Protocol of the Session on March 21, 2002

Der Erhebungsbogen des Statistischen Landesamtes für die gymnasialen Oberstufen der Gymnasien und Gesamtschulen umfasst zehn Seiten, eng Kästchen an Kästchen, das muss alles handschriftlich ausgefüllt werden, Hunderte von Zahlen - ein Riesenaufwand!

Wenn Sie ein vernünftiges Schulverwaltungsprogramm haben, wird einmal zu Beginn des Schulhalbjahres bei der Stundenplangestaltung eingetragen, wie viele Schüler in welchem Kurs sind, und hinterher können Sie mit einem Knopfdruck, mit einem Klick einen Statistikbogen ausdrucken und haben den ganzen Schmus an Arbeitsaufwand nicht mehr in den Schulleitungen an der Hacke.

(Beifall bei der FDP)

Es gibt unendlich viele Beispiele dafür, wie man die Schulen, Lehrerinnen und Lehrer in diesem Land auf vernünftige Weise von unnötigem Arbeitsaufwand entlasten und ihnen damit die Möglichkeit geben kann,

(Dr. Ekkehard Klug)

sich auf ihre Unterrichtsaufgabe besser als bisher zu konzentrieren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Henning Höppner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion schätzt alle Initiativen, die die pädagogische Arbeit an unseren Schulen fördern sollen. Sehr verehrter Herr Kollege Dr. Klug, bei Ihrem Antrag muss man aber ein wenig den Eindruck gewinnen, als wenn Sie hier ein Anliegen von Lehrerverbänden aufgegriffen haben, um die von der Landesregierung angedachten Prozesse der Evaluation von Schule wieder einmal infrage stellen zu können. Ein wenig verlassen Sie dabei, die eigentlich von uns an Ihnen so geschätzte Position, die Schule als eine ganzheitliche Einrichtung zu betrachten, als Einrichtung unterschiedlicher Mitwirkender wie Schüler, Lehrer, Schülervertretung, Elternvertretung und Schulträger. Das ist eigentlich nicht so ein richtiger Dr. Ekkehard-KlugAntrag.

Was Sie uns hier mit Ihrer Initiative bieten, kommt aus einer ziemlich einseitigen Betrachtungsweise, nämlich der Betrachtungsweise der Lehrerverbände, die Veränderungsprozesse immer nur zu gern als überflüssig abtun, weil Lehrerinnen und Lehrer ja nur eine einzige Aufgabe haben dürfen, Unterricht zu erteilen. So beschreiben Sie das auch in Ihrer Pressemitteilung.

Als Elternteil und als jemand, der viel mit Eltern und Elternvertretungen spricht, kann ich Ihnen nur empfehlen, auch einmal eine andere Brille aufzusetzen. Unterricht kann nicht ausschließlich als das beschrieben sein, was Stoffvermittlung oder Vermittlungskontrolle sein soll und was allein zwischen einer Lehrkraft und den Schülerinnen und Schülern intern im Klassenraum stattfindet. Eltern stellen immer mehr die Frage, warum welche Inhalte in welcher Form und in welcher Qualität vermittelt werden und nach welchen Kriterien die Leistungen der Schüler bewertet werden. Eltern sind immer weniger bereit, das Beziehungsgeflecht zwischen Lehrer und Schüler als unantastbar zu betrachten.

Eltern und gute Lehrkräfte wissen auch um fragwürdige Prozesse in den Schulen.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir erleben ja in unseren Podiumsdiskussionen, Herr Dr. Klug, immer wieder die Positionen von Eltern, die die Politik nicht nur für die Rahmenbedingungen des Schulbetriebes verantwortlich machen, sondern vor allem für die Qualität des Unterrichts. Aber diese Betrachtungsweise ist genauso schlecht oder so gut wie das Verständnis von Lehrerinnen und Lehrern, dass die Qualität ihres Unterrichts nur so gut sein kann wie die aktuelle Bildungspolitik.

Die Qualität des Unterrichts - das ist so gut wie unbestritten - bestimmen zu 90 % die Lehrerinnen und Lehrer selbst mit ihren Fachkenntnissen und mit ihrer Vermittlungsfähigkeit.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Was, verehrter Herr Kollege Klug, sollen denn zum Beispiel Vergleichsarbeiten leisten können, wenn die Qualität von Unterricht nicht ebenso auf dem Prüfstand steht? Was ist denn bei Vergleichsarbeiten als transparenter Qualitätsaspekt beschrieben? - Höchstens die Themenstellungen. Die Unterrichtsvermittlung bleibt in ihrer transparenten Qualitätsbewertung dabei völlig unbeachtet.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das Ergebnis zählt!)

Was Sie als vermeintliche Entlastung der Lehrerkollegien von außerunterrichtlichen Aufgaben beschreiben, beschreibt leider eine zutiefst pädagogische Dimension, nämlich die Evaluierung von Unterricht. Hiervon, um unserer Kinder willen, dürfen wir die Schulen und die Lehrerkollegien keinesfalls entlasten. Hier müssen sich Unterricht und Schulen einem neuen Qualitätsmanagement stellen, insbesondere nach den Ergebnissen der PISA-Studie.

