Protocol of the Session on June 8, 2000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die differenzierten Worte des Kollegen Wadephul haben wir sehr wohl vernommen, Herr Kollege Geißler. Ich bin auch dankbar - das sage ich ausdrücklich -, dass die CDU in Schleswig-Holstein diese Frage durchaus differenzierter diskutiert, als es Unionsfraktionen oder -parteien in anderen Ländern tun. Dies gilt übrigens auch für uns. Meine kritische Haltung zu vielem, was meine hessischen Parteifreunde in der Vergangenheit gemacht haben, ist Ihnen hinlänglich bekannt.

(Lothar Hay [SPD]: Man sollte sich seine Freunde besser aussuchen!)

- Das gilt auch für die Sozialdemokraten, Kollege Hay.

(Heiterkeit)

Der Innenminister des Bundes heißt Schily und gehört, glaube ich, der SPD an. Es gibt noch andere Innenminister, die SPD-Regierungen angehören und die sich in dieser Frage durchaus anders äußern als Sozialdemokraten hier in Schleswig-Holstein. Man muss das wirklich sehr differenziert analysieren. Ich bin froh, dass wir im Ausschuss Gelegenheit haben werden, darüber noch zu sprechen.

Ich nehme ja wie Sie seit über dreißig Jahren an der innen- und rechtspolitischen Debatte teil und stelle immer wieder fest, dass mir die Beamten aus den

(Wolfgang Kubicki)

Polizeibehörden erklären, dass sie, wenn sie die eine oder andere weitere Möglichkeit hätten, der Kriminalitätsentwicklung Herr würden. Das fing mit der Frage der Telefonüberwachung an. Jetzt sind wird das Land, das so viel Telefone anzapft wie weltweit kein anderes. Aus irgendwelchen Gründen hat es aber nicht funktioniert. Dann ging es um den großen Lauschangriff. Wenn wir nach seiner Effizienz fragen, stellen wir fest: Er hat nichts gebracht. Als Nächstes kommt die Videoüberwachung. Wenn wir auch sie eingeführt haben, werden wir feststellen: Es hat nichts gebracht.

(Klaus Schlie [CDU]: Das stellen Sie fest!)

- Ich empfehle nachzulesen, was der ehemalige BKAPräsident Herold hierzu geschrieben hat. Er hatte nämlich die wahnwitzige Idee, dass man, wenn man Bewegungsanalysen von jedem einzelnen Bürger machte, die Prävention möglicherweise durchführen könnte. Dies ist eine Entwicklung, die ich nicht will und die ich auch für sehr bedenklich halte.

(Beifall bei F.D.P., SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Kollege Dr. Wadephul, ich habe Ihnen bereits gesagt: Wenn Sie den „Stern“ zur Hand nehmen und sich die Kriminalitätsentwicklung bundesweit anschauen, so müssen Sie zunächst die Frage klären, warum es beispielsweise bei bestimmten Deliktstypen eine sehr große Spreizung zwischen verschiedenen Orten, verschiedenen Städten und verschiedenen Regionen dergestalt gibt, dass zum Beispiel bei schweren Körperverletzungsdelikten Kiel mit 283 Fällen pro 100.000 Einwohner an zweiter Stelle steht und Städte wie Schwerin, Potsdam, Chemnitz oder Leipzig rund 120 Delikte auf 100.000 Einwohner aufweisen. Wenn wir uns konkret daran machen zu analysieren, woran dies liegt, werden wir wahrscheinlich sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass dies nicht an der unterschiedlichen technischen Ausstattung liegt, sondern an unterschiedlichen sozialen, kulturellen, politischen, persönlichen und sonstigen Gegebenheiten.

