Protocol of the Session on March 21, 2002

(Beifall - Zuruf des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP] - Heiterkeit)

- Das Präsidium würde gerne die Freude teilen, wenn wir den Grund erfahren könnten.

Bevor wir dazu kommen, möchte ich - drittens - für die Beratung auf Folgendes hinweisen: In Kurzform hat die Fraktion der FDP beantragt, der Regierung zu empfehlen, im jetzigen Stadium der Gesetzesinitiative zur Zuwanderung im Deutschen Bundesrat nicht zuzustimmen. Das heißt: Die FDP empfiehlt im jetzigen Stadium Nichtzustimmung. Die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfehlen mit ihrem Änderungsantrag Zustimmung. Wäre es möglich, dass sich die Fraktionen dazu äußern, ob sie sich auch alternative Abstimmung vorstellen könnten? Denn ansonsten würde der Änderungsantrag, gegebene Mehrheit unterstellt, den Ursprungsantrag in sein totales Gegenteil verkehren. Ich bitte das in die Beratung mit einzubeziehen und zu erkennen zu geben, ob man sich mit alternativer Abstimmung einverstanden erklären könnte.

Dies vorausgeschickt, erteile ich jetzt für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Peter Puls das Wort.

(Zurufe von der SPD: Klaus-Peter Puls! - Klaus Schlie [CDU]: So viel Zeit muss sein!)

- Es erscheint derselbe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Name ist Klaus-Peter Puls.

(Heiterkeit und Beifall - Klaus Schlie [CDU]: „Klaus“ ist ganz besonders wichtig!)

Ich erkläre mich für die SPD-Landtagsfraktion mit dem vom Präsidenten vorgeschlagenen Verfahren der alternativen Abstimmung einverstanden.

Nach Artikel 1 unseres Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar, und zwar nicht nur die Würde des deutschen Menschen. Die in den letzten Monaten in Deutschland zelebrierte Zuwanderungsdebatte ist aus unserer Sicht ein unwürdiges parteipolitisches Gezerre auf dem Rücken ausländischer Mitbürger.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir halten nichts davon, dies nun auch noch im Schleswig-Holsteinischen Landtag fortzusetzen, und danken deshalb auch dem Kollegen Hildebrand für seinen sachlichen Beitrag. Wir wollen keine neuerliche parteipolitische Auseinandersetzung über die Frage Zuwanderung - ja oder nein oder wie oder wie nicht, zumal im Landtag eine eindeutige Beschlusslage besteht. Am 18. Mai 2000 hat sich dieses Landesparlament mit großer Mehrheit für ein Einwanderungsgesetz ausgesprochen, das das Zuwanderungsverfahren reguliert und vereinfacht, das die Trennung von Asylverfahren und allgemeiner Zuwanderung zum Ziel hat, das den Zugang der Einwanderer zu integrierenden Maßnahmen erleichtert, das die demographische Entwicklung in Betracht zieht, das die aktuelle Situation und die kurz- und längerfristige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland berücksichtigt, das eindeutige Regelungen für den Familiennachzug umfasst und das humanitäre Gesichtspunkte einbezieht. Antragstellende und den Beschluss tragende Fraktionen waren damals die SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Abgeordneten des SSW und die FDP.

Morgen, am 22. März 2002, liegt dem Bundesrat unter Tagesordnungspunkt 8 ein Einwanderungsgesetz vor, das all diesen Punkten, die wir seinerzeit mit der FDP zusammen eingebracht haben, voll entspricht. Und da kommt nun ausgerechnet die FDP einen Tag vorher daher und will die Landesregierung auffordern, diesem endlich abstimmungsreifen Gesetz im Bundesrat die Zustimmung zu versagen.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich! - Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist superliberal!)

Wir weisen das Ansinnen der FDP zurück,

(Beifall bei der SPD)

(Klaus-Peter Puls)

und zwar mit dem ersten Satz, den die FPD selbst in die Begründung ihres Antrages geschrieben hat - ich zitiere -:

„Die Regelungen im Zuwanderungsgesetz, welche am 1. März 2002 im Deutschen Bundestag verabschiedet wurden, sind überwiegend positiv.“

Mit dieser Begründung, meine Damen und Herren, können Sie ruhigen Gewissens alle dem von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Änderungsantrag zustimmen, der da lautet: Der Landtag bittet die Landesregierung, dem Gesetz zur Zuwanderung im Deutschen Bundesrat zuzustimmen. Gleichzeitig bittet er die Landesregierung, mit dem Bund in Verhandlungen über eine die Länder entlastende Regelung zur Übernahme der Integrationskosten, Sprachkurse et cetera, zu treten. - Das ist unser Antrag.