Jetzt noch einige Worte zum CDU-Antrag! Eigentlich sind die Zuständigkeiten bei der Wahrnehmung von Schulverwaltungsaufgaben in unseren Schulen nach dem geltenden Schulrecht klar geregelt. § 53 unseres Schulgesetzes schreibt in Abs. 1 Nr. 3 den Schulträgern die Aufgabe zu, das Verwaltungs- und Hilfspersonal in den Schulen zu stellen. Die Schulleiterinnen und Schulleiter tragen die Verantwortung für die pädagogische Arbeit in den Schulen und die Verwaltung. In der Praxis sieht das, liebe Kolleginnen und Kollegen, was das Gesetz regelt in den einzelnen Schulen und Schularten sehr unterschiedlich aus. Das hängt mit den Größenordnungen der Schulen zusammen. Schulverwaltung und außerunterrichtliche Aufgaben sind eben in zwei- bis vierklassigen Grundschulen anders definiert als in beruflichen Schulen mit bis zu 5.000 Schülerinnen und Schülern.

(Dr. Henning Höppner)

Man muss ehrlicherweise eingestehen - auch wenn Sie, Herr Dr. Klug, auf die Statistiken eingehen -, die interne Schulverwaltung ist seit Jahrzehnten durchaus durch Routinearbeit bestimmt, auch bei den statistischen Bögen; das ist immer wieder das Gleiche. Das machen auch nicht Lehrkräfte, sondern im Wesentlichen die Schulsekretärinnen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Alle sich wiederholende Verwaltungsvorgänge - ob es Karteiführung von Schülerakten ist oder Ähnliches kennen wir schon lange.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die Aufgaben der Schulverwaltung unterliegen nicht dem Konnexitätsprinzip. Verwaltungsaufgaben sind schon immer gesetzliche Aufgaben des Schulträgers gewesen, einschließlich aller Ausstattungsfragen mit Bürokommunikation. Schulen waren auch zu Zeiten der 38jährigen Regierungsverantwortung der CDU kommunale Einrichtungen des Schulträgers. So war das schon immer und so soll es auch in Zukunft bleiben.

(Beifall der Abgeordneten Rolf Fischer [SPD] und Dr. Ulf von Hielmcrone [SPD])

Ich komme zum Schluss! Wir haben in unserem Änderungsantrag einen Prüfauftrag enthalten - unter Nummer 3 -, der die Landesregierung bittet, im Herbst einen Bericht vorzulegen. Ich bitte aus diesem Grunde, die Anträge an den Bildungsausschuss zu überweisen, um dort diese Dinge weiter diskutieren zu können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion erhält jetzt Herr Abgeordneter Jost de Jager das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der FDPAntrag geht absolut in die richtige Richtung und deshalb unterstützen wir ihn; er bekräftigt im Wesentlichen, was auch die Union seit Jahren fordert: Keine Verlagerung von zusätzlichen Aufgaben in die Schulen hinein, ohne dass im Gegenzug zugleich die dafür erforderliche Zeit zur Verfügung gestellt wird.

Ziel muss es sein, möglich viel Zeit für den Unterricht zu reservieren, für die Arbeit in den Schulen und deshalb die Lehrkräfte von zusätzlichen Aufgaben schulorganisatorischer und schulverwaltungsmäßiger Natur freizuhalten. Hinzugekommen ist in den vergangenen Jahren übrigens, dass durch die Kürzung von Ausgleichsstunden haargenau die Zeitkontingente ge

kürzt wurden, die für die zusätzlichen außerunterrichtlichen Aufgaben eigentlich dringend benötigt werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die im FDP-Antrag genannten Punkte nennen dafür Beispiele, die ich nicht mehr näher beleuchten möchte, weil dies der Kollege Klug bereits getan hat. Ich möchte nur noch ein Wort zum Schul-TÜV sagen. Auch bei dem Kollegen Höppner hat man ja eben herausgehört, dass es in der Bildungspolitik der schleswig-holsteinischen SPD so eine Art Glaube an die magische Kraft der Evaluation gibt. Alles wird ständig evaluiert, sei es bei den Hochschulen, jetzt neuerdings bei den Schulen, und alle vergessen dabei, dass Evaluation auch Aufwand bedeutet. Insofern ist das haargenau ein wichtiger Punkt, der im Antrag auch genannt wird.

