Protocol of the Session on September 12, 2002

Dabei geht es nicht nur um Motivationsschübe. Es wäre naiv zu glauben, dass die Kreise und Kommunen ohne entsprechende finanzielle Unterstützung viel in diesen Bereich investieren können und werden. Deshalb ist es wichtig, dass das Land jetzt nicht selbst diesen Bereich finanziell abwertet.

Wir unterstützen gern strukturelle Änderungen in den vielfältigen Partizipationsprojekten. Eine Kürzung in diesem Bereich statt einer neuen Konzeption ist aber ein falscher Signal. Heute schon scheitern Projekte daran, dass sich die Förderung von lokalen Vorhaben auf die Projektplanung bezieht, die Umsetzung aber anderweitig finanziert werden muss. Wer mehr Mitbestimmung will, muss das nötige Geld zur Verfügung stellen, um dies zu realisieren. Aber hierüber sollten wir uns vor allen Dingen im Ausschuss weiter unterhalten.

Schleswig-Holstein hat in Sachen Partizipation eine Glorie zu verlieren. Gerade weil wir wollen, dass diese regelmäßig durch Taten aufpoliert wird, haben wir Ihnen diesen neuen Antrag vorgelegt. Wir meinen, dass wir unsere Unterstützung für mehr Beteiligung der Kinder und Jugendlichen erneuern sollten und dass der Landtag sich zumindest einmal in der Legislaturperiode mit der Entwicklung in diesem wichtigen Bereich befassen sollte.

Ich bitte deshalb um Zustimmung beziehungsweise um Ausschussüberweisung.

(Beifall bei SSW und SPD)

Das Wort für die Fraktion der SPD hat die Frau Abgeordnete Birgit Herdejürgen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spielplatzplanung, Schulhofgestaltung, Skaterbahn: Auf den ersten Blick sind dies Projekte, bei denen aus nachvollziehbaren Gründen Kinder und Jugendliche zumindest nach ihren Wünschen gefragt werden. Partizipation von Kindern und Jugendlichen meint mehr und meint etwas völlig anderes als das Abarbeiten von Wunschzetteln. Mehr, weil Mitbestimmung letztlich alle kommunalen Fragestellungen umfasst; etwas anderes als Wunschzettel, weil sich Kinder und Jugendliche natürlich auch mit der Machbarkeit und Finanzierbarkeit von Ideen auseinander setzen müssen.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

1996 wird erstmalig in Schleswig-Holstein, einmalig in der Bundesrepublik, eine eigenständige kommunalverfassungsrechtliche Regelung über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eingeführt, verstanden als Chance zur Verbesserung der Lebensqualität in den Gemeinden. Das ist sehr wichtig. Partizipation, gesehen als Möglichkeit, den Mitgliedern einer Gemeinde, den Bewohnerinnen und Bewohnern eines Stadtteils ein lebenswerteres Umfeld zu schaffen, ist keine lästige Pflicht.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die CDU hat dies offenbar nicht verstanden. Anders ist es nicht zu erklären, dass ihr Gesetzentwurf zur Kommunalverfassung eine Aufweichung der Beteiligungsregelung vorgesehen hat. Unsere Fraktion ist diesem Weg in die Beliebigkeit selbstverständlich nicht gefolgt, sondern hat dem Beteiligungsverfahren ein besseres Fundament gesichert.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kinder und Jugendliche werden nicht an kommunalen Planungs- und Gestaltungsprozessen beteiligt, weil sie besonders kreativ, demokratisch und kompetent sind - das sind sie zwar manchmal -, sie müssen beteiligt werden, weil es schlicht ihr selbstverständliches Recht als Einwohnerin und Einwohner der Gemein

(Birgit Herdejürgen)

den in Schleswig-Holstein ist, ihre besonderen Interessen zu vertreten.

Diese Feststellung, entnommen einer schon älteren Veröffentlichung des Ministeriums zum Thema, ist zentrale Grundlage für alle Maßnahmen, die von Landesseite und in zahlreichen Kommunen entwickelt wurden und die im vorliegenden Bericht ausführlich dargestellt werden. Dieses selbstverständliche Recht fällt in den Eingangsbemerkungen des Berichtes leider unter den Tisch, hoffentlich deshalb, weil es denen, die tagtäglich mit dem Thema zu tun haben, tatsächlich zur nicht erwähnenswerten Selbstverständlichkeit geworden ist.

