Protocol of the Session on June 21, 2002

Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 24 und 25 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Lage der schleswig-holsteinischen Werften

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/1921

b) Situation der Flender Werft

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1923

Bericht der Landesregierung

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit den Anträgen wird in dieser Tagung ein Bericht der Landesregierung erbeten. Ich sehe, dass die Landesregierung hierzu bereit ist, und erteile dem Wirtschaftsminister, Herrn Professor Dr. Rohwer, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben über die Situation der Flender Werft bereits in den Ausschüssen diskutiert. Ich rege an, dass ich mich jetzt auf einige wenige Informationen konzentriere, und zwar auch aus Zeitgründen, und wir dann in den Ausschüssen über weitere Details sprechen. Ich glaube, dass sich dieses Thema sowieso dafür anbietet, in den Ausschüssen sehr differenziert und zum Teil auch vertraulich diskutiert zu werden. Ich möchte mich deshalb, wie gesagt, hier auf ganz wenige Punkte konzentrieren, wenn Sie einverstanden sind.

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme bei Flender und der aktuellen Diskussion über HDW möchte ich eingangs Folgendes sagen. Der Schiffbau in Schleswig-Holstein ist und bleibt für dieses Land eine wichtige Branche, die Arbeitsplätze bietet, die in letzter Zeit auch noch Arbeitsplätze geschaffen hat und die für viele Zulieferbereiche von großer Bedeutung ist.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Mindestens ebenso wichtig ist, dass der Schiffbau wenn wir von einigen Segmenten einmal absehen insgesamt nach den Prognosen der Institute, sowohl was die Weltschifffahrt als auch was den Weltschiffbau angeht, weltweit gute Entwicklungschancen hat. Wir müssen nur dafür sorgen, dass wir im Wettbewerb die Chance nutzen, die Deutschland technologisch eigentlich hat. Wir haben also ein Wettbewerbssproblem, meine Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Man mag Südkorea die Erfolge bei der Fußballweltmeisterschaft gönnen, aber im Bereich des Schiffbaus ist es nicht akzeptabel, dass mit Dumpingpreisen von 30 oder 40 % unter den Weltmarktpreisen unsere Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein vernichtet werden.

(Beifall im ganzen Haus)

Wir gehen im Moment davon aus, dass die EU noch in diesem Monat eine definitive - bisher war sie nicht definitiv - Entscheidung darüber trifft, dass Ende September die lang angekündigte Klage endlich eingereicht wird, meine Damen und Herren,

(Beifall der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

und das Wettbewerbshilfeprogramm, das von der EU angekündigt worden ist, ab Oktober definitiv fortgeführt werden kann, sodass wir dann wissen - möglichst bereits Ende diesen Monats, aber möglicherweise erst im September -, welche Schiffstypen mit welchen Sätzen definitiv gefördert werden können. Das brauchen wir, lieber Kollege Neugebauer, für unsere Haushaltsverhandlungen, die nicht einfach werden. Wir müssen also den Druck auf die EU in den nächsten Wochen aufrechterhalten.

Zweitens. Zu HDW möchte ich kurz anmerken, dass wir in Schleswig-Holstein nicht primär eine rüstungspolitische Debatte führen sollten. Wir sollten eine Debatte führen, wie wir den HDW-Standort Kiel sicher machen und noch sicherer machen können, und wir sollten die finanziellen Grundlagen dafür legen, dass HDW selbstständig bleiben kann und, wenn es zu neuen Beteiligungsverhältnissen kommt, dass HDW dies aus einer Position der Stärke heraus führen kann.

