Protocol of the Session on May 15, 2002

Verbraucher auf hohem Qualitätsstandard zu organisieren.

Frau Happach-Kasan, Sie haben gerade das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums angesprochen. Ich habe mich sehr wohl damit auseinander gesetzt. Ich empfehle Ihnen, die Rundbriefe der Wasserwirtschaft, 599 ff., insbesondere 600, zu lesen. Darin wird das Gutachten von Fachleuten auseinander genommen. Nur dadurch, dass „Gutachten“ darüber steht, heißt es noch lange nicht, dass ein Gutachten auch gut ist.

Dieses Gutachten enthält viele Unsinnigkeiten. Ich möchte das einmal an einem Beispiel deutlich machen. Insbesondere England und Frankreich werden uns in diesem Gutachten ständig als Modell, als Vorreiter einer liberalisierten Wasserwirtschaft vorgehalten.

(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Ich ha- be es doch gelesen! Das stimmt doch gar nicht!)

- Das steht in diesem Gutachten an ganz vielen Stellen drin. Ich möchte deutlich machen, dass zum Beispiel in Frankreich über die Hälfte der Haushalte die BleiRichtlinie der EU überhaupt nicht erfüllen können. Für Frankreich wird eine Ausnahmeregelung geschaffen werden. In Frankreich wird der in dieser Richtlinie enthaltene Grenzwert zum Teil um das Zehnfache überschritten. Frankreich braucht eine Ausnahmegenehmigung, weil Investitionen in diesem Bereich nicht erfolgt sind.

Ein anderes Problem - auch Frankreich -: Dort werden die Richtwerte für Kläranlagen der EU von nur 38 % der Anlagen eingehalten.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [FDP])

Die große Mehrheit dieser Kläranlagen schafft das nicht.

In dem Gutachten wird ständig auf Deregulierung und auf Vorteile hingewiesen. Sieht man sich aber einmal die Fakten an, sieht man sich an, in welchen Bereichen investiert wird und welche gravierenden Differenzen zu unserem System, gerade was Umweltstandards angeht, existieren, ist das Gutachten unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit ausgesprochen schlecht gemacht worden und kann für uns kein Maßstab sein, was die Entscheidung angeht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

In dem Gutachten wird vorgeschlagen, das Aushebeln der öffentlichen Wasserversorgung in Deutschland dadurch zu erreichen, dass man zunächst einmal den

(Rainder Steenblock)

Großkunden die Privatisierung der Wasserversorgung ermöglicht. Genau ist das Einfallstor, das unsere kommunale Wasserversorgung kaputt machen würde, allein weil die Auslastung der kommunalen Netze nicht mehr gewährleistet wäre. All das zeigt, dass das Gutachten, das Sie hier angesprochen haben, in weiten Teilen Unfug ist. Deshalb sollten wir uns nicht weiter damit beschäftigen. Alle Fachleute, die zumindest ich in dieser Frage kontaktiert habe, sind dieser Meinung.

Wir haben eine Reihe von internationalen Regelungen. Wir haben die EU-Trinkwasserrichtlinie. Wir haben die Wasserrahmenrichtlinie. Wir haben die Beschlüsse von Rio. All diese internationalen Beschlüsse sprechen eine ausgesprochen deutliche Sprache. Sie sagen: Nachhaltigkeit, ökologische Wassergewinnung sind die Ziele, die eine Rolle dabei spielen müssen. Sie sagen: Vorsorge statt Reparatur. Das ist es, was in dem Gutachten des BMWi immer wieder angesprochen wird. Wir brauchen eine Vorsorge. Wir brauchen eine vor Ort verankerte Wasserversorgung. Nur eine solche Wasserversorgung wird meiner Meinung nach in der Lage sein, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die eine flächendeckende Versorgung wollen, zu befriedigen, gerade in einem so ländlich strukturierten Land wie Schleswig-Holstein.

