Bevor ich das Wort erteile, begrüße ich in der Loge unseren ehemaligen Kollegen und Minister a.D., Herrn Bendixen. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit zwei Vorbemerkungen beginnen, mit denen ich mich direkt auf das beziehe, was der Herr Oppositionsführer im hohen Hause gesagt hat. Ich glaube nicht, dass das Ansehen der Politikerinnen und Politiker dadurch gesteigert wird, dass wir in Parlamentsdebatten mit Vermutungen und Spekulationen operieren. Zurzeit ermittelt in beiden von Ihnen angesprochenen Fragekomplexen noch die Staatsanwaltschaft. Anklage wurde noch nicht erhoben. Dies sollten wir in den Beratungen als Tatsache zur Kenntnis nehmen und abwarten, zu welchem Ergebnis die Gerichte kommen.
Die CDU-Fraktion hat am 12. April einen Antrag zur Einsetzung eines Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vorgelegt. Mit der Vorlage des neuen Antrags zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist der Untersuchungsauftrag deutlich erweitert worden. Ging es im Ursprungsantrag vor allem um die Hintergründe der Auswahl eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostensystems für die Landesverwaltung durch das Finanzministerium, so geht es jetzt zusätzlich noch um die Fragen zur Affäre Pröhl. Was den Komplex der Fragen zu debis/SAP betrifft, so wird mein Kollege Günter Neugebauer darauf später noch im Detail eingehen. Die CDU-Fraktion hat den Auftrag so gestaltet, dass nicht nur der Fall Pröhl in den Vordergrund gerückt wurde, sondern durch eine Unbestimmtheit des Untersuchungsauftrags viele weitere Punkte angesprochen werden können. Auf diese Unbestimmtheit werde ich später noch zurückkommen.
Der Zweite Parlamentarische Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit zu einer Zeit auf, in der Skandale auf unterschiedlichste Weise das Vertrauen in Politik
und Politikerinnen und Politiker beschädigt haben. SPD-Mitglieder in Köln haben mit Vorsatz gegen das bestehende Parteiengesetz verstoßen, um für die eigene Partei finanzielle Vorteile zu erreichen. Auch der Hinweis, dieses Geld sei nicht in die eigene Tasche geflossen, wirkt jämmerlich. Die Tatsache, dass sich offenbar auch ein Bonner CDU-Politiker erheblich bereichert hat, erleichtert die Situation für uns Sozialdemokraten in keiner Weise.
Im Zusammenhang mit der Spendenaffäre der CDU im Jahre 2000 habe ich die CDU damals aufgefordert, alle Fakten und Informationen auf den Tisch zu legen, weil nur so Vertrauen zurückgewonnen werden könnte. Diese Forderung habe ich im Jahre 2000 auch an die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen gerichtet. Damals gab es dort die Flugzeugaffäre. Diese Forderung gilt heute mehr denn je, denn ich bin der Überzeugung, dass sich aus den aktuellen Vorfällen keine Partei einen langfristigen Vorteil wird erhoffen können.
Die Glaubwürdigkeit der Parteien wird insgesamt verlieren. Stattdessen müssen wir alle Kraft dafür einsetzen, damit die Menschen sich nicht grundsätzlich von Politik abwenden und bei anstehenden Wahlen mit Wahlenthaltung reagieren oder sich rechten Rattenfängern zuwenden. Das Scheitern der Schill-Partei in Sachsen-Anhalt ist für mich ein richtiges Zeichen. Wir sollten uns aber vor Sorglosigkeit in jeder Form hüten.
Maßstäbe, die für alle anderen gelten, müssen zuallererst für die Politik gelten. Sie können und dürfen nicht nach Belieben gedehnt, gestreckt und erweitert werden, wie es gerade für das eigene und das vermeintliche Interesse der Partei nutzbar gemacht werden kann. Was im Jahre 2000 stimmte, stimmt auch heute. Viele Tausend ehrenamtliche Politikerinnen und Politiker engagieren sich am Feierabend und darüber hinaus für kommunalpolitische und parteipolitische Arbeit vor Ort und dürfen nicht in ungerechtfertigter Weise an den Pranger gestellt werden.
Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Allerdings müssen wir uns davor hüten, anstatt des nötigen Beweises schon den Anschein - anstelle des Beweises - gelten zu lassen. Fakt ist: Wer auch immer in diesen Zeiten in den Medien mit dem Begriff Korruption in Verbindung gebracht wird, ist mit einem Kainsmal ausgestattet, auch wenn sich später die Unschuld erweisen sollte. Diese interessiert die Medien und die Öffentlichkeit kaum noch.
