärschlämme vorgestellt, die, um die Umwelt und den Boden nachhaltig zu schonen, deutlich niedriger waren als in der bundesweit gültigen Klärschlammverordnung. Leider ist in der Großen Anfrage nicht ablesbar, ob hierdurch die landwirtschaftliche Verwertung der Klärschlämme gestiegen ist. Ich hoffe es.

(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Nein, sie ist gleich geblieben!)

Mit der Frage nach Möglichkeiten der Klärschlammaufbereitung zur Düngung landwirtschaftlicher Flächen liefert die Fragestellerin für die Landesregierung eine Steilvorlage. Es kann ausführlich das Erfolgsmodell „Seaborne-Verfahren“ vorgestellt werden, wie bereits im Bericht geschehen. Mit dieser Anlage werden Mineraldünger aus Klärschlamm bei gleichzeitiger Nutzung von Gülle hergestellt. Aus belasteter Biomasse wird hochwertiger Dünger gewonnen. Schadstoffe werden aus organischen Abfällen separiert ausgefällt. Es werden Phosphor-, Stickstoff- und Kalianteile gewonnen, die den Düngern zugeführt werden. Das „Seaborne-Verfahren“ ist vor einigen Jahren mit Landesabfallabgabemitteln in Gang gesetzt worden.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Abgabe ist von der FDP und der CDU/CSU stets bekämpft worden und ich behaupte, unter einer CDU/FDP-Regierung hätte es dieses auch von der FDP als erfolgreich genannte Verfahren nie gegeben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Wir hätten eine bessere Lösung gefunden!)

Es ist trotz eines hohen Energieeinsatzes ein Erfolgsmodell und gilt im Lande als die eindeutig günstigste ökologische Variante der Klärschlammbehandlung.

Wir werden in der Antwort auf die Große Anfrage weiter darüber informiert, dass die ökologischen Auswirkungen von Klärschlämmen und Komposten auf landwirtschaftliche Böden überwiegend positiv sind. Allerdings bleibt aus Bodenschutz- und Verbraucherschutzgründen eine weitere Minimierung der Schadstoffe notwendig.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als eine Alternative zur landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlämmen und Komposten wird die Mitbehandlung in mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen genannt. Dabei erhält auch diese Abfallbehandlung eine vorteilhafte Option für höher belastete Klärschlämme. Die Frage, ob es nach Auffassung der Landesregierung aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes beziehungsweise aus ökologischen Gründen gerechtfertigt ist, dass die Verbände des Ökolandbaus von ihren Mitgliedern den Verzicht auf die Ausbringung von Klärschlamm fordern, ist zugegeben, nur sehr mager beantwortet worden. Darauf ist schon eingegangen worden. Aber ich denke, dass diese Frage auch sehr abgewogen werden muss und dass sich eher die Verbände des ökologischen Landbaus damit beschäftigen sollten.

(Zuruf von der CDU: Wie ist denn die Hal- tung der SPD-Fraktion?)

Zusammenfassend wird deutlich, dass es weiter Hauptziel ist, Klärschlämme landwirtschaftlich zu verwerten.

Auf die Gülle- und Stallmistfragen wird ebenfalls geantwortet, dass eine Nutzung als Dünger in der Landwirtschaft - wie könnte es anders sein? - für sinnvoll gehalten wird. Wir erfahren, dass der Gülleanteil für Biogasanlagen stetig steigt. Die Fragestellerin gibt der Landesregierung eine erneute Steilvorlage, wenn sie wissen will, welchen Stellenwert die Verwertung von Gülle in Biogasanlagen hat. Die Biogasnutzung hat eine besondere Bedeutung, weil sie einen wesentlichen Beitrag zur Minderung von klimarelevanten Immissionen liefert. Außerdem kann ein Beitrag zur Verringerung des Imports von fossilen Energieträgern und zum Ausstieg aus der Kernenergie geliefert werden.

(Beifall bei der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Landwirtschaft werden zusätzliche Einkommensperspektiven erschlossen und die Gülle, die in einer

(Helmut Jacobs)

Biogasanlage behandelt worden ist, hat bessere Düngerenergieeigenschaften. Man speist inzwischen über 3,8 Milliarden Wattstunden Stromenergie ein, und bald wird es zwölf Anlagen im Lande geben.

Mit der Biomasseinitiative erwartet man, bis 2006 50 Millionen € auszulösen. Ich erwarte auch die Schaffung zahlreicher neuer Arbeitsplätze hierdurch im ländlichen Raum.

In einem weiteren Fragenkomplex wird berichtet, dass rund 30.500 t Holz und 800 t Stroh jährlich energetisch genutzt werden und dass der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie bis 2010 auf über 10 % gesteigert werden soll.

Mit dem letzten Fragenkomplex möchte die FDP eine Lanze für Biodiesel brechen. Der Einsatz von Biodiesel beziehungsweise Rapsölmethylester beträgt lediglich 5 % der Dieselmenge im Agrarbereich. Das ist aber auch nicht verwunderlich, solange die Agrardieselvergütung derart hoch ist. Man möchte versuchen, Biodiesel im Forstbereich einzusetzen, aber zugegeben, man hat da noch Probleme.