Das wird eine Grundlage dafür sein müssen, dass wir die Trinkwasserversorgung weitgehend in kommunaler Hand lassen, die Versorgungsgebiete in diesem Bereich als Monopole nicht antasten. Wir brauchen keine Orientierung an reinen Wettbewerbskriterien. Wir brauchen keine weitere Liberalisierung. Wir haben ein System, das im europäischen Vergleich - mit den Strukturen, die wir aufgebaut haben - ausgesprochen konkurrenzfähig ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für den SSW erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wasser ist in der Tat kein handelbares Wirtschaftsgut wie jedes andere. Deshalb muss es natürlich Ziel jedes Strebens sein, die Quantität und die Qualität des guten Wassers zu erhalten. Diesem Ziel kommen wir mit der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie auch ein Stück näher. Wir haben dieses Thema hier schon einmal behandelt, und zwar beim letzten Mal, sodass ich nicht auf das Für und Wider an sich eingehen möchte, sondern nur noch auf die in dem Bericht vorgeschlagene Umsetzung.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass eine Vielzahl von Institutionen auf der Ebene der Flussgebietseinheiten und der Bearbeitungsgebiete beteiligt werden. Das ist auf jeden Fall positiv. Normalerweise würde ich nun sagen, dass diesen Institutionen auch Einspruchsmöglichkeiten gewährt werden müssen. Aber da man in der Umsetzung einem Vorschlag gefolgt ist, den unter anderen der SSW unterstützt hat, ist dies so nicht mehr notwendig. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt nämlich durch die Wasser- und Bodenverbände und, sollten die Wasser- und Bodenverbände hierzu nicht in der Lage sein, durch die Kreise und kreisfreien Städte. Damit ist für eine kommunale und ortsnahe Beteiligung gesorgt. Hierüber sind wir in der Tat sehr zufrieden,

(Konrad Nabel [SPD]: Ja!)

zumal genau dies von den Wasser- und Bodenverbänden und den Kreisen und kreisfreien Städten immer gefordert wurde, Frau Sassen. Das können Sie von den Wasser- und Bodenverbänden gern auch schriftlich bekommen. Das haben wir, glaube ich, auch alle schriftlich. Ansonsten: Ein Anruf und sie hätten es Ihnen auch gesagt. Sie wollten das so haben und man ist ihnen gefolgt. Das ist an sich eine sehr positive Sache.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang ist auch wichtig zu bedenken, dass die Wasser- und Bodenverbände über einen riesigen Erfahrungsschatz verfügen und am ehesten dazu beitragen können, dass es überhaupt zu einem Interessenausgleich mit Nutzern wie zum Beispiel der Landwirtschaft kommen kann. Ich weiß wohl, dass es auch andere Bestrebungen gab, nämlich die kommunale Ebene nicht angemessen zu beteiligen.

(Ursula Sassen [CDU]: Wenn die Frist ab- gelaufen ist, ist es vorbei!)

Deshalb möchte ich noch einmal positiv erwähnen, dass hier eine vernünftige Lösung gefunden worden ist.

In Bezug auf den Antrag von SPD und Grünen zur nachhaltigen Wasserwirtschaft ist zu sagen, dass wir dem Antrag durchaus folgen können. Vor allem die Feststellung, dass es sich bei der Versorgung von Haushalten mit Wasser um eine Leistung der Daseinsvorsorge handelt, ist richtig. Im Bereich der Daseinsvorsorge gibt es Bereiche, die man nicht einfach dem Markt aussetzen kann. Im Antrag wird dies mit dem Wort „Kernaufgaben“ umschrieben.

Derzeit ist die kommunale Wasserversorgung durch den so genannten Gebietsschutz vor Eingriffen von außen abgesichert. So wird gesichert, dass die Was

(Lars Harms)

serkreisläufe auf regionaler Ebene erhalten und in regionaler Verantwortung betrieben werden können. Wasser lässt sich nicht genauso behandeln wie Strom, sondern ist ortsgebunden. Aufgrund der hohen Qualität des Trinkwassers in Deutschland hätten wir also wirklich etwas zu verlieren, wenn wir den europaweiten Liberalisierungsbestrebungen nachgeben würden.

Zugegebenermaßen ist der Preis für die Trinkwasserversorgung und für die Abwasserentsorgung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ hoch. Allerdings stehen unseren hohen Preisen hohe Subventionen in anderen Ländern gegenüber, wodurch dort erst die Preise verbilligt werden. Somit hinken die Vergleiche oft ein wenig.

Darüber hinaus ist klar, dass die Qualität des Wassers in Deutschland unangefochten gut ist. Somit stimmt das Preis-Leistungsverhältnis. Es gibt keinen ökonomischen Grund, Liberalisierungsbestrebungen nachzugeben.