(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich möchte an dieser Stelle denen danken, die diesen Bericht zusammengestellt haben, und natürlich all denen, die vor Ort engagiert mit den Jugendlichen arbeiten. Der Name eines Wegbereiters darf an dieser Stelle jedoch nicht fehlen: Der leider verstorbene Dieter Tiemann hat das auf den Weg gebracht, was in diesem Bericht als Stand der Partizipation in Schleswig-Holstein zusammengefasst ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Bemerkenswert, wenn für mich auch nicht ausgesprochen überraschend, ist die kritische Würdigung gremienorientierter Beteiligungsformen. Der Bericht weist auf Schwachstellen in der Beteiligungswirkung hin. Ich beziehe mich dabei in erster Linie auf die Kinder- und Jugendparlamente, deren Existenz häufig gleichgesetzt wird mit der Sicherstellung von Beteiligung. Aber Partizipation ist kein Selbstgänger.

Es hat sich gezeigt, dass das Überstülpen von formalisierten Erwachsenenstrukturen auf Kinder und Jugendliche nicht sinnvoll ist. Die Einrichtung von Beiräten, Parlamenten - wie auch immer man das nennen mag - kann funktionieren. Oftmals sind es aber auch totgeborene Kinder, die werbewirksam aufbereitet werden, aber nicht die nötige Akzeptanz der Erwachsenen genießen, daher wenig Ergebnisorientierung bieten, und keine repräsentative Beteiligung der sehr verschiedenen Gruppen von Kindern und Jugendlichen sicherstellen. Dabei möchte ich betonen, dass ich nicht die Bereitschaft der Vertreterinnen und Vertreter in den politischen Gremien infrage stelle, nicht die Bereitschaft, aber oftmals das nötige Wissen, um angemessene Formen der Beteiligung zu finden.

Daher ist es folgerichtig, die Instrumente der Information und Hilfestellung zu verstärken, und es ist nötig, andere Akzente zu setzen im Sinne erhöhter Anstren

gungen, nicht nur die Kommunalpolitik, sondern auch die Jugendlichen über ihre Rechte zu informieren.

Wenn wir die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wollen, dann müssen wir sie auch in die Lage versetzen, sich beteiligen zu können. Umfangreiche Materialien über erfolgreiche Projekte liegen vor, bis hin zu genauen Handlungsleitfäden und Checklisten für die Durchführung von Veranstaltungen. Moderationskräfte können Gemeinden unterstützen. Diejenigen, die phantasievolle und sinnvolle Beteiligungsstrukturen aufgebaut haben - es gibt einige Bürgermeister, die sich da ganz besonders hervortun -, sind für gewöhnlich ausgesprochen euphorisch und berichten gern über Möglichkeiten und vor allem auch Chancen der Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen als Experten in eigener Sache.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat in seiner Sitzung am 30. Januar 2002 die Landesregierung beauftragt, einen Bericht über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vorzulegen. Für die CDU-Landtagsfraktion stellt dabei die Schell-Jugendstudie eine Richtschnur zur Beurteilung der Situation im Lande dar. Es ist nämlich ein Irrglaube anzunehmen, die junge Generation sei weniger engagiert als die frühere. Sie ist genauso, aber anders engagiert.

Wir müssen als Politiker zur Kenntnis nehmen, dass die Jugend unter ganz anderen Voraussetzungen als die ältere Generation in der Lage ist, ehrenamtliches Engagement zu leisten. Es ist das gute Recht von Kindern und Jugendlichen, ihr Engagement an die Frage zu koppeln, ob die Rahmenbedingungen, die wir in der Politik vorlegen, überhaupt noch stimmen.

Kinder und Jugendliche sind heute viel stärker projektbezogen engagiert und sind weniger bereit, sich an eine Aufgabe dauerhaft zu binden. Wenn das Projekt beendet ist, endet oft auch die Aktivität. Sie haben kaum noch Interesse an bürokratischer Vorstands- und Gremienarbeit. Sie wollen an der Sache orientiert arbeiten und selber bestimmen, was für sie gerade wichtig ist. Jugendliche haben die Erwartungshaltung, dass sie ihre ganz besonderen Fähigkeiten in ihr Engagement einbringen können.

(Torsten Geerdts)

Bei allen Projekten der Beteiligung ist von besonderer Wichtigkeit, dass sich ihr Engagement nicht in der Bürokratie verheddert. Da liegt - glaube ich - das Grundproblem auf allen Ebenen der Politik. Sie wollen, dass das Projekt, das sie selber mit angeschoben haben, schon in der Zeit realisiert wird, in der es persönlich noch nutzen können. In dieser Frage sehe ich das größte Problem. Wenn der Staat hier versagt, hat er eine große Chance vertan, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu einem Lernort für Demokratie zu machen. Im Ziel sind wir uns einig, aber ich glaube nicht, dass wir dort bisher immer ankommen.

Daher müssen wir jedes Projekt, das in diesem Bericht genannt wird, danach hinterfragen, wie zeitnah es überhaupt realisiert werden konnte. Konnten diejenigen, die es angeschoben haben, die Realisierung überhaupt noch erleben? Der CDU-Fraktion geht es bei dieser Frage nicht um Beliebigkeit, sondern um das realistisch Machbare.