(Beifall bei der SPD)

Insofern folge ich den Vorstellungen, die vom Vorstandsvorsitzenden entwickelt worden sind. Das war der Grund, dass wir hier gesagt haben: Es ist richtig, dass die finanzielle Basis für HDW verbreitert wird, dass man dann mit vertraglichen Sicherungen, mit Vorkaufsoptionen, mit einem vertraglichen Ausschluss der Know-how-Weitergabe sicherstellt, dass diese Position, die man sich jetzt damit erarbeitet,

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

nicht fehlgelenkt wird. Das ist die Aufgabe der nächsten Monate, wo die Landesregierung natürlich nicht als Gesellschafter direkt, aber indirekt versuchen wird, alles zu tun, damit das geschieht. Noch einmal: Es ist entscheidend, dass HDW am Standort bleibt und sich gut entwickelt und dass HDW als Universalwerft gestärkt wird. Auch das hat HDW zugesagt. Dass HDW im Übrigen, Frau Aschmoneit-Lücke, ein berechtigtes Interesse daran hat, auch auf dem amerikanischen Rüstungsmarkt tätig zu werden, ist richtig. Ich habe Zweifel, ob es richtig ist, einen europäischen Rüstungsmarkt von einem amerikanischen Rüstungsmarkt völlig abzugrenzen. Das ist eine rüstungspolitische Frage, die wir auch in den Ausschüssen diskutieren werden.

(Martin Kayenburg [CDU]: Die Frage ist, aus welcher Position heraus!)

- Ich habe deutlich gesagt: Aus einer Position der Stärke und der Unabhängigkeit heraus. Deswegen sind diese Vorkaufsrechte so wichtig. Deshalb sage ich: Wir haben ganz bewusst darauf gedrängt, dass die Option einer Fusion in Deutschland mit Thyssen und Co. nicht verbaut wird. Das ist auch für uns entscheidend. Es soll aber keine Fusion sein, bei der der Standort Kiel infrage gestellt wird, sondern bei der Kiel möglichst im Zentrum einer solchen Fusion steht. So viel zu HDW. Das können wir im Ausschuss gern weiter diskutieren.

Zu Flender möchte ich heute nur ganz wenig sagen. Die nächste Woche wird für Flender eine wichtige Woche werden. Dann wird sich endgültig zeigen, ob nicht nur die beiden Superfast-Fähren, sondern auch der Smyril-Auftrag verlässlich abgeschlossen werden kann. Zusammen mit der Rumpffertigung hätten wir dann vier Projekte, die verlässlich zu Ende gebaut werden. Das ist eine Basis für eine Ermöglichung einer Fortführungslösung. Entscheidend wird es jetzt darauf ankommen, dass wir neue Aufträge für Flender akquirieren. An dieser Stelle muss ich dem Insolvenzverwalter ein Kompliment machen. Er macht das hervorragend und mit viel Geschick.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU und FDP)

Um gleich die politische Diskussion herauszunehmen: Das Problem hat mit Wettbewerbshilfe nichts zu tun. Die volle Wettbewerbshilfe wird dort garantiert. Die Bürgschaftsvolumina sind immens. Es ist ein Problem des Managements, der Technologie. Es kommt jetzt darauf an, aus dieser schwierigen Situation nach vorn zu gehen und neue Aufträge zu sichern, damit wir für Flender auf Dauer eine Lösung finden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich auf diese wenigen Sätze beschränken. Ich meine, alles Weitere sollten wir an anderer Stelle diskutieren.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich der FDP in Person der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke, obwohl auch die CDU einen Berichtsantrag zu Flender gestellt hat. - Frau Aschmoneit-Lücke, Sie haben das Wort für die antragstellende Fraktion.

(Zuruf von der SPD: Beide gleichzeitig, das spart Zeit!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Flender Werft hat Insolvenz angemeldet. Bei HDW wächst die Gefahr eines ungewollten Exports rüstungstechnischer Betriebsgeheimnisse, denn die Neue Welt und die EU haben die Voraussetzungen für neue Wettbewerbshilfen zum Ausgleich der südkoreanischen Subventionspraxis geschaffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Situation hat uns dazu veranlasst, den Berichtsantrag einzubringen und heute den Bericht des Wirtschaftsministers zu hören. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass das so schnell und präzise geschehen ist. Erlauben Sie mir trotz der Zeit - ich weiß, die Zeit drängt -, einige Bemerkungen dazu zu machen.

Zu Flender ist alles gesagt worden, Herr Minister. Wir sind mit Ihnen der Meinung, dass die Bemühungen des Insolvenzverwalters gut sind, dass das gut läuft, und wir wünschen Ihnen und der Flender-Werft allen Erfolg. Wir alle haben natürlich großes Interesse daran, dass dies so funktioniert, wie es vorgesehen ist.