Die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung sind - wie eingangs gesagt Kernbereiche der Daseinsvorsorge, für die der Staat zu sorgen hat. Würden diese Bereiche völlig liberalisiert werden, würden sie komplett der demokratischen Kontrolle entzogen werden und gleichzeitig einen wesentlich höheren Regelungs- und Kontrollaufwand nach sich ziehen. Denn das darf man auch nicht vergessen: Alles das, was man liberalisiert, hat man danach als Staat zu kontrollieren. Das ist für uns nachher eine Nullnummer. Wir werden draufzahlen müssen - so oder so. Dann können wir es lieber gleich in eigenen Händen behalten.

Zudem bin ich mir aber auch sicher, dass wir damit rechnen müssen, dass auf kommunaler Ebene Arbeitsplätze verloren gehen würden - und zwar qualifizierte Arbeitsplätze.

Am Ende sieht meine Befürchtung wie folgt aus: Wir werden eine rein ökonomische Betrachtungsweise in Bezug auf die Wasserversorgung bekommen. Dies wird zu Arbeitsplatzverlusten führen und wir werden qualitative Einbußen hinnehmen müssen, die wir dann auch noch kontrollieren müssen.

Ich beziehe diese Befürchtungen nicht nur auf die in der Bundesregierung angedachte Aufhebung des Gebietsmonopols, sondern auch auf andere Privatisierungsbestrebungen bis hin zu europaweiten Ausschreibungen; denn Kommunen können ja auch ausschreiben. Das hätte genau die gleichen Effekte. Das heißt, wir müssen die Kommunen auch auffordern, mit diesem Mittel der Ausschreibung vorsichtig umzugehen und das lieber in Eigenregie zu tun.

In jedem Fall ist nicht damit zu rechnen, dass wirklich flächendeckend nachhaltig gewirtschaftet wird, sollte

liberalisiert werden, wie wir es jetzt tun. Wir sind der Auffassung, dass die ökologischen und die sozialen Ziele den ökonomischen Zielen übergeordnet werden müssen. Nur so sichern wir wirklich in der Wasserwirtschaft Nachhaltigkeit.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es gibt doch sehr viele ökonomische Gründe für eine Liberalisierung der Trinkwasserversorgung; ich glaube, dass die in diesem Gutachten auch gut begründet sind. Herr Kollege Steenblock, Sie haben das Gutachten nicht gelesen - entgegen Ihrer Behauptung.

(Lachen des Abgeordneten Rainder Steen- block [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Auch wenn eine Abbildung England erwähnt - das ist ausgesprochen viel, nicht wahr? -, wissen Sie genau, dass das Gutachten an jeder Stelle deutlich macht, dass ein direkter Vergleich mit England nicht möglich ist.

(Beifall bei der FDP)

Es werden keine direkten Vergleiche gezogen.

Ich erwarte eigentlich von den Kolleginnen und Kollegen auch, dass Sie sich mit Aussagen des Gutachtens beschäftigen. Wir haben eine deutliche Preissteigerung, und zwar innerhalb von Regionen in Deutschland, die zeigen, dass die Effizienz der Trinkwasserversorgung eben nicht gegeben ist und dass dies zu Kosten unserer Bürgerinnen und Bürger und auch unserer Betriebe führt - eindeutig.

Wir müssen weiterhin feststellen, dass das Verursacherprinzip nicht gewährleistet ist. Umweltleistungen werden auf die Verbraucher abgewälzt, obwohl sie dafür nicht verantwortlich sind. Wir haben keine Anreize für Wettbewerb. Wir haben eine Struktur, die nicht mehr das Fachpersonal zur Verfügung stellen können, um überhaupt die notwendigen Messungen durchführen zu können. Wir haben eine Kleinststruktur, die in keiner Weise den Anforderungen gerecht wird. Wir haben ferner eine steuerliche Ungleichbehandlung von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die in jedem Fall geändert werden müsste.

(Dr. Christel Happach-Kasan)

Mit einem Globalschlag gegen Globalisierung, mit einem Globalschlag, Kollege Harms, gegen jegliche Privatisierung tun Sie diesem Land nichts Gutes. Wir brauchen Reformen und jeder weiß, dass wir in Deutschland Reformen brauchen. Alle die Politiker, die sich hier hinstellen und sagen, es darf alles so bleiben, wie es ist, so ist es gut, die verkennen, dass wir über 4 Millionen Arbeitslose haben und deswegen in diesem Land nicht vorankommen, weil diese Politiker ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.

(Beifall bei der FDP - Zuruf des Abgeordne- ten Konrad Nabel [SPD])

Sie reden nichts weiter als nur „Staatswirtschaft, Staatswirtschaft, Staatswirtschaft“!

(Beifall bei der FDP)