Protocol of the Session on March 20, 2002

Die Fülle des Materials, die wir mit diesem Bericht bekommen haben, gibt mir nur noch die Möglichkeit zu einem kurzen Ausflug in den Justizvollzug. Seit 1996 sind die Widerrufe und Rücknahmen von Freigängen rückläufig. Erfreulich ist ebenso die Entwick

(Silke Hinrichsen)

lung der Zahlen bei den Entweichungen und Ausbrüchen sowie der geringe Prozentsatz von Nichtrückkehrfällen aus Beurlaubungen seit 1991. Dies zeigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Justizvollzug hinsichtlich der Prognoseentscheidungen sicher sind, dass die Resozialisierung durch diese Maßnahmen gerechtfertigt ist.

Bei den beabsichtigten Investitionen im Justizvollzug ist erfreulich, dass der Neubau für ein Arbeitsgebäude in Flensburg vorgezogen wird, sodass der eklatante Raummangel behoben werden kann. Auch der Neubau in Neumünster wird vorgezogen, kommt aber der Jugendanstalt nicht gleich vollständig zugute, da hier Ausweichplätze für die JVA Kiel benötigt werden.

Für den Bereich der Gerichtshelfer und Bewährungshelfer zeigt der Bericht einen erheblichen Arbeitsanfall und damit hohe Belastungen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf. Dabei gibt es nicht nur eine zahlenmäßige, sondern auch eine inhaltsmäßige Steigerung der Arbeitsaufgaben in beiden Bereichen. Ich wollte dem Kollegen Hildebrand sagen, dass das im Bericht schon drinsteht. Die Justizministerin hat nämlich offen Auskunft darüber erteilt, was dort los ist.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Lothar Hay [SPD]: Der liest den Bericht jetzt noch ein- mal!)

- Das wäre schön. Das hilft vielleicht etwas.

In dem Bereich sehe ich aber ein kleines Problem. Das Ministerium möchte nämlich durch einen Prozess der Qualitätssicherung und -entwicklung als Instrument der Straffälligenhilfe auf die gestiegene Arbeitsbelastung reagieren. Ich frage mich allerdings, ob diese Maßnahme nicht auch dazu beiträgt, die Situation eher zu verschlimmern. Denn es sollen dabei die Haushaltslage berücksichtigt, die Wirkungsmechanismen nachgewiesen und auch noch einheitliche und verbindliche Standards entwickelt werden. Hinzu kommt - das ist sicherlich erfreulich -, dass auch die Gerichtshelfer und Bewährungshelfer mit moderner IT-Technologie ausgestattet werden sollen. Ich frage mich aber, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies alles noch bewältigen sollen, wenn es neben der normalen Arbeit geschehen soll.

Bei den Gerichtsvollzieherinnen und -vollziehern ist es begrüßenswert, dass das Ministerium auf die Änderung der Aufgaben der Gerichtsvollzieher mit einer Personalvermehrung reagiert hat. Die Zahl der Vollstreckungsaufträge ist zwar zurückgegangen. Aber die Hälfte der Aufträge ist mit dem weiteren Auftrag zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verbunden,

was zu Mehrarbeit führt. Die Pensen konnten gehalten werden; das finde ich ausgesprochen erfreulich.

Die in dem Bericht angesprochene Privatisierung dieser Aufgabe lehnen wir ab, zum einen wegen der im Bericht schon genannten Verteuerung für die Gläubiger, zum anderen aber deshalb, weil wir gerade in diesem Bereich geschulte und ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigen, die in der Lage sind, die Rechtmäßigkeit ihres Handelns vorher zu überprüfen und gegebenenfalls Aufträge abzulehnen.

Der durchschnittliche Anteil an Frauen im Justizbereich ist erfreulich, aber bei den Führungspositionen natürlich auch verbesserungsfähig.

(Thorsten Geißler [CDU]: Sehr richtig!)

Die Arbeitsgerichte haben durch ihren besseren Frauenanteil eine echte Vorbildfunktion. Dort gibt es Bereiche, in denen zum Teil eine hundertprozentige Frauenquote erreicht wird. Ich frage mich, ob man nicht einmal nachforschen sollte, woran dies liegt, sodass die guten Arbeitsbedingungen, die bei den Arbeitsgerichten wohl herrschen, auf andere Bereichen übertragen werden könnten. Gleichzeitig könnte überlegt werden, wie man diese Arbeitsplätze für Männer attraktiv macht.

