Protocol of the Session on September 12, 2002

Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen, eine so ernst gemeint wie die andere! Liebe Kollegin Hinrichsen, ich kann Ihnen versichern: Die Kollegin Redmann geht nicht erst jetzt in die Kreise, sondern seit Beginn dieser Legislaturperiode kriege ich mit, dass die Kollegin Redmann alle Kreise besucht

(Beifall bei FDP und SPD)

und die jeweiligen Abgeordneten vor Ort davon in Kenntnis setzt.

Zweite Vorbemerkung! Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist in der Tat kein Selbstzweck. Letzten Endes profitieren wir alle, nämlich die gesamte Gesellschaft, davon, im Übrigen auch die Politik, die davon eine ganze Menge lernen kann.

(Vereinzelter Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Frau Ministerin - ich will es in der Tat kurz machen -, Sie haben den Bericht vorgestellt, wir haben ihn vorliegen; wir werden darüber im Ausschuss intensiv reden. Ich möchte mich an dieser Stelle bei Ihnen für den Bericht bedanken und nur die eine oder andere Frage nachschieben, über die es sich lohnt, im Ausschuss näher zu reden.

Wer eine bürgernahe und für die Gesellschaft relevante Politik gestalten will, der darf in der Tat - darauf hat insbesondere die Kollegin Herdejürgen aufmerksam gemacht - Kinder- und Jugendangelegenheiten nicht nur als Objekt der Jugendverwaltung sehen. Das Ziel einer künftigen Politik der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen darf sich unserer Auffassung nach nicht auf hervorgehobene Projekte und das Engagement einzelner Personen aus Schule, Verwaltung und Wirtschaft beschränken, sondern es geht uns alle an. Deswegen müssen auch alle in diesen Prozess eingebunden werden.

Wenn - wie ich dem Bericht entnommen habe - in den Jahren 2000 und 2001 modellhaft Qualifikationsse

minare für Mitglieder von Schülerinnen- und Schülervertretern sowie kommunalen Jugendvertretungen durchgeführt worden sind, dann frage ich Sie, Frau Ministerin, warum diese Seminare nicht gleich landesweit angeboten worden sind. Sollen sie in Zukunft zu einer dauerhaften Einrichtung werden, sodass diejenigen, die anfangs daran teilgenommen haben, in Zukunft wissen, warum sie daran teilgenommen haben, und davon profitieren? Gerade wenn das Interesse der Kinder und Jugendlichen keine Eintagsfliege sein soll, darf sich - jedenfalls aus unserer Sicht - die Beteiligung nicht in Einzelprojekten erschöpfen.

Wie aber kann künftig der Erfahrungsaustausch über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in den Kommunen und den Kommunen untereinander verbessert werden? Das ist, denke ich, eine ganz zentrale Frage. Es hängt auch vom Goodwill der jeweiligen Kommune ab, was unter Beteiligung verstanden wird. Es fiel das Beispiel von dem - ich sage einmal - eher lieblos durchgeführten Jugendparlament, damit man seine Schuldigkeit getan hat. In anderen Kommunen passiert da sehr viel mehr. Das hat Kollegin Herdejürgen dargestellt.

Wie kann der Flickenteppich aus über 300 Einzelprojekten zu einem Netz verknüpft werden, von dem dann möglicherweise auch die Kommunen, in denen das bisher noch nicht en vogue ist, profitieren? Wie können sich Kinder und Jugendliche landesweit über bestimmte Projekte austauschen und im Rahmen dieses Austausches das eine oder andere Beteiligungsrecht einfordern? Der Bericht, Frau Ministerin, enthält einige Anregungen dazu, wie Kinder und Jugendliche bei Beteiligungsprojekten künftig besser eingebunden werden können. Dazu gehört aus unserer Sicht auch, dass Jugendhilfe und Schulen in diesem Bereich wesentlich besser als bisher kooperieren.

Der letzte Bericht der Landesregierung zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe hat leider gezeigt, dass genau diese Kooperation in SchleswigHolstein immer noch nicht ganz reibungslos funktioniert.

Was jetzt diesem Bericht folgen muss, Frau Ministerin, ist eine Ausarbeitung im Zusammenspiel mit den Kommunen, wie die konkrete Umsetzung der im Bericht enthaltenen Vorschläge landesweit realisiert werden kann. Wenn wir darüber im Ausschuss Einigkeit herstellen können, dann sind wir schon ein ganzes Stück weiter.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich das Wort der Frau Abgeordneten Monika Heinold.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Garg, die FDP auf Kuschelkurs - mir gefällt das.

(Heiterkeit)

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist in Schleswig-Holstein kein theoretisches Ziel mehr, sondern sie wird vielerorts seit Jahren praktiziert. Es hat sich gezeigt, dass es möglich ist, Kinder und Jugendliche frühzeitig in demokratische Entscheidungsprozesse einzubinden. Die grundsätzliche Neugier und der Gestaltungswille von Kindern und Jugendlichen bilden eine gute Grundlage dafür, dass ihre Ideen innerhalb von Planungsprozessen eine Bereicherung für die gesamte Planung sind. Es fördert das Selbstbewusstsein und die Gestaltungsfreude von Kindern und Jugendlichen ebenso wie das politische Bewusstsein und den Glauben an Demokratie und Bürgergesellschaft. Deshalb profitieren von der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht nur diese selbst, sondern es profitiert auch unser Gemeinwesen insgesamt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das schleswig-holsteinische Experiment, § 47 f der Gemeinde- und Kreisordnung um die direkte Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene zu ergänzen, ist geglückt. SchleswigHolstein hat hier einen wichtigen rechtlichen Meilenstein gesetzt. Wir sind mit dieser Gesetzgebung beispielgebend in der Bundesrepublik.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Deshalb ist es auch konsequent gewesen, sehr geehrte Frau Kollegin Hinrichsen, dass wir bei der Änderung der Kommunalverfassung in diesem Jahr aus der SollBestimmung eine Muss-Bestimmung gemacht haben; denn es ist nicht einzusehen - da unterscheiden wir uns sehr deutlich von der CDU -, dass einige Gemeinden noch immer glauben, sie könnten sich dieser Aufgabe entziehen. Ich sage auch an dieser Stelle sehr deutlich: Was hilft es uns denn, wenn wir die Bedingungen für Gemeindevertreter und Gemeindevertreterinnen möglichst einfach machen, dies aber dazu führt, dass wir anschließend in den Kommunalparlamenten keinen Nachwuchs mehr haben, weil der Nachwuchs Demokratie nicht gelernt hat? Das Land