Machen wir uns da nichts vor: Die stärkere Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hat den Kommunalpolitikern zusätzliche Aufgaben und zusätzliche Verantwortung gebracht. Bei jeder Maßnahme ist die Kommune verpflichtet, eine Beteiligungsform zu entwickeln, die die Kinder und Jugendlichen altersgerecht an das Projekt heranführt und an der Entwicklung beteiligt.

Ein besonderes Problem stellen die oft auseinander klaffenden Ideen von Kindern und Jugendlichen auf der einen Seite und die von Kommunalpolitikern zu berücksichtigende Haushaltslage auf der anderen Seite dar. Es muss danach ein Erklärungsprozess erfolgen, wieso eigentlich Projekte gemeinsam mit den politisch Verantwortlichen erarbeitet und vorgelegt worden sind, aber die Realisierung ganz anders ausfällt. Dort haben wir im Umgang mit den Kindern und Jugendlichen zurzeit die größten Probleme. Die CDU-Landtagsfraktion - das ist der Unterschied - hält es daher für richtig, die Art und Weise der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht gesetzlich landesweit vorzuschreiben, sondern den Gemeinden eine große Bandbreite von Verfahren und Möglichkeiten zuzugestehen. Das ist der Unterschied in dieser Frage.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Da geht es in der Tat nicht um Beliebigkeit und Aufweichung, sondern es geht darum, was Politiker vor Ort tatsächlich leisten können, und Politiker wollen wieder gewählt werden, und zwar von jungen Familien mit Kindern. Ich glaube, sie werden insgesamt sehr verantwortungsbewusst mit dieser Thematik umge

hen. Daher setzen wir an der Stelle auf mehr Freiwilligkeit.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Holger Astrup, ich bin gleich durch, dann hast du Feierabend. - Es geht nicht nur um die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Es geht auch um die Attraktivität eines kommunalen Mandates. Beides müssen wir im Auge behalten.

(Beifall bei der CDU)

Das Thema Beteiligung ist ein dauerhafter Prozess, den wir grundsätzlich alle für richtig halten. Wie schwierig diese Thematik bleibt, machen Themen deutlich, die im Zusammenhang mit einer kinderfreundlichen Stadtentwicklung stehen. Dazu gehören aus unserer Sicht Aspekte wie eine kinderfreundliche Verkehrsplanung und ein kinderfreundlicher Wohnungsbau. Aber überlegen wir uns, wie wir diese Themen wirklich altersgerecht mit den Kindern und Jugendlichen diskutieren! Die Mitarbeiter in den betroffenen Ämtern vor Ort werden bei dieser Aufgabenstellung - das merkt jeder, der sich mit Kommunalpolitikern und Mitarbeitern unterhält - vor Freude geradezu an die Decke springen.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen schafft Akzeptanz für das neu Gestaltete und damit wohl auch eine längere Lebensdauer eines realisierten Projektes. Kinder sollten an der Außenraumgestaltung von Kindertagesstätten, der Aus- und Umgestaltung von Schulhöfen, der Planung von Jugendhäusern und Jugendzentren und der Schulwegsicherung beteiligt werden. Darin sind wir uns einig.

Mir ist es in dieser Rede noch einmal wichtig, darauf hinzuweisen, welche Wirkungsweisen wir mit der Beteiligung erreichen: Die Kinder und Jugendlichen lernen in der Projektarbeit dazu. Das Wohnumfeld wird attraktiver. Wenn die Kinder daran mitwirken, wird es auch für andere Generationen viel attraktiver, dort zu leben. Demokratische Prozesse werden erlernt.

Beteiligung ist und bleibt anstrengend, bietet aber für alle Generationen einer Gemeinde viele Chancen.

Unser Appell ist: Überfordern wir keine Seite und geben wir den Verantwortlichen vor Ort die Möglichkeit, eigenständig zu entscheiden, in welcher Art und Weise Kinder und Jugendliche beteiligt werden! Wir haben das Vertrauen zu unseren Kommunalpolitikern im Land.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Joachim Behm [FDP])

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Der ist heute im Dauereinsatz!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! - Der bemüht sich, das noch schneller zu machen, damit Holger Astrup noch schneller nach Hause kann.

(Holger Astrup [SPD]: Ich muss mein Auto waschen!)

Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen, eine so ernst gemeint wie die andere! Liebe Kollegin Hinrichsen, ich kann Ihnen versichern: Die Kollegin Redmann geht nicht erst jetzt in die Kreise, sondern seit Beginn dieser Legislaturperiode kriege ich mit, dass die Kollegin Redmann alle Kreise besucht