Ein weiterer Bereich, in dem der Gender-Gedanke weiter verbreitet werden könnte, sind Beurlaubungen und Teilzeitbeschäftigung bei Richterinnen und Staatsanwältinnen. Diese Möglichkeiten werden laut Bericht zurzeit nur von Frauen genutzt.

Bei der Juristenausbildung besteht vor allem das Problem, dass die Wartezeiten für ein Referendariat zu lang sind. Schleswig-Holstein nimmt hier einen Mittelfeldplatz ein. Bedauerlicherweise wird die Praxis aus den anderen Bundesländern übernommen, unter anderem um die Warteliste zu kürzen und Geld zu sparen. Seit 2002 werden Referendarinnen und Referendare in der Justiz nicht mehr in das Beamtenverhältnis übernommen, sondern sie erhalten eine Unterhaltsbeihilfe. Gerade an diesem Punkt zeigt sich, dass die angestrebte umfassende Veränderung der Juristenausbildung nun endlich in Gang kommen muss, statt sie nur an kleinen Punkten durchzuführen und sich dabei insbesondere am Geld zu orientieren. Es wäre doch wohl sinnvoller, vielleicht insgesamt, zumindest aber im Hinblick auf den zweiten Ausbildungsabschnitt über Veränderungen nachzudenken.

Abschließend möchte ich noch auf die Verfahrensdauern bei Berufungen eingehen - einige Kolleginnen und Kollegen sind darauf eingegangen -, die, insbesondere was Zivilsachen angeht, bei uns wesentlich länger sind als im Bundesdurchschnitt. Nach meinen persönlichen Erfahrungen ist es tatsächlich so - da möchte ich der

(Silke Hinrichsen)

Justizministerin gerne Recht geben -, dass Berufungen in Schleswig-Holstein häufig mit der Bitte der Anwälte um Fristverlängerung beginnen. Diese werden auch großzügig durch die Gerichte gewährt; das muss ich gleich dazu sagen. Das ist meiner Ansicht nach ein großes Entgegenkommen, auch was die Arbeitsbelastung der Anwältinnen und Anwälte angeht.

(Zuruf des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

- Ich habe dort noch kein Verfahren geführt. Ich kenne es zum Teil von den Amtsgerichten, dass Anträge auf Fristverlängerung von den Richterinnen und Richtern positiv beantwortet werden. Daher kann man den Richterinnen und Richtern nicht anlasten, sie arbeiteten nicht schnell genug; das möchte ich hier ausdrücklich sagen.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte nochmals allen Beteiligten, insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, für diesen Bericht danken; denn er ist wirklich sehr ausführlich. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir diesem Bericht genauso viel Aufmerksamkeit zukommen ließen wie dem Bericht zur Großen Anfrage betreffend die Polizei, das heißt, wenn wir ihn abschnittsweise im Innen- und Rechtsausschuss erörtern könnten.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Antwort der Landesregierung im Innen- und Rechtsausschuss - ich schlage vor: zur abschließenden Beratung - zu behandeln. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich möchte jetzt auf der Tribüne neue Besuchergruppen begrüßen, und zwar die Besuchergruppe der Marinewaffenschule Kappeln, 3. Inspektion, und die Besatzung des Unterseebootes 18, Eckernförde.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

SPNV-/ÖPNV-Maßnahmen zur Minderung des motorisierten Individualverkehrs im holsteinischen Teil der Metropolregion Hamburg

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1594

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eichelberg.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Regionalen Entwicklungskonzepts 2000 für die Metropolregion Hamburg durch die Landesregierungen von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden die Zielsetzungen für die planmäßige Entwicklung des Wirtschaftsraumes der Metropolregion Hamburg festgelegt. Wichtigste Basis für die Entwicklung dieses Wirtschaftsraumes ist eine bedarfsgerechte Infrastruktur und deren Ausbau.