Auch die CDU-Fraktion ist für Schulleistungsvergleiche, nur wollen wir diese in einem anderen Verfahren. Dies kann durch Vergleichsarbeiten geschehen - wie es der Kollege Klug genannt hat -, das kann nach unserer Auffassung vor allem auch durch zentrale Abschlüsse geschehen. Das ist im Übrigen eine Praxis, die in etwa der Hälfte der Bundesländer, auch von SPD-regierten Bundesländern, angewendet wird. Bevor die Schulen zum TÜV geschickt werden, gehört die Schulpolitik zum TÜV. Dies zeigt sich auch beim Thema Aufgabenverlagerung in die Schulen hinein. Bestes Beispiel dafür ist übrigens der Änderungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; denn in Punkt 1 bekennen sich die SPD und die Grünen zu einer Priorität des Einsatzes von Lehrerinnen und Lehrern für die Unterrichtsversorgung und die pädagogischen Aufgaben. In Punkt 2 heißt es dann aber, dass selbstverständlich an der Politik einer erweiterten Eigenverantwortung der Schulen festgehalten werden soll.

Meine Damen und Herren, das muss auch noch von irgendjemandem geleistet werden. Deshalb geht es bei der Aufgabenverlagerung neben den Einzelbeispielen vor allem um die schulpolitische Frage, wie viel schulische Autonomie und in welchen Bereichen wir in Schleswig-Holstein wollen.

Der ursprüngliche Gedanke der Schulautonomie ist gewesen, die Arbeit der Schule zu verbessern und zu vereinfachen, aber nicht sie zu erschweren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Gegenteil ist dabei oft eingetreten. Nicht in allen, aber in den meisten Fällen bedeutet Autonomie für die Schulen und für die Lehrerinnen und Lehrer mehr Belastung.

(Jost de Jager)

Meine Damen und Herren, wo die Eigenverantwortung zu einer Flexibilisierung, zu einer Vereinfachung der Verwaltungsarbeit kommt, wird sie von den Schulen gewünscht und dort ist sie im Übrigen auch zu begrüßen. In anderen Bereichen vereinfacht sie die Arbeit aber mitnichten. Insofern bedarf es dringend einer Bestandsaufnahme über die Belastung von Lehrkräften durch außerunterrichtliche Aktivitäten und Arbeiten der Schulverwaltung.

Wir müssen dabei zwei Bereiche sehr sorgsam voneinander trennen. Auf der einen Seite zusätzliche Aufgaben im organisatorischen und administrativen Bereich, zum anderen im pädagogischen Bereich. Ich glaube, dass nach PISA niemand den Schulen versprechen kann, dass es in der kommenden Zeit nicht weitere pädagogische Aufgaben gibt, die die Schulen auch zu leisten haben. Das sehen die Lehrerinnen und Lehrer übrigens selber auch so. Wir müssen aber sicherstellen, dass die Pädagogen auch wirklich genügend Zeit für den pädagogischen Teil ihres Berufes haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb schlagen wir mit unserem Änderungsantrag vor, das Anliegen der FDP dahingehend zu ergänzen, dass der Bildungsausschuss, bevor das Ministerium den Bericht erstellt, eine Anhörung durchführt, bei der die Schulen und die Lehrerinnen und Lehrer sagen können, wo sie mehr Freiräume wünschen und welche Belastungen, die in der Vergangenheit auf sie zugekommen sind, sie am meisten drücken; denn ein Teil des Problems besteht doch darin, dass viele Lehrkräfte mittlerweile mit der Autonomie nur die Vorahnung verbinden, dass die Leute in Kiel lauter gute Ideen haben, die die Lehrerinnen und Lehrer vor Ort ausbaden müssen. Deshalb ist es nur folgerichtig, vor einem weiteren Bericht aus Kiel die Lehrkräfte und die Schulen selber anzuhören.

Darüber hinaus möchten wir eine Idee aufnehmen, für die wir gar nicht das Copyright beanspruchen, sondern die die Bildungsministerin selbst schon einmal gehabt hat, nämlich die Idee eines Konnexitätsprinzips bei der Verlagerung weiterer organisatorischer und Verwaltungsaufgaben in die Schulen hinein, ein Konnexitätsprinzip, wie wir es übrigens bei den Kommunen kenne.

In dem Zusammenhang darf ich sie, Frau Ministerin, mit einer Äußerung vom 26. November 1998 zitieren das war ganz zu Beginn Ihrer Amtszeit; da haben Sie an alle Lehrkräfte geschrieben -:

„Meine öffentliche Erklärung, dass es zukünftig zu weiteren Belastungen nur kommen darf, wenn es Entlastungen an anderer Stelle

gibt, ist sehr ernst gemeint. Ich stehe mit dieser Aussage bei Ihnen im Wort.“

(Gero Storjohann [CDU]: Hört, hört!)

Hier wollen wir Sie, Frau Erdsiek-Rave, auch tatsächlich beim Wort nehmen; wir wollen, dass das, was Sie damals gesagt haben, auch Wirklichkeit wird. Deshalb wollen wir, dass Ihr Ministerium prüft, ob man solch ein Konnexitätsprinzip nicht in das Schulgesetz aufnehmen kann. Das Thema Aufgabenverlagerung in die Schulen hinein schwelt seit Jahren. Wir sollten den FDP-Antrag zum Anlass nehmen, das Thema sehr umfassend und komplex aufzuarbeiten, um zu echten Lösungen im Sinne der Schule kommen zu können.

(Beifall bei CDU und FDP)