Vertrauen in Politik kann nur durch positive Vorbilder wieder hergestellt werden. Wenn Politik ein Spiegelbild der Gesellschaft sein sollte, dann ist unsere deutsche Gesellschaft auf einem gefährlichen Weg. Dieser Hinweis darf allerdings nicht als Entschuldigung gelten. An uns werden andere Ansprüche gestellt. Wir sollten alles dafür tun, auch in der Politik einer um sich greifenden Raffke-Mentalität eine neue Verantwortung für das Gemeinwohl entgegenzustellen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um den Menschen wieder mehr Vertrauen in die Politik und die Politikerinnen und Politiker zu geben.
Im Bundestag ist ein verschärftes Parteiengesetz verabschiedet worden. Das ist gut so, obwohl ich ganz offen bekenne, dass ich mir noch mehr gewünscht hätte.
Es ist jedoch kein Ersatz für ein verändertes Verhalten, welches eine gesellschaftliche Umkehr bei den Menschen bewirken kann. Wir haben eine entscheidende Verantwortung und wir müssen sie wahrnehmen. Wenn dieser Untersuchungsausschuss dazu einen kleinen Beitrag - vielleicht auch in der Form des Umgangs mit Themen und Personen - leisten kann, dann wäre schon einiges erreicht. Was die SPD von ihren eigenen Parteimitgliedern erwartet, hat sie im Mai 1993 in der so genannten Eckernförder Erklärung festgelegt. Diese gilt mit ihrer Forderung nach gründlicher Aufklärung von Sachverhalten auch heute noch. Diese Forderung gilt sowohl für Nicht-Parteimitglieder als auch für die Mitglieder anderer Parteien.
In ihrer Pressekonferenz vom 12. April hat die CDU deutlich gemacht, dass die Fragen um die Vorgänge um Dr. Pröhl in der Bearbeitung des Untersuchungsausschusses nach vorn gezogen werden sollen. Nach Darstellung der CDU erscheinen sie ihr brisanter als debis/SAP und die anderen Sachverhalte. Damit haben wir gerechnet. Aus politischer Sicht kann ich dies nachvollziehen und verstehen.
Ganz offensichtlich sind die Fragen, die zurzeit von der Staatsanwaltschaft untersucht werden, aus dem Blickwinkel der Opposition im Untersuchungsausschuss weniger interessant. Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss wird es unter anderem um die Frage gehen, wer wann von den Nebentätigkeiten und kriminellen Aktivitäten Dr. Pröhls gewusst hat. Damit einher geht die Frage, ob Kontrollmechanismen in der Staatskanzlei nicht funktioniert haben. Mit Blick auf die vor uns liegenden Wahlentscheidungen in den
nächsten zwölf Monaten möchte ich für meine Fraktion eine klare Grenze ziehen, die heißt: Aufklärung ja, Wahlkampf nein.
Es ist nicht zu bestreiten, dass das Parlament und die Öffentlichkeit ein Recht darauf haben, alle aufgeführten Fragen - auch im Fall Dr. Pröhl - geklärt zu bekommen. Gleichzeitig ist aber unbestreitbar, dass Parlamentarische Untersuchungsausschüsse eben nicht nur der Aufklärung, sondern auch den politischen Interessen derjenigen dienen, die sie beantragen. Es geht nicht nur um die Untersuchungsgegenstände, die im entsprechenden Antrag formuliert werden, sondern es geht immer auch um den politischen Rahmen, in dem sich ein Untersuchungsausschuss bewegt. Diese Interessenlage werden wir ebenfalls im Auge behalten.
Wenden wir uns für einen Moment dem aus Sicht der CDU brisanteren Komplex des Untersuchungsauftrages zu. Dr. Karl Pröhl, der am 12. März von der Ministerpräsidentin fristlos entlassen wurde, hat drei Wochen wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft verbracht. Er steht unter dem Verdacht der Steuerhinterziehung, des Kreditbetrugs und der Bestechlichkeit.
Im Mittelpunkt steht der Verdacht, dass er im Zusammenhang mit dem Erwerb, der Vermarktung und der Sanierung von Schloss Bredeneek bei Plön zusammen mit anderen mit vorgetäuschten Belegen und Scheinrechnungen bei einem Hamburger Kreditinstitut Darlehensbeträge von mehr als 6 Millionen DM erschlichen haben soll.
Daneben gibt es den Vorwurf, dass Provisionen bei dem Inhaberwechsel einer Tischlerei an Herrn Dr. Pröhl geflossen sein sollen. Gleichzeitig untersucht die Staatsanwaltschaft die Beteiligung von Dr. Pröhl an den Verkaufsverhandlungen des Kieler Schlosses.
