Protocol of the Session on May 16, 2002

Ich habe Ihnen ein Dutzend Unterlagen - die kommen locker zusammen - aufgezählt, die der Bewerber im Original oder in Form von beglaubigten Kopien vorlegen muss. Stellen Sie sich einmal vor, was das für ein Zeit- und Kostenaufwand ist, den man allein für eine Bewerbung, für eine bloße Bewerbung in diesem Land auf sich nehmen muss. Einer der Betroffenen hat mir gesagt: „Ich habe mich aus diesem Grund in Schleswig-Holstein überhaupt nicht erst beworben.“ Er hat sich nämlich erkundigt, wie das in anderen Ländern gemacht wird. Auch in diesem ganz simplen Bereich könnte man vielleicht einmal in der Personalbearbeitung, im Personalbereich in Ihrem Ministerium etwas verbessern, Frau Erdsiek-Rave. Vielleicht könnte das in dem einen oder anderen Fall, in dem wir auf Bewerbungen angewiesen sind, dazu führen, dass man Schleswig-Holstein etwas freundlicher betrachtet.

Die Zeiten haben sich geändert. Es gibt nicht mehr die Situation, in der Massen von arbeitslosen jungen Lehrern vor verschlossenen Schultüren standen, wo sich die Behörden, die Schulverwaltung, die Ministerien einen Umgang mit den jungen Lehrkräften leisten konnten, der nicht darauf ausgerichtet war, um sie zu werben, sondern eher dem entsprach, was ich Ihnen anhand der genannten Beispiele geschildert habe.

Dieses Land muss sich umstellen. Es muss ein größeres Maß an Service und „Kundenfreundlichkeit“ gegenüber den jungen Pädagoginnen und Pädagogen geben, die sich überlegen, ob sie bei uns im Schuldienst tätig werden wollen. Ich könnte eine Fülle von Einzelfällen schildern, wie den eines aus Ungarn stammenden Musiklehrers, der zum Behufe der Anerkennung seines in seinem ursprünglichen Heimatland

(Dr. Ekkehard Klug)

erlangten Diploms eine eineinhalbjährige Odysee - ich habe so einen Packen von Unterlagen - durch die verschlungenen Wege hiesiger Kultusbürokratie hinter sich gebracht hat, übrigens am Ende ergebnislos. Von Ihnen, Frau Erdsiek-Rave, wird sicherlich geantwortet werden, dass das betrübliche Einzelfälle seien. Mir drängt sich inzwischen aus der Vielzahl von Informationen, die sich in dieser Richtung ergeben haben, auf, dass es leider nicht Einzelfälle sind, sondern hier Verbesserungsbedarf, Änderungsbedarf in diesem Land dringend besteht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Eisenberg, Herr Dr. Klug, wir messen die Opposition - und namentlich die FDP - daran, wie sie Bildungspolitik betreibt, wenn sie an der Regierung ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hes- sen! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann messen Sie mal in Baden-Württemberg! Dann messen Sie mal in Hessen! Dann messen Sie mal in Rheinland-Pfalz!)

Meine Kollegin Heinold hat der FDP deshalb schon zu Recht empfohlen sich mit ihrer Kritik doch schleunigst als Kultursenator nach Hamburg zu bewerben, denn dort brennt es wirklich!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie sind so umwer- fend!)

Wenn nicht noch ein kleines Wunder geschieht, sollen in Hamburg demnächst an die 1.000 Lehrerstellen gestrichen werden. Das ist doch das eklatante Gegenteil von dem, was vor der dortigen Wahl versprochen wurde. Im Gegensatz dazu löst die Landesregierung Schleswig Holstein Schritt für Schritt die Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag ein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Da steht ja nichts drin!)

Auch in dieser Legislaturperiode werden insgesamt 1.200 neue Stellen für Lehrer geschaffen. Wir gehen

dabei neue Wege, um Lehrerinnen und Lehrer für die Zukunft zu gewinnen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das haben wir ge- rade gehört!)