Wegen der Integrationskosten, meine Damen und Herren von der FDP, und der in Ihrem Antrag angesprochenen Niederlassungserlaubnis für Hochqualifizierte muss und darf die Verabschiedung des Gesetzes nicht noch weiter verzögert und durch unmittelbare zeitliche Nähe zur Bundestagswahl möglicherweise in Gänze gefährdet werden.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen dieses Zuwanderungsgesetz, um den wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen Deutschlands gerecht zu werden, aber auch, um unseren humanitären und völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Wir brauchen dieses Zuwanderungsgesetz, um hochqualifizierte Arbeitskräfte für Arbeitsplätze zu gewinnen, die trotz hoher Arbeitslosigkeit im Inland zurzeit nicht besetzt werden können. Dies schafft neue Arbeitsplätze und erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft, und wir brauchen dieses Zuwanderungsgesetz, um die Integration der nach Deutschland zugewanderten Menschen endlich wirksam und rechtsverbindlich steuern zu können. Wir brauchen dieses Zuwanderungsgesetz so schnell wie möglich, wir brauchen es jetzt. Sie sollten deshalb unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind sehr einverstanden mit der alternativen Abstimmung und werden dem Antrag der Freien Demokraten zustimmen. Es gibt viele Gründe, dieses Zuwanderungsgesetz in dieser Form abzulehnen. Ich will die wichtigsten in Kürze an dieser Stelle nennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es besteht Einigkeit in Deutschland über alle politischen Parteien darüber, dass wir für die gerade eben auch vom Kollegen Puls genannten Hochqualifizierten durchaus eine ordentliche gesetzliche Regelung brauchen. Es besteht Einigkeit darüber, dass das Grundrecht auf Asyl und die völkerrechtlichen Verpflichtungen, die wir in der Genfer Konvention eingegangen sind, einzuhalten sind. Darüber hinaus sollten wir uns aber Klarheit darüber verschaffen, welche Form der Zuwanderung und in welchem Umfange wir uns eine Zuwanderung in Deutschland leisten können und in welchem Umfange sie richtig ist.

Ich möchte an der Stelle darauf aufmerksam machen, dass viele Staaten dieser Welt, klassische Einwanderungsländer wie die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Australien, seit langen Jahren Zuwanderungsgesetze haben. All diese Gesetze sind aus gutem Grunde Zuwanderungsbegrenzungsgesetze. Deswegen müssen wir dies auch in Deutschland vornehmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn hier jetzt schon Oskar Lafontaine zitiert worden ist, dem man sich nur voll und ganz anschließen kann, dann möchte ich die Sozialdemokraten noch einmal auf die Situation 1973 hinweisen, als Willi Brandt Bundeskanzler war und bei einer Arbeitslosigkeit von 1 Million und Ausländern in Deutschland in einer Zahl von knapp 400.000 gesagt hat: Wir brauchen einen Anwerbestopp. Wenn das damals richtig war, und es war damals richtig, dann brauchen wir heute bei 4,3 Millionen Arbeitslosen und etwa 7 Millionen Ausländern in Deutschland erst recht einen Anwerbestopp. Wir brauchen keine weitere Belastung unserer Sozialversicherungssysteme und der Arbeitsplätze in Deutschland. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Puls, weil Sie das in Ihrer Rede auch drin hatten, diesen Aspekt, jedenfalls formal, möchte ich an der Stelle sagen: Auf diesem Gesetz steht als Etikett „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“, nur der Inhalt ist ein anderer.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

(Dr. Johann Wadephul)

Tatsächlich gibt es gerade im Bereich des Arbeitsmarktes eine weitere Zuwanderung, und deswegen weise ich den Vorwurf zurück, hier würde billige Parteipolitik betrieben. Es ist das sachliche Anliegen insbesondere der Arbeitslosen in Deutschland, dass wir auf diesen Punkt deutlich hinweisen. Diese Auseinandersetzung werden wir Ihnen im Bundestagswahlkampf auch nicht ersparen. Darüber wird spätestens am 22. September abgestimmt, und ich bin ganz sicher, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung da ganz klar auf unserer Seite steht.