Wichtig für uns in der SPD-Fraktion ist es, dass auch sämtliche Vorgänge im Zusammenhang mit der EXPO 2000 noch einmal gründlich unter die Lupe genommen werden.
Ich meine damit: Wer hat Aufträge für EXPO-Projekte erhalten? Welche Ausschreibungen hat es dafür gegeben? Wer hat diese Projekte unter anderem gesponsert?
Ein weitere Komplex ist in Schleswig-Holstein kaum in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Dies sind die Geschäfte der Herren Brückner und Pröhl und ihrer gemeinsamen Firmen mit dem Deutschen Orden. Die Beziehungen zwischen dem Deutschen Orden und der Bayerischen Staatsregierung werden seit einigen Wochen von einem Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag bearbeitet.
Pröhl und Brückner sollen gemeinsam mit dem Deutschen Orden in Deutschland und im arabischen Raum Projekte mit einem Umfang von weit über 1 Milliarde DM geplant haben. In welchen Zusammenhängen diese Aktivitäten mit Vorhaben in Schleswig-Holstein standen, muss ebenfalls geklärt werden.
Sollten sich die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft auch nur zum Teil bestätigen, so entsteht hier das Bild eines Herrn Dr. Pröhl, der über mehrere Jahre ein Doppelleben geführt hat. Wenn man ein Doppelleben führt, will man einen Teil seines Lebens vor anderen verbergen.
Auf der einen Seite war er EXPO-Beauftragter und von der Staatskanzlei mit Fragen des Wellnessbereichs betraut, auf der anderen Seite hat er als Kommanditist und Vorstandsmitglied von mehreren Unternehmungen möglicherweise seine eigenen Geschäfte durch Ausnutzung seiner beruflichen Position angebahnt. Mit IBank, Staatskanzlei und EXPO im Hintergrund ist es zu einer erheblichen Ausnutzung einer Vertrauensfunktion gekommen.
Im Zusammenhang mit der Beschäftigung der Ehefrau des ehemaligen Chefs der Staatskanzlei Klaus Gärtner auf Stundenbasis bei einem EXPO-Projekt wird der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, Wolfgang Kubicki, mit den Worten zitiert: „... ist es kein Wunder mehr, dass in einer solchen Atmosphäre der Selbstbedienung schwächere Charaktere auch zu kriminellen Handlungen übergegangen sind.“
Herr Kubicki, Ihre Äußerung lässt für mich zumindest Zweifel an Ihrem Verständnis unseres Rechtsstaates aufkommen.
Hören Sie bitte genau zu! Wir sollten bei dem Aufklärungswillen beachten, dass es einen Rechtsstaat zu achten gibt. Hier geht es auch um die Grundrechte von Menschen, die wir zu beachten haben. Wir dürfen Sie nicht nur in Interviews irgendwie infrage stellen.
Sie machen hier den Versuch, nicht nur mögliche kriminelle Aktivitäten von Herrn Pröhl in direkten Zusammenhang mit der Staatskanzlei zu rücken, sondern unterstellen auch, dass Pröhls Aktivitäten möglicherweise durch das dortige Umfeld erst ausgelöst worden sind.
Sie selbst, Herr Kubicki, wissen genauso gut wie ich, dass es bei den Vorwürfen gegen Herrn Dr. Pröhl nicht um jemanden geht, der durch besondere Umstände dazu verführt worden ist, im Supermarkt in das Regal zu greifen, sondern um jemanden, der aufgrund einer Energie, die nicht dem Gesetz entspricht, eine Vertrauensstellung ausgenutzt hat. Sonst würden wir uns mit diesen Vorgängen nicht beschäftigen.
(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Woher wissen Sie das alles? Tolles Staatsverständnis! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)
Vor diesem Hintergrund hat es mich schon schockiert, dass Karl Pröhl von Teilen der Medien als vertrauenswürdiger Zeuge gegen die Ministerpräsidentin akzeptiert wurde, nachdem sich die Gefängnistore gerade wegen Verdunklungsgefahr hinter ihm geschlossen hatten.
(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Aha! - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Aha! - Dr. Johann Wa- dephul [CDU]: Der Zweck heiligt die Mittel! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)
Es wurde also nicht die eigentlich angebrachte Frage gestellt, ob vielleicht Dr. Pröhl nicht die Wahrheit gesagt hat, nein, die Aussagen von Heide Simonis wurden mit Unterstützung des scheinbar ehrbaren Zeugen Dr. Pröhl infrage gestellt. Es darf nicht hingenommen werden, dass in den Medien Verkaufszahlen und Einschaltquoten wichtiger sind als eine faire und objektive Berichterstattung über die zugrunde liegenden Sachverhalte.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Klaus Schlie [CDU]: Skan- dalös! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)