Die Schere ist also zu beachten. Wir müssen darangehen zu fragen, was müssen wir wirklich verändern, anstatt das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung stets nur kurzfristig zu befriedigen, ohne wirklich mehr Sicherheit zu schaffen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Zwei Beispiele! Hinsichtlich von Banküberfällen und Kaufhausdiebstählen haben sich die Straftäter sehr schnell darauf eingestellt, dass es neue Formen der Überwachung gibt. Bei den Banküberfällen gibt es jetzt schwere Banküberfälle mit Waffengewalt, bei denen die Täter maskiert sind, mit der Folge, dass sie

nicht erkannt werden können und dass sie Geiseln nehmen. Diese Entwicklung wollten wir natürlich nicht haben. Aber Veränderungen bei der Überwachung haben konsequent Veränderungen im Deliktverhalten nach sich gezogen.

Abschließend will ich noch auf ein „nettes“ Beispiel eingehen. Die Anzahl der Diebstähle an Tankstellen hat zugenommen, obwohl diese flächendeckend videoüberwacht werden. Das liegt nicht an der Videoüberwachung, sondern daran, dass die Spritpreise so hoch sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P.)

Die konkrete Maßnahme dagegen würde jetzt nicht lauten: Mehr Videoüberwachung! Sie würde viel mehr - das haben wir auch gestern gefordert - lauten: Weg mit der Ökosteuer!

(Heiterkeit und Beifall bei der F.D.P. - Bei- fall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Plüschau.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU ist die logische Fortsetzung des gestrigen Absentismus-Antrages.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nein, nein!)

Sie suchen nach Themen, um sich zu profilieren.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sie doch auch!)

Herr Dr. Wadephul, ich hätte Ihnen empfohlen, sich in dieser Materie etwas kundiger zu machen. Der Antrag ist sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite wollen Sie keine flächendeckende Überwachung, wohl weil Sie sich nicht trauen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Ja, wollen Sie das denn?)

Auf der anderen Seite wollen Sie eine Handlungsanweisung für Polizei und Behörden. Das ist in sich schizophren.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Wir sind in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg. Mit dem § 20 Landesdatenschutzgesetz und § 184

(Helmut Plüschau)

Landesverwaltungsgesetz haben wir ausreichende Möglichkeiten -

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Und Sie wol- len das einschränken?)

- Nein, das wollen wir nicht!

(Unruhe)

Sie werden mir das abnehmen. Ich bin seit 17 Jahren in dieser Branche tätig und habe eine florierende Firma.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU]: Keine Werbung!)

Ich habe eine florierende Firma und müsste eigentlich ob Ihres Antrags in Jubel ausbrechen, denn das würde uns die Kunden scharenweise zutreiben.

(Martin Kayenburg [CDU]: Herr Plüschau hat eine Überwachungsfirma!)

- Ja, Herr Kayenburg, das ist ein ehrenwerter Beruf. Das ist so wie bei Ihnen. Sie handeln mit Zement und betonieren alles zu. Das ist trotzdem sehr nützlich.

(Heiterkeit)

Ich meine, Sie sollten das Feld den Fachleuten überlassen.

(Zurufe von der CDU)

Eines steht fest: Wenn Sie eine punktuelle Überwachung wollen, dann sitzen rund um die Uhr Leute vor den Monitoren um festzustellen, was an Ihren Brennpunkten passiert. Dann können Sie die Polizei gleich hinschicken, denn die wirkt präventiv und kann gleich eingreifen und muss nicht erst eine Einsatztruppe dorthin schicken, wenn die Täter schon weg sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD - Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Unruhe)

Das ist geübte Praxis. Herr Kubicki erwähnte es bereits: 100 % aller Bankfilialen sind videoüberwacht. Trotzdem passieren en masse Banküberfälle, weil die Täter glauben, sie werden nicht erwischt. Das Gleiche gilt für die Tankstellen.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Die ständige Überwachung aller Mitbürgerinnen und Mitbürger ist für meine Begriffe nicht nötig. Sie ist nur dort nötig, wo wir wirklich präventiv tätig sein können. Den Horror eines Überwachungsstaates möchte ich nicht mit verantworten. Wir sind gut bedient.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg einen Dank an Klaus-Peter Puls für die freundliche Schilderung meines körperlichen Zustandes.