(Martin Kayenburg [CDU]: Probleme? Nichts wird getan!)

Da Schiffsdiesel wesentlich billiger ist, wird auch bei Wasserfahrzeugen noch kaum Biodiesel verwendet. Es gibt ein Markteinführungsprogramm des Bundes für biogene Treib- und Schmierstoffe, womit Umrüstungen gefördert werden.

Ein eindeutiges Fazit der Antwort auf die Große Anfrage ist, dass seit dem Bericht über die Klärschlammverwertung die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Verwertung etwas gewachsen ist und dass diese die ökologisch sinnvollste und kostengünstigste Form der Klärschlammentsorgung ist. Es ist anzunehmen, dass dieser Verwertungsweg auch in Zukunft der wichtigste ist und zunehmen wird.

Ich stelle fest, dass die Antworten zur Großen Anfrage erwartungsgemäß seit dem letzten Bericht nur wenige neue Erkenntnisse zur Entsorgung von Biomasse gebracht haben. Somit bin ich gespannt, welche Lehren der Fragesteller gewonnen hat und welche guten Vorschläge zur Weiterentwicklung der Verwertung von Biomasse und zum Schutz des Bodens gemacht werden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Kayenburg [CDU]: Wir werden Ihnen schon helfen, Herr Kollege!)

Für die Fraktion der CDU erteile ich der Frau Abgeordneten Frauke Tengler das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst bedanke ich mich bei der Kollegin Happach-Kasan, dass sie diese Große Anfrage gestellt hat,

(Beifall bei der FDP)

und bei allen denen, die sich bemüht haben, diese zu beantworten. Frau Ministerin, Ihnen danke ich, dass Sie sich an dieses für Sie ungewohnte Thema herangetraut haben.

(Beifall bei der FDP)

Laut Pressemitteilung vom 24. April wurde diese Große Anfrage von Happach-Kasan gestellt, „um Licht ins Dickicht von Fakten und Meinungen und Befürchtungen zu bringen, speziell Klärschlamm betreffend“. Meine Frage an Sie, Frau Dr. HappachKasan: Sehen Sie Licht in der Situation beziehungsweise in dem Spannungsfeld Bodenschutz und Verwertung speziell von Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzten Flächen?

(Unruhe)

- Eigentlich kennt Herr Hay dieses Mittel des Schweigens.

(Heiterkeit)

Das Landesbodenschutzgesetz nennt in § 1 die Ziele des Bodenschutzes und führt unter Nummer 2 als Ziel die Vorsorge gegen das Entstehen schadstoffbedingter schädlicher Bodenveränderungen auf. Die Krux für die schleswig-holsteinische Landesregierung, die sich das Ziel gesetzt hat, per Gesetz den Boden zu schützen, besteht darin, dass sie im Hinblick auf den Klärschlamm ab 2005 endgültig keine Kapazitäten zur Deponierung mehr hat. Da aber auch keine Kapazitäten für die Verbrennung zur Verfügung stehen, bleibt also nur noch der Weg der Unterbringung von Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen. Zudem ist die landwirtschaftliche Verwertung konkurrenzlos günstiger als Deponierung und Verbrennung. Aus diesem Grunde wird der Klärschlamm schön geredet. Zum Beispiel heißt es auf Seite 5: „Klärschlämme können nach Abschluss der abwassertechnischen Behandlungsschritte auf der Kläranlage generell ohne weitere zusätzliche Behandlung in der Landwirtschaft verwertet werden.“ Die Ex-Umweltministerin Edda Müller verkaufte den Klärschlamm sogar als den bestuntersuchten Dünger. Nun

(Frauke Tengler)

scheint, und das ist auf den Seiten 2 und 3 nachzulesen, dieser bestuntersuchte Dünger durch Anwendung der Klärschlammverordnung nicht ausreichend schadstoffentfrachtet zu sein. Schleswig-Holstein hat daher zusätzliche so genannte Referenzwerte erarbeitet.

Meine Fraktion begrüßt diese zusätzliche Sicherheit für Produzenten und Verbraucher. Wir wären nur außerordentlich dankbar gewesen, wenn Sie uns die Begründung für die scheinbar notwendige Verschärfung genannt hätten.

(Beifall bei der CDU)

Wir alle haben schon in der Beantwortung von Großen Anfragen erfahren, dass nicht auf jeden einzelnen Punkt eingegangen werden kann. Meine Fraktion legt den Schwerpunkt auf die Auswertung der Fragen des für den Bodenschutz in hohen Teilen unbeherrschbaren Risikofaktors Klärschlamm.

Die Antwort auf Frage 10 macht das ganze Dilemma deutlich. Wird doch zunächst dem Klärschlamm noch eine Unbedenklichkeit bescheinigt, um dann im letzten Satz zu formulieren:

„Grundsätzlich sollten aus Sicht des Bodenschutzes jedoch weitere Anstrengungen unternommen werden, um die mit der Düngung verbundenen Schadstoffeinträge ebenso wie atmosphärische Einträge weiter zu minimieren.“

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Was gilt denn nun? Ist der Klärschlamm unbedenklich? Wieso müssen dann weitere Schadstoffeinträge minimiert werden? Und wieso „Schadstoffe“? Um welche Schadstoffe geht es?