Unsere Forderung, ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer sowie qualifizierte Fachleute aus verwandten Berufen und Disziplinen für die Arbeit an Schulen zu gewinnen, auch wenn sie schon in anderen Berufen arbeiten, erwies sich als goldrichtig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese grüne Forderung war richtig.

2.000 Bewerbungen von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern, darunter 800, die nach Ansicht der Bildungsbehörde ernsthaft in Frage kommen - was will man mehr? Hunderte von Bewerbungen bei der Welcome-Back-Aktion. 42 % der Bewerbungen stammen aus anderen Bundesländern. Das alles zeigt, dass Schleswig-Holsteins Schulsystem attraktiv ist. Nun erwarten wir allerdings, Frau Erdsiek-Rave, dass das Procedere der Einstellung durch Behörden und Schulen ebenfalls attraktiv wird. Mit Veränderungen der Laufbahnverordnung, Verträgen mit MecklenburgVorpommern und Brandenburg und generell mit einer größeren Freizügigkeit von Lehrerinnen und Lehrern bundesweit hat das Land, wie die anderen Bundesländer, die ersten guten Maßnahmen eingeleitet.

Damit ist allerdings noch nicht genug getan. Herr Dr. Klug, ich denke, es ist für eine Plenardebatte nicht das Angemessenste, im Detail Tipps zu geben, wie das eine oder das andere Formular zu gestalten ist. Allerdings muss auch ich sagen, dass es Anlass zu Ihrer Kritik gibt. Auch wir haben Briefe von frustrierten Bewerberinnen und Bewerbern der Welcome-BackAktion oder der Quereinsteiger vorliegen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb werden wir uns im Ausschuss sehr genau mit der Laufbahnverordnung auseinander setzen müssen. Wir müssen uns fragen, ob das, was wir haben, genug ist und was wir tun können, um den auch von Ihnen, Frau Erdsiek-Rave, eingeräumten Problemen Rechnung zu tragen. Natürlich ist in den unterschiedlichen Landesteilen der Bedarf ebenso unterschiedlich ausgeprägt wie der Wille der Bewerberinnen und Bewerber dort hinzugehen. Hierzu hatte ich schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, über die Internet-Präsenz zu versuchen, ein genaueres Bild des jeweiligen Fächerbedarfes in den einzelnen Landesteilen darzustellen. Ich weiß, dass das schwierig ist; ich weiß, dass ganz plötzliche Ereignisse diesen Bedarf verändern können. Trotzdem kann man gewisse Trends erkennen.

(Angelika Birk)

Ich finde es gut, dass auch die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Schuldienst für Mangelfächer pragmatisch angegangen werden soll, und zwar von dem Institut für Lehrerfortbildung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich freue mich, dass die Einstellungswartelisten abgebaut wurden und dass wir mehr Referendarstellen haben. Auch das war eine Forderung von uns.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es zeigt sich, dass es richtig war, diese Forderung schnell umzusetzen. Nach wie vor müssen wir - das dokumentieren Sie ja auch, Frau Erdsiek-Rave - aber auch nach erfolgreichem Referendariat 403 befristete Verträge anbieten, weil diese Leute nicht sofort dauerhaft ins Beamtenverhältnis übernommen werden können. Das sind meistens Vertretungen für Lehrerinnen und Lehrer im Mutterschutz, im Erziehungsurlaub oder in der Elternzeit. Mein Ziel ist es, dass wir auch an diesem Punkt noch besser werden. Wir könnten die Situation entschärfen, indem diese Leute im laufenden Schuljahr feste Verträge angeboten bekommen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus haben wir ein Thema zu diskutieren, das heute noch gar nicht angesprochen wurde. Ich halte es dennoch für sehr wichtig, und zwar gerade vor dem Hintergrund des von der Landesregierung vorgelegten Integrationskonzeptes, das im Bildungsbereich einen differenzierten Maßnahmenkatalog vorschlägt. Wir brauchen auch Pädagoginnen und Pädagogen, die selber einen Migrationshintergrund haben und diesen an unseren Schulen reflektieren. Wir brauchen sie insbesondere dort, wo wir eine stark multi-ethnisch zusammengesetzte Schülerschaft haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diesen Leuten - das Beispiel mit den ungarischen Musikern war ja nur eins von vielen - sind aufgrund von zum Teil noch nicht erfolgten Abstimmungen zwischen den Staaten über die Anerkennung von Hochschulzeugnissen hohe Hürden auferlegt. Ich glaube, wir müssen an diesem Punkt einen pragmatischen Weg finden, wenn wir diese Leute endlich an unseren Schulen sehen wollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich will sie dort sehen; sie werden dort dringend gebraucht. Meist ist es doch so, dass sie durchaus an der Schule sind: in befristeten Verträgen, in ABM-Stellen und in allen möglichen anderen Arbeitsverhältnissen. Häufig setzen sich einzelne Kolleginnen und Kollegen

dafür ein, dass sie bleiben können. Aber ins Beamtenoder auch nur ins Angestelltenverhältnis und damit in den ordentlichen Unterricht dürfen sie nicht, weil sie nicht die erforderlichen Papiere vorlegen können.

(Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Ich denke, wir müssen in diesem Bereich neue Wege finden, zum Beispiel wiederum über entsprechende Angebote an Quereinsteiger. Ich glaube, dass das möglich ist. Natürlich müssen wir uns dabei genau anschauen, was die Leute an Qualifikationen mitbringen, denn nicht jeder ist für alles geeignet. Wo ein Wille ist, ist aber auch ein Weg.

Nun komme ich auf den Antrag der Opposition zu sprechen. Auf jeden Fall unterstützen wir das Anliegen, die Vergütung der Berufsschulreferendare anzuheben. Hierfür hatten wir im Landtag im letzten Jahr einstimmig votiert.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Wir hatten zwar einen anderen Weg vorgeschlagen, und dieser Weg wurde uns vom Bildungsministerium im Bildungsausschuss ja auch durchaus nahe gelegt. Nun wollen wir als Grüne aber Taten sehen, zumindest für diese Berufsgruppe. Dabei handelt es sich um eine relativ kleine Gruppe. Frau Erdsiek-Rave hat ja - dafür bin ich sehr dankbar - einige Haushaltsparameter angegeben, sodass wir wissen, was das kosten würde. Trotz der Haushaltsenge scheint mir das - ich bin jetzt vielleicht ein bisschen vermessen - auch bald finanzierbar. Ich setze dabei auf harte Verhandlungen zum Haushalt 2003. Ich bedauere außerordentlich, dass das für das Haushaltsjahr 2002 nicht - wie eigentlich vom Landtag vorgesehen - möglich war.

Es ist richtig: Es geht nicht allein um Geld. Wenn wir aber so schlecht bezahlen, dass jemand seine Verwandten anpumpen muss, um in Schleswig-Holstein arbeiten zu dürfen, dann stimmt irgendetwas nicht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SSW)

Mir geht es nicht darum, dass jemand nur aus Geldgründen in dieses Bundesland kommt, sondern darum, dass nicht jemand mangels Geld hier nicht arbeiten kann. Diesen Zustand müssen wir abstellen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Richtig!)

Mein Ziel ist es, das für Referendare insgesamt zu ändern. Vor über 25 Jahren habe ich als Referendarin in Hamburg mehr verdient als die jungen Leute heute. Dabei war das Gehalt damals auch gar nicht so üppig,

(Angelika Birk)

dass ich damit große Sprünge hätte machen können. So viel zum Thema Länderpolitik in dieser Frage. In diesem Bereich ist, auch von den Berufsverbänden, offensichtlich nicht an die jungen Leute gedacht worden. Denn sonst hätte ein solcher Rückschritt nicht passieren können.

Ich glaube, wir haben harte Haushaltsverhandlungen vor uns. Das gilt auch für das Thema Reisekostenvergütung.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Zwar haben wir in diesem Bereich einige Verbesserungen und ich danke der Frau Ministerin, dass sie diese ermöglicht hat, aber es leuchtet nicht ein, dass die Leute, die am wenigsten Geld haben, die geringsten Zuschüsse für Reisekosten bekommen.