Protocol of the Session on June 19, 2002

immer wieder behauptet wird. Direktwahlen stärken allerdings aus unserer Sicht unmittelbar die kommunale Mitbestimmung und Mitverantwortung der Bürgerinnen und Bürger und sorgen für eine gleichmäßige demokratische Legitimation beider Verwaltungsorgane. Die SPD-Fraktion hat sich deshalb in den bisherigen parlamentarischen Beratungen für die Beibehaltung der vorhandenen Direktwahlmöglichkeiten ausgesprochen und sie tut das hier auch heute uneingeschränkt.

Meine Damen und Herren, ich möchte mich dem Dank der Vorsitzenden in verschiedene Richtungen anschließen. Ich möchte mich bei den kommunalen Landesverbänden bedanken, die die Arbeit des Ausschusses in der Tat intensiv und konstruktiv begleitet haben. Viele Änderungsvorschläge, insbesondere des Städteverbandes, sind von allen Fraktionen eins zu eins übernommen worden. Dafür Dank den Herren Rentsch und Ziertmann.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Herr Dr. Borchert hat dafür gesorgt, dass im Interesse der über 1.000 ehrenamtlich verwalteten nichtstädtischen Gemeinden in Schleswig-Holstein die neue Gemeindeordnung nicht stadtlastig geworden ist. Vielen Dank dafür!

(Beifall)

Ich möchte mich bei Ulrich Gudat aus dem Innenministerium bedanken, der mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viele wertvolle Anregungen gegeben hat.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich bedanke mich für meine Fraktion auch bei der Landtagsverwaltung, dem Wissenschaftlichen Dienst und der Geschäftsführerin des Ausschusses, Frau Tschanter, die uns in bewährter Weise durchgehend zuverlässig und immer prompt und zeitnah mit den erforderlichen Unterlagen und Informationen versehen hat.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich bedanke mich auch bei den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen für die gute und sachliche Zusammenarbeit und natürlich vor allem bei unserer Kollegin Maren Kruse für die souveräne und schnörkellose Sitzungsleitung. Vielen Dank, Maren!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schließlich möchte ich mich auch bei der CDUFraktion dieses hohen Hauses ausdrücklich bedanken, die mit ihren konkreten Gesetzentwürfen das Verfah

(Klaus-Peter Puls)

ren zur aktuellen Reform der Kommunalverfassung in Gang gesetzt hat.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die wesentlichen Ergebnisse der Beratungen lauten erstens: Die Direktwahlen für hauptamtliche Bürgermeister und Landräte werden beibehalten. Zweitens: Die Rechte der Gemeindevertretungen und Kreistage werden erheblich gestärkt. Drittens: Die vorhandenen Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten werden stabilisiert.

Lassen Sie mich dazu einige ergänzende Anmerkungen machen. Zu den Direktwahlen: Wir sprechen uns für die Beibehaltung der Direktwahlen für hauptamtliche Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, Landräte und Landrätinnen aus, nicht aber für die Einführung der Direktwahl auch für ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Diese Möglichkeit ist in einigen Fraktionen auch diskutiert worden. Sie wird von uns - insbesondere mit den Argumenten des Schleswig-Holsteinischen Gemeindetags - abgelehnt, der für die ehrenamtlich verwalteten Gemeinden zuständig ist. Dort ist uns ausdrücklich gesagt worden, der ehrenamtliche Bürgermeister sei in seiner Funktion nicht mit dem hauptamtlichen Bürgermeister vergleichbar, weil Ersterer keine verwaltungsleitende Funktion im Sinne eines hauptamtlichen Bürgermeisters habe.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, offensichtlich fühlen sich einige von den Dankesworten ausgeschlossen. Die mögen sich schriftlich bei mir beschweren, aber bitte nicht durch Gemurmel.

Wir haben in den Beratungen die Zusammenlegung der Bürgermeister- und Landratsdirektwahlen mit den allgemeinen Kommunalwahlen vorgeschlagen, konnten uns damit aber gegen die geschlossene Ablehnungsfront der kommunalen Landesverbände und aller anderen Fraktionen des Landtags nicht durchsetzen. Leider haben wir zurzeit hier im Landtag - wenn auch nur vorübergehend - nicht die absolute Mehrheit.

Zur Stärkung des Ehrenamtes: Erklärtes Ziel der anstehenden Kommunalverfassungsreform ist für alle Fraktionen und Gruppen des Landtags die Stärkung des ehrenamtlichen Teils der kommunalen Selbstverwaltung. Sie wird einerseits durch stärkere Entscheidungskompetenzen des Ehrenamtes in den Bereichen Leitungspersonal, Verwaltungsgliederung und Sachgebietszuweisung und andererseits durch stärkere Kontrollkompetenzen der Vertretungen gegenüber dem

Hauptamt realisiert. Dies geschieht zum Beispiel durch verbesserte Auskunftsrechte und Akteneinsicht, Rechte für Vertretungs-, Ausschuss- und Beiratsmitglieder, verschärfte Berichtspflichten des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin, des Landrats oder der Landrätin oder die gesetzliche Festlegung kommunalaufsichts- und disziplinarrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten der Vertretungen, wenn Beschlüsse durch das Hauptamt nicht oder unzureichend umgesetzt oder Berichtspflichten nicht erfüllt werden.

Zur Bürgerbeteiligung: Wir haben das Verfahren des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids bürgerfreundlicher gestaltet, ohne die Entscheidungsprozesse der Vertretung zu überfordern, die Effizienz der Entscheidungsfindung zu gefährden oder unzumutbar zu verzögern. Wir haben die Verpflichtung zur öffentlichen Einwohnerunterrichtung und zur regelmäßigen Einberufung von Einwohnerversammlungen konkretisiert. Wir haben die Pflicht zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Planung und Durchführung kinder- und jugendrelevanter Vorhaben gesetzlich festgeschrieben. Gleiches haben wir auch für die Durchführung von Einwohnerfragestunden und die Teilnahme-, Rede- und Antragsrechte der Beiräte beziehungsweise der Beiratsvorsitzenden - gegenüber den Vertretungen und Ausschüssen geleistet.

Darüber hinaus haben wir die Stellung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten gestärkt. Weiter haben wir im Bereich des Gemeindewirtschaftsrechts Möglichkeiten kommunaler wirtschaftlicher Betätigung auch außerhalb der Gemeinde- und Kreisgrenzen geschaffen. In diesen beiden zuletzt genannten Punkten befinden wir uns im Widerspruch zur CDU-Fraktion, bekennen uns aber auch heute ausdrücklich und überzeugt zur gesetzlichen Absicherung der Gleichstellung von Männern und Frauen und der wirtschaftlichen Betätigung im kommunalen Bereich.

(Beifall bei SPD und SSW)

Abschließend haben wir die lästige gesetzliche Pflicht der Gemeinden zur Aufstellung von Kreisentwicklungsplänen abgeschafft. Dies geschah fraktionsübergreifend. Wir werden im Zuge weiterer Beratungen eine Stärkung der Kreise und Gemeinden im Verfahren der Landesplanung - aber nicht nur dort - anstreben, damit in absehbarer Zeit auch unsere Langzeitprogrammpunkte Funktionalreform und Verwaltungsderegulierung mit Inhalt gefüllt werden können.

Das vom Sonderausschuss vorgelegte Beratungs- und Verhandlungsergebnis ist ein ausgewogenes, sach- und interessengerechtes Antragspaket zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Mit den Reformvorschlägen der Koalitionsfraktionen wird die Möglichkeit eröffnet, die Kommunalverwaltung in Schleswig

(Klaus-Peter Puls)

Holstein noch leistungsstärker und bürgerfreundlicher zu organisieren. Das war unser Ziel. Dieses Ziel ist erreicht. Den Entschließungsantrag der FDP-Landtagsfraktion zum kommunalen Wahlrecht lehnen wir ab. Der Antrag ist ehrlich, soweit er sich ausdrücklich auf die Abschaffung der Fünfprozenthürde bezieht. Die FDP dokumentiert damit, dass für sie die Fünf Prozent eine Hürde sind und dass sie bei ihrem Projekt 18 möglicherweise ein Komma vergessen hat.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Wolfgang Kubicki [FDP])

Angesichts der aufgeregten Diskussionen der vergangenen Wochen muss man sich als besorgter Beobachter der Szene die Frage stellen, wofür die FDP mit ihrer Firma eigentlich steht. Entwickelt sie sich mit ihren Möllemanns und Kubickis zu einem Freundeskreis desorientierter Politkasper?

(Beifall der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Herr Kubicki, ich wünsche der FDP auch zum Zwecke der Selbstfindung, dass sie schon bei der Bundestagswahl eher in Richtung 1,8 % als in Richtung 18 % marschiert.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das entscheiden dankenswerterweise die Wähler!)

Zum Entschließungsantrag der FDP verweise ich auf meine Ausführungen im Sonderausschuss, Umdruck 15/2249. Eine Abschaffung der Sperrklausel für Splittergruppen und Kleinstparteien würde die Bildung stabiler Mehrheiten und schneller effektiver Entscheidungsprozesse in den Kommunalvertretungen gefährden. Deshalb ist und bleibt die Fünfprozentklausel für die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltungen in Schleswig-Holstein weiterhin unerlässlich und unverzichtbar. Dies gilt umso mehr, als mit der heute zu verabschiedenden Reform der Kommunalverfassung die Kompetenzen der Kommunalvertretungen substanziell nicht geschwächt, sondern erheblich gestärkt werden.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Die Vertretungen sind und bleiben das zentrale kommunale Entscheidungsorgan. Hier ist auch wahlrechtlich Vorsorge für ein ungefährdetes und uneingeschränktes reibungsloses Funktionieren im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu treffen. Kommunalverfassungsrechtlich haben wir diese Vorsorge getroffen. Ich bitte Sie, dem rot-grünen Antragspaket zuzustimmen und den Antrag der FDP abzulehnen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schlie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die kommunale Verfassungstradition in Schleswig-Holstein steht auf zwei Grundpfeilern: Einem breiten ehrenamtlichen Engagement der Bürgerinnen und Bürger und einem fruchtbaren Konsens zwischen dem Haupt- und dem Ehrenamt in der kommunalen Selbstverwaltung. An diesen Grundsätzen und vor allen Dingen an diesem Konsens zwischen Haupt- und Ehrenamt - darf sich nichts ändern, auch nicht nach Einführung der Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Die vielen ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind die größte und machtvollste Bürgerinitiative in unserem Schleswig-Holstein. Wir als Landesgesetzgeber haben die besondere Verpflichtung und Verantwortung, diesen ehren- und hauptamtlich tätigen Menschen, die die Daseinsvorsorge für alle Bürgerinnen und Bürger gestalten, mit der Änderung der Kommunalverfassung die Rahmenbedingungen zu geben, die es ihnen ermöglichen, dies auch möglichst effektiv durchzuführen. Anlass für die aktuelle Änderung der Kommunalverfassung ist die Einführung der Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten, also der Bürgermeister und Landräte. Sie erinnern sich, die Union hat gegen den entschiedenen Widerstand der Sozialdemokraten in diesem Land gemeinsam mit den Bürgern dieses neue Bürgerrecht erkämpft.

(Beifall bei der CDU)

Leider wurde dann in der 13. Legislaturperiode von der SPD ein Kommunalverfassungsrecht durchgepaukt, das mit der heißen Nadel gestrickt war und vor allem im Bereich der Ehrenamtler zu erheblicher Frustration führte, weil zwar das notwendig gewordene Trennungsgebot aufgrund der Direktwahl der Hauptverwaltungsbeamten anerkannt wurde, viele Regelungen aber dazu führten, dass der Einfluss, die Gestaltungsmöglichkeiten und die Kontrollbefugnisse der Kommunalpolitiker zurückgedrängt wurden. Die Unzufriedenheit bei den Ehrenamtlern wuchs ständig. Dies war auf die zusammengeschusterte Kommunalverfassung zurückzuführen, aber natürlich auch - das sei an dieser Stelle besonders erwähnt - auf die kom

(Klaus Schlie)

munalfeindliche Politik der rot-grünen Landesregierung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ein mehrmaliger unverschämter Eingriff in die Kommunalfinanzen, ein gescheiterter Versuch der Aufgabenübertragung vom Land auf die Kommunen und die mangelnde Kraft der Landesregierung, eine ernsthafte Deregulierung und Entbürokratisierung durchzuführen, sind Bausteine dieser kommunalfeindlichen Politik von Rot-Grün. Die von den Grünen verhinderte Standardfreigabe ist leider ein weiteres Beispiel in dieser Reihe.

In allen Parteien wuchs die Erkenntnis, dass wir bei diesen schlechten Rahmenbedingungen die Kommunalverfassung zumindest so umgestalten müssen, dass auch in Zukunft Bürgerinnen und Bürger bereit sind, ehrenamtlich in Gemeindevertretungen, in Stadtvertretungen und in Kreistagen mitzuarbeiten. Der Landesgesetzgeber ist gezwungen, die erst 1997 in Kraft getretene Kommunalverfassung zu novellieren, damit kommunale Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein gesichert werden kann.

Die CDU - vielen Dank für dieses Lob, Herr Kollege Puls - schritt mutig voran und legte dem Parlament in der 22. Plenartagung einen Gesetzentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung vor. Wir haben in der Folgezeit eine breite Diskussion in unserer Partei, aber auch weit darüber hinaus mit Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern auf allen Ebenen gehabt. Nun, fast eineinhalb Jahre später, können wir endlich in zweiter Lesung eine neue Kommunalverfassung verabschieden. Das ist auch der letzte Zeitpunkt - um dies deutlich zu sagen -, um dies rechtzeitig vor der Kommunalwahl im März 2003 zu machen.

Unumwunden gebe ich hier im Parlament zu, dass wir vor allem mit unserem Vorschlag, den Hauptausschuss in den Städten und Kreisen wieder zu einem verwaltungsleitenden Organ umzugestalten, auf massiven Widerstand vor allem im Bereich der Hauptamtler, aber nicht nur dort, gestoßen sind. Trotzdem war dieser Diskussionsprozess aus unserer Sicht absolut notwendig. Wir haben unseren ursprünglichen Gesetzentwurf inzwischen revidiert, und zwar vor allem auf der Grundlage unserer Parteitagsbeschlüsse vom Weißenhäuser Strand. Ich würde manch anderem auch wünschen, das so breit zu diskutieren und zu verabschieden.