Protocol of the Session on June 21, 2002

(Klaus Klinckhamer)

Zu sehr beeinflusst gerade die Bevölkerungsexplosion das Handeln der Menschen. Der Raumbedarf wächst. So ließ in diesen Tagen die Besorgnis erregende Meldung aufhorchen, dass die letzten großen zusammenhängenden Regenwälder Borneos in den nächsten Jahren zerstört sein werden.

Angesichts dieser Entwicklung mutet das Klein-Klein um die Zertifizierung nach den Gütesiegeln FSC oder PEFC kleinkrämerisch an. Nach dem erfolgreichen Abschluss des ersten deutschen Waldgipfels in Bad Honnef ist es endlich gelungen, die rivalisierenden Zertifizierungsorganisationen an einen Tisch zu bringen. Mithilfe der Landesregierung - das will ich anerkennen - ist es gelungen, ein gemeinsames, auf Gegenseitigkeit fußendes Statement zu erreichen. Für welche dieser Organisationen sich also ein Waldbesitzer letztlich entscheidet, sollte im Interesse der Sache zweitrangig sein. Die CDU kann daher dem Antrag der FDP voll zustimmen.

Hier - wie es der Bundesumweltminister offensichtlich getan hat - einseitig Partei zu ergreifen, ist überflüssig.

(Beifall bei CDU und FDP)

Eine Zertifizierung ist gut, ist richtig und ist gewünscht. Aber bitte an der Sache orientiert und nicht mit politischem Pepitamuster!

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der weltweit anerkannten FSCZertifizierung und der auf Europa begrenzten PEFCZertifizierung stehen sich zwei unterschiedliche Systeme zur Zertifizierung nachhaltiger Waldwirtschaft gegenüber. Ein Vergleich beider Systeme macht deutlich, dass das PEFC-Siegel dem eigenen Anspruch an ein echtes Zertifikat nicht wirklich gerecht wird, und zwar dem Anspruch eines unabhängigen und glaubhaften Zertifikats für nachhaltige Waldwirtschaft. Ich werde das gleich begründen.

Die entscheidenden fundamentalen Unterschiede zur FSC-Zertifizierung sind erstens die fehlende Einbindung der Umweltorganisationen und anderer gesellschaftlicher Interessengruppen, zweitens das mangelhafte ökologische Qualitätsniveau der PEFCStandards und drittens der fehlende Bezug zur einzelbetrieblichen Ebene, gepaart mit gravierenden Defiziten beim Kontrollverfahren.

Im Detail möchte ich hier nur auf eine Auswahl der ökologischen Standards eingehen, nämlich folgende.

Beim Verzicht auf den Kahlschlag gibt es beim FSC ein grundsätzliches Verbot mit klar definierten Ausnahmetatbeständen und flächenbezogen festgelegten Obergrenzen. Beim PEFC hingegen sind die Ausnahmen vage definiert, ohne flächenbezogene Obergrenzen.

FSC lässt nicht standortheimische Baumarten, zum Beispiel Fichte und Douglasie, nur einzeln beziehungsweise gruppenweise zu, PEFC erlaubt nicht standortheimische Baumarten auch in Reinbeständen.

Der Schutz von Biotopbäumen und Totholz ist beim FSC mit der Festlegung einer betrieblichen Schutzstrategie auf den dauerhaften Schutz von zehn Alt- und Totbäumen pro Hektar definiert. Beim PEFC wird lediglich von „Schutz in angemessenem Umfang“ gesprochen.

Referenzflächen gibt es beim FSC auf mindestens 5 % der Forstbetriebsfläche, und zwar nicht in Privatwäldern und Kommunalwäldern unter 1.000 ha. Beim PEFC gibt es gar keine Referenzflächen.

Der Einsatz von chemischen Bioziden ist beim FSC nur nach behördlicher Anordnung, das heißt nicht in alleiniger Entscheidungsbefugnis des Waldeigentümers möglich. Beim PEFC erfolgt der flächige Einsatz auf der Grundlage fachkundiger Begutachtung nur als letztes Mittel - das heißt allerdings in alleiniger Entscheidungsbefugnis des Waldeigentümers. Wozu das führen kann, wissen wir alle.

Das als nicht ökologische Unterschiede zu bezeichnen, nenne ich

(Martin Kayenburg [CDU]: Klar erkannt!)

schon riskant.

Natürlich sind wir uns völlig einig, dass die Holzzertifizierung wichtig ist. Der WWF hat bereits 1999 mit einer repräsentativen Emnid-Umfrage herausgefunden, dass 87 % der Verbraucherinnen und Verbraucher Holzprodukte mit internationalem Ökosiegel vorziehen. Das hat dann wohl auch die Waldbesitzer bewogen, von ihrer kritischen Distanz Abstand zu nehmen, dann aber nicht dem FSC beizutreten, sondern eine eigene Zertifizierung zu machen.

Die befragten Verbraucher vertrauen zu 86 % - so sagte die damalige Untersuchung - am ehesten einem Holzökosiegel, das von den Umweltverbänden empfohlen wird, knapp gefolgt von den Verbraucherzentralen mit 82,1 %. Weit abgeschlagen sind die Waldbesitzer mit 51,8 % und die Unternehmen der Holzund Papierwirtschaft, deren Empfehlung bei nur 35 %

(Irene Fröhlich)

der Verbraucher auf Akzeptanz stoßen würde. Offensichtlich sind die schlechten Erfahrungen umgesetzt worden. Letzten Endes sind das alles Anforderungen, die das FSC schon erfüllt.

Vor diesem Hintergrund muss man den Bemühungen der europäischen Waldbesitzerverbände, mit PEFC ein eigenes Herkunftszeichen zu entwickeln, als gescheitert bezeichnen. Allerdings ist es sicher auf lange Sicht für alle Beteiligten eher schädlich, wenn zwei konkurrierende Siegel für die Qualität des Holzes einstehen und werben sollen. Deswegen haben wir unseren Änderungsantrag vorgelegt, der dafür wirbt, mittelfristig beide Siegel zusammenzuführen. Dabei geht es um die hohen Standards des FSC-Siegels, für das SchleswigHolstein bundesweit Vorreiter ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir lehnen den ersten Satz des FDP-Antrags ab und stimmen dem zweiten zu. Ich will probieren, ob mir heute gelingt, was mir gestern nicht gelang. Im Übrigen empfehle ich, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Der kommt aber nicht aus dem Schwarzwald! - Martin Kay- enburg [CDU]: Der kommt aus den tiefen nordfriesischen Wäldern!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie in jeder anderen Wirtschaftsbranche besteht auch in der Forst- und Holzwirtschaft ein Kampf um Märkte. Wer heute noch glaubt, Holz ist Holz, der irrt gewaltig. Denn hier gibt es mittlerweile Unterschiede.

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wer heute Holz kauft, sollte genau darauf achten, was für ein Siegel, Prädikat oder Logo dieses Holz hat. Denn nicht überall, wo „Naturprodukt“ drauf steht, ist auch „Öko“ drin. Letztendlich stellt sich immer wieder die Frage nach der Bedeutung dieser unterschiedlichen Auszeichnungen.

Wenn es nach der FDP geht, sollten wir in SchleswigHolstein keinem Siegel den Vorzug geben, da die Nachhaltigkeit der Nutzung unserer Wälder zur Holz

produktion bei konsequenter Umsetzung der Waldgesetze gewährleistet wird.

Hier gebe ich der Kollegin Happach-Kasan Recht. Natürlich werden unsere Wälder aufgrund unserer Waldgesetze nachhaltig genutzt.

Ich frage mich aber ernsthaft, was diese sonst so am Markt orientierte Partei damit bezwecken will. Wer heute noch nicht erkannt hat, dass auf dem Holzmarkt ein gewaltiger Konkurrenzkampf um Umweltsiegel und Ökologos entbrannt ist, der ist auf dem Holzweg. Mittlerweile gibt es in Deutschland, Europa und auch weltweit mehrere Kriterien und Umweltauszeichnungen, wie eine nachhaltige Forst- und Holzwirtschaft aussehen sollte. Schleswig-Holstein ist Anfang 1998 als erstes deutsches Flächenland der nationalen Arbeitsgruppe des FSC Deutschland beigetreten,

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Vizepräsi- dent Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

um für die Landesforsten eine Zertifizierung nach FSC-Standards zu erreichen. Diesen Schritt hat der SSW seinerzeit begrüßt, da die Kriterien einer umweltgerechten, sozial verträglichen und wirtschaftlich tragfähigen Waldbehandlung für uns maßgeblich waren. Schleswig-Holstein hat somit eine Richtung eingeschlagen, um nicht nur auf dem nationalen, sondern auch auf dem internationalen Holzmarkt konkurrenzfähig zu sein. Darüber hinaus fördert das Gütesiegel das Ansehen unserer Holzprodukte sowie unserer Forstwirtschaft und ist obendrein für den Verbraucher attraktiv. Das wird sehr oft vergessen.

Es gibt nun aber nicht nur die FSC-Standards, die strengere Richtlinien für eine nachhaltige Forstwirtschaft herausgebracht haben, als es das Gesetz vorsieht. Es gibt zum Beispiel auch noch das PEFCZertifikat. Diese beiden international anerkannten Richtlinien streiten sich nun um die Anteile der deutschen Wälder. Beide Richtlinien mögen ihre fachlichen Vorzüge haben. Das ist unbestritten, da jede für sich auf der Grundlage fundierter Fachkenntnis erstellt wurde.

Jedoch gibt es Unterschiede, die aus Sicht des SSW für das FSC-Siegel sprechen. So ist eine Waldwirtschaft im Sinne der Agenda 21 umweltgerecht, sozial verträglich und wirtschaftlich. Das heißt, es muss von vornherein eine gleichberechtigte Vertretung wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Interessen stattfinden. Genau nach diesem System arbeitet die FSC-Arbeitsgruppe Deutschland.

(Beifall beim SSW)

(Lars Harms)

So hat sie diesen breiten gesellschaftlichen Konsens unter anderem mit den Gewerkschaften und - im Gegensatz zum PEFC - gemeinsam mit den Umweltverbänden erreicht. Dies geht auch deutlich aus der Beantwortung der Fragen der Kollegin Happach-Kasan zum Fünften Forstbericht hervor.

Was nun die fachliche Gleichwertigkeit der beiden Zertifikate angeht, so mag es sein, dass sie aus fachlicher Sicht durchaus vergleichbar sind. Jedoch entsprechen die schärfer gefassten Umweltkriterien des FSC eher einem ökologischen Gütesiegel als das PEFC.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher sollte hier unbedingt Augenwischerei vermieden werden. Schließlich hat der Verbraucher ein Recht auf klare Aussagen und zweifellos werden die Absatzchancen für nachhaltig erzeugtes Holz und Holzprodukte durch die Existenz mehrerer Zertifikate nicht gerade verbessert. Abschließend würde ich mir wünschen, dass diese beiden in Deutschland und Europa konkurrierenden Zertifikate letztendlich - auch wenn es ein schwieriger Weg wird - zusammengefasst werden. Dies liegt nicht nur im Interesse unserer Forstund Holzwirtschaft, sondern ganz besonders im Interesse der Verbraucher. Insofern stimmen wir dem Antrag von SPD und Grünen zu. Wir werden auch dem zweiten Teil des FDP-Antrags zustimmen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Müller hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Frau Abgeordnete Happach-Kasan, ich freue mich natürlich, dass Sie und die FDP-Fraktion es der Landesregierung ermöglichen werden, unsere Initiativen auf dem Gebiet der Forstzertifizierung und des weltweiten Schutzes der Wälder demnächst dem Schleswig-Holsteinischen Landtag vorzulegen. Ich wäre allerdings dankbar dafür gewesen, wenn die FDP-Fraktion ihre fachliche Bewertung der unterschiedlichen Zertifizierungssysteme unter Nummer 1 des Antrags etwas zurückgestellt hätte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich bitte Sie herzlich: Lassen Sie die Landesregierung zunächst die Fakten zusammentragen.