ist meiner Ansicht nach verpflichtet - da mögen wir in der Einschätzung auseinander liegen -, seine Bürgerinnen und Bürger zu demokratiefähigen Menschen zu erziehen. Dazu gehört auch, dass Demokratie schon früh erlebt werden kann.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das ist ein Affront gegenüber allen Kommunalpoliti- kern in diesem Lande!)

Wer mitbestimmen darf - das ist zumindest meine Erfahrung -, der lernt auch, Konsequenzen zu tragen. Er lernt, dass bei unterschiedlichen Meinungen ein Konsens erzielt werden muss oder aber dass abgestimmt wird. Er lernt, dass Demokratie zwar Geduld und Zeit erfordert, dass man dafür aber auch Erfolge sehen kann. Natürlich ist das eine oder andere Projekt nicht gut gelaufen. Aber ich sage Ihnen: Auch hier im hohen Hause läuft das eine oder andere Projekt oder die eine oder andere Diskussion nicht gut. Deshalb schaffen wir uns doch nicht gleich ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Kinder, die ihren Spielplatz oder ihren Schulhof nach eigenen Ideen selbst mit umgestalten, gehen anschließend - das ist die Erfahrung - meist deutlich sorgsamer mit den neuen Sachen um; denn es sind ihre eigenen Wünsche, die sie sonst zerstören würden.

Das Land lässt die Kommunen bei der Umsetzung der in der Kommunalverfassung vorgeschriebenen Beteiligungspflicht nicht alleine. Mit der 1997 ins Leben gerufenen Demokratiekampagne unterstützt die Landesregierung aktiv, ideenreich und konstruktiv die vielfältigen Beteiligungsprojekte vor Ort.

Erwähnen möchte ich vor allem die Ausbildung der Moderatoren. Land und Kommunen teilen sich die Aufgabe der Aus- und Weiterbildung von Personen, die anschließend vor Ort die Demokratisierungsprozesse konstruktiv begleiten; denn die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass Aktivitäten im Sand verlaufen, wenn nicht Hilfe bei der Realisierung angeboten wird.

Beispiele für die Mitgestaltung sind Aktivitäten in Kindertagesstätten, auf Schulhöfen, in öffentlichen Räumen, Fragen der Schulwegsicherung oder des Freizeitangebotes in den Gemeinden, die Gründung von Schülerparlamenten, redaktionelle Tätigkeiten in der lokalen Presse oder aber im Team einer Schülerzeitung.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ein wichtiges politisches Ziel. Kinder haben etwas zu sagen. Wir sind als Politiker, aber auch als Erwachsene aufgefordert zu

(Monika Heinold)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst

zuhören. Viele Dinge laufen sogar viel besser, wenn Kinder und Jugendliche nach ihrer Meinung gefragt werden. Woher wollen wir denn sonst wissen, was sie sich wünschen und was sie brauchen? Der Politikverdrossenheit zu begegnen, heißt auch, dass wir die Bürgerinnen und Bürger motivieren, mitzumachen, mitzugestalten und selbst Einfluss zu nehmen. Kinder, die lernen, ihre Meinung zu äußern, die lernen, dass sie etwas mit beeinflussen können, dass sich Bürgermeister und Gemeindevertreter mit ihnen auseinander setzen, werden ermutigt, auch später in ihrem Wohnort mit zu gestalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dass wir den Stein ins Rollen gebracht haben, dafür ist der Beteiligungsbericht ein schöner Beweis. Fangen wir bei den Kindern und Jugendlichen an und erringen wir ihr Vertrauen in die Politik, in die Eigenverantwortung und in die Gestaltbarkeit unserer Demokratie!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir treten in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 15/1817, sowie den Antrag der Abgeordneten des

SSW zur abschließenden Beratung an den Ausschuss zu überweisen. Wer den Bericht der Landesregierung sowie den Antrag des SSW zur abschließenden Beratung federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das Haus hat einstimmig so beschlossen.

Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich will für morgen noch folgende redaktionelle Mitteilung machen: Wir beginnen die Sitzung um 10 Uhr mit dem Bericht zu den Vorschlägen der HartzKommission. Nach TOP 53 wird nach einer Vereinbarung der Geschäftsführer der Tagesordnungspunkt 34 aufgerufen. Der Tagesordnungspunkt 10 - Entwurf eines Gesetzes zur Ablösung des „Mittelstandsförderungsgesetzes“, Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - wird auf die Oktober-Tagung verschoben. Folglich wird unmittelbar nach der Behandlung des Tagesordnungspunktes 14 der Tagesordnungspunkt 29 - Olympiabewerbung 2012, Antrag der Fraktion der CDU - behandelt.

Ich bedanke mich und wünsche allen einen schönen Nachhauseweg beziehungsweise einen schönen sommerlichen Abend in der Landeshauptstadt.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:00 Uhr