Meine Damen und Herren, ein ganz wichtiger Punkt, den ich hier heute noch ansprechen muss, bleibt für mich aber trotzdem das Thema HDW. Herr Minister, ich glaube, sie machen es sich etwas einfach, wenn Sie immer wieder betonen, es gehe darum, dass amerikanisches Kapital nach Schleswig-Holstein komme. Sie haben das ja von Anfang an sehr euphorisch gesehen. Selbst als vor zwei Jahre Babcock hier einstieg, haben Sie immer gesagt: Es ist ganz toll, dass dieses zusätzliche Kapital nach Schleswig-Holstein fließt. - Wir haben eine etwas andere Sicht. Ich habe es damals schon gesagt. Was passiert denn hier tatsächlich? Ist

(Christel Aschmoneit-Lücke)

es nicht so, dass in Schleswig-Holstein ein Ausverkauf betrieben wird? - Sie haben eben noch einmal gesagt, dass die Universalwerft HDW erhalten bleibt. Das hat Herr Lederer ja auch zu Beginn schon gesagt. Was wir in Schleswig-Holstein verfolgen, ist genau das Gegenteil. Die Universalwerft soll offensichtlich nicht erhalten bleiben, sondern Babcock hat das Kapital aus Schleswig-Holstein herausgezogen, weil sie es brauchten. Ich finde, es ist nicht richtig, dass der Ministerpräsident des Landes sagt, es ist gut, wenn Kapital nach Schleswig-Holstein fließt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mit dem Verkauf von 75 % minus einer Aktie an die US-amerikanische Firma One-Equity-Partners hat diese Firma als Eigentümerin der HDW-Werft Zugriff auf alle Betriebsunterlagen, zum Beispiel auch auf die U-Boot-Pläne. Man braucht wirklich nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Möglichkeit besteht, diese Pläne aus HDW herauszuexportieren, unabhängig davon, wer die restlichen Anteile kauft. Eine E-Mail, meine Damen und Herren, reicht dazu heutzutage aus. Damit könnte eine in Kiel erdachte und verwirklichte Hochtechnologie früher außer Landes geraten, als uns lieb ist. Diese Wehrtechnik könnte dann mittelbar Staaten zugute kommen, denen jedenfalls die Sozialdemokraten in diesem Lande sie bisher immer vorenthalten wollte. Das haben Landes- und Bundesregierung schlichtweg übersehen oder übersehen wollen. Herr Minister, Sie haben sich, wie gesagt, sehr überschwänglich dazu geäußert. Wir sehen das anders. Ich möchte heute an dieser Stelle noch einmal auf die große Gefahr des Abzuges des Know-hows aus Schleswig-Holstein hinweisen.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW)

Die Folge davon wird mit Sicherheit eine Schlechterstellung im Wettbewerb von HDW und für den Werftenstandort Schleswig-Holstein sein. Wir wollen dies nicht geschehen lassen.

(Bernd Schröder [SPD]: Was wollen Sie da- gegen machen?)

- Lieber Herr Kollege, Sie wissen doch ganz genau, dass wir nicht in die Entscheidungen von Firmen Eingriff nehmen können, aber wir können sagen, wir wollen das nicht, anstatt zu sagen, wir finden das alles ganz toll, und es damit zu unterstützen.

(Beifall bei FDP, CDU und SSW - Bernd Schröder [SPD]: Sie sollten nicht das Wort im Munde herumdrehen!)

- Herr Kollege Schröder, ich werde jetzt meine Rede beenden, damit Sie alle rechtzeitig zum Fußball kommen. Ich weiß ja, dass Sie das wollen.

Im Übrigen kann ich nur sagen: Wenn es, um den dritten Punkt anzusprechen, wieder zu Wettbewerbshilfen kommt, dann hoffe ich natürlich wie wir alle, wie Sie, dass die 50 %-Regelung wieder eingeführt wird, wie es die Landesregierung fordert.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Wir fordern das auch schon sehr lange, Herr Kollege Fischer. Ich wünsche mir dann allerdings auch, dass das Land noch in der Lage sein wird, seine Prozente dazuzulegen.