(Beifall bei der CDU)

Ich will an dieser Stelle noch einmal auf den Aspekt der Integration hinweisen. Sie wissen, dass wir an vielen Stellen, in diesem Hause auch im Innen- und Rechtsausschuss, häufig über Integration miteinander geredet haben. Es besteht auch im Grunde Einigkeit unter uns darüber, dass wir in vielen Bereichen große Integrationsdefizite haben. Deswegen bin ich der Auffassung, bevor wir jetzt weitere Ausländer nach Deutschland holen, sollten wir uns erst einmal darum kümmern, dass diejenigen, die hier sind, komplett integriert werden. Da haben wir noch eine ganze Menge zu tun.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen weitere Probleme darin, dass durch die generelle Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung die Zahl der Flüchtlinge entgegen den Behauptungen der Bundesregierung in einem kaum nachprüfbaren Umfang steigen wird. Dies wird eine weitere riesige Gesetzeslücke werden. Die geplante Härtefallregelung belohnt diejenigen, die sich hartnäkkig einer Abschiebung nach einem rechtskräftig abgelehnten Asylantrag widersetzen, und erweitert die Möglichkeiten zum Asylmissbrauch. Darauf hat der Bundesinnenminister mehrfach hingewiesen, dass wir in Deutschland die höchste Rate derjenigen haben, die in einem Asylverfahren letztlich abgelehnt werden. Es ändert an dem Problem überhaupt gar nichts, wenn wir für weitere gesetzliche Unklarheiten sorgen, wenn wir eine gesetzliche Regelung treffen, die über die Genfer Flüchtlingskonvention weit hinausgeht. Dafür gibt es keinen Anlass. Wir sollten an der Stelle das Grundrecht wahren und jeden Asylmissbrauch ganz klar bekämpfen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will zur Frage der demografischen Entwicklung nur einen Satz sagen. Wir werden die demografischen Probleme in Deutschland, die unbestritten sind und die große Folgen für die Sozialversicherungssysteme haben, nicht dadurch beheben, dass wir immer mehr

Zuwanderung nach Deutschland ermöglichen, sondern dadurch, dass wir eine kluge und sinnvolle Familienpolitik machen, die die Menschen ermutigt, sich wieder für Kinder zu entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass ich mit großen Sorgen - und das sage ich gar nicht mit vordergründigem parteipolitischen Interesse - der heutigen Nacht und den Verhandlungen des Herrn Bundeskanzlers mit den A-Ländern entgegen sehe. Wenn ich die jüngsten dpa-Meldungen sehe, dass hier wiederum, wie schon bei der Steuerreform, Herr Schröder es für richtig hält, mit dem Geldbeutel zu winken, das läuft letztlich auf Bestechung hinaus. Wenn wir so in Deutschland Politik machen, dass die Zustimmung einiger Bundesländer dadurch erkauft wird, dass die Bundesregierung ihre gesetzlich geschuldete bundesstaatliche Verantwortung davon abhängig macht, dass im Zuwanderungsbereich zugestimmt wird, dann verlottern an der Stelle die politischen Sitten. Wenn der Bundeskanzler so weiter macht, dann demontiert er auf diese Art und Weise auch den Bundesrat und unser föderalistisches System. Ein abschreckendes Beispiel!

(Beifall bei der CDU)

Ich darf dann für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich das Wort erteilen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der morgigen Bundesratssitzung könnte ein langer Prozess beendet werden, an dessen Ende die Gestaltung des Einwanderungslandes Deutschland steht. Mit der Einbringung eines Einwanderungsgesetzes 1991 im Bundestag hat BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als erste politische Kraft die Initiative angeschoben, Einwanderung gesetzlich zu regeln, das Asylrecht zu sichern und die Integration zu fördern. Dies ist der Beginn auf dem Weg zur vollen rechtlichen und sozialen Gleichstellung von Migranten und Flüchtlingen in Deutschland.

Der jetzt zur Verabschiedung im Bundesrat anstehende Gesetzentwurf läutet in vier zentralen Punkten einen von uns seit Jahren befürworteten Paradigmenwechsel ein. Erstens, der deutsche Arbeitsmarkt wird auf gesetzlicher Grundlage geöffnet für eine Arbeitskräftezuwanderung sowie für den Zugang von Selbstständigen und Studierenden, wobei ich nicht versäumen möchte, auf die Zweischneidigkeit genau dieser Regelung hinzuweisen. Es ist nämlich die Frage, ob nicht

(Irene Fröhlich)

genau die Länder, aus denen wir Leute anwerben wollen, diese qualifizierten Kräfte selbst dringend brauchen. Deswegen kann ich an der Stelle auch dem FDP-Antrag nicht zustimmen, das noch weiter herabzusetzen. Die andere Frage ist, ob Länder, die wir jetzt ansprechen, überhaupt Deutschland für eine Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen, denn das wäre ja dann der Punkt, überhaupt attraktiv genug finden. Ich bezweifele das.

Insofern hat hier eher die Begrenzung gewirkt. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir Grüne der Umsetzung dieses Gesetzes mit einem lachenden und einem weinenden Auge zustimmen. Ich komme später noch darauf zurück.