Wir alle wissen von den starken jährlichen Zuwachsraten beim Transitverkehr, der durch unser Land führt und um Hamburg herumgeschleust werden muss. Es war immer von 5 % pro Jahr die Rede. Aber die neue Prognosestudie, die für den Bundesverkehrswegeplan erstellt worden ist, zeigt, dass der Umfang des Transitverkehrs bis zum Jahre 2015 um über 100 % steigen soll.

Wir alle wissen von den bahn- und straßenverkehrlichen Engpässen im Hamburger Raum schon seit vielen Jahren. Wir alle wissen aber auch von den starken Pendlerströmen, die immer intensiver werden. Pro Tag wechseln mehrere hunderttausend Menschen zwischen Hamburg und unserem Land.

Wir alle wissen auch, dass der tägliche motorisierte Individual-, Quell- und Pendlerverkehr für den Transitverkehr die wichtigsten Abschnitte der Autobahn blockiert. Wesentlich dramatischer ist die Situation in den Urlaubszeiten. So mancher Feriengast, der zu seinem Urlaubsziel in Schleswig-Holstein will, wird schon verzweifelt sein, bevor er dort angekommen ist.

Wir wissen aber auch von den schlechten Bahnverbindungen auf den Hauptstrecken, die von der DB AG noch weiter verschlechtert werden, weil versucht wird, Fern- und Güterverkehre zu streichen.

All diese Missstände kennen wir und diskutieren wir seit langer Zeit im Landtag. Wir sind uns mit dem Verkehrsminister darin einig, dass dies nicht hinnehmbar ist. Nur, meine Damen und Herren, die Kenntnis der Schwächen sowie der Gefahren durch das zukünftige Verkehrsaufkommen und auch die Definition

(Uwe Eichelberg)

von Zielen nützen nichts, wenn wir nicht intensiver an die harten Faktoren der Umsetzung herangehen.

(Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU])

Da nützt es nichts, dass wir mit dem Landesweiten Nahverkehrsplan einen weiteren Service anbieten wollen. Das ist wichtig und schön; wir freuen uns auch darüber. Wichtiger aber sind die harten Faktoren, die ich angesprochen habe.

Gleichzeitig liest man in der Zeitung, dass es Niedersachsen wieder einmal gelungen ist, dass dort das dritte Gleis von Lüneburg nach Hamburg gebaut wird. Wir in Schleswig-Holstein dagegen haben noch nicht einmal die Planung dafür auf den Weg gebracht. Das ärgert mich, weil wir eigentlich wissen, was wir haben wollen und was wir haben müssen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist schön und wir nehmen auch dankbar zur Kenntnis, wenn hie und da ein Dorf wieder an unser Schienennahverkehrsnetz angeschlossen wird. Aber dies nützt nichts, wenn in wichtige Regionen, wie zum Beispiel im Raum Glinde - Neuschönningstedt bei Hamburg, den ich schon mehrfach angesprochen habe und in dem nach Angaben der Landesregierung über 6000 Fahrgäste pro Jahr für die Bahn gewonnen werden könnten, überhaupt nichts angepackt wird. Das brächte doch in dieser Situation viel mehr.

Herr Minister, wir nehmen mit Freude entgegen, dass der HVV ausgeweitet wird. Wir sind auch erfreut über den integralen Taktfahrplan. Aber was nützt es, wenn auf den gleichen Strecken uralte Lokomotiven fahren, die den Fahrplan immer wieder durcheinander bringen, und das angestrebte Ziel nicht erreicht werden kann?

Meine Damen und Herren, wir glauben, um das Ganze zu intensivieren, brauchen wir ein Schwerpunktzentrum der Ministerien, am besten zwischen den Ländern Schleswig-Holstein und Hamburg abgestimmt, ein wirksames Koordinierungsbüro. Das braucht ja nicht mit vielen Menschen ausgestattet zu sein, aber zumindest muss dort etwas zusammengefasst werden, damit diese harten Verkehrsinfrastrukturprojekte vorangetrieben werden können. Eine 20-Prozent-Planstelle im Landwirtschaftsministerium reicht nicht. Das ist der Aufgabe nicht angemessen, und die entsprechende Person würde sich auch überfordert fühlen.

(Konrad Nabel [SPD]: Quatsch!)

So fordern wir heute - hoffentlich gemeinsam, wie immer bei bahnpolitischen Themen -, dass sich die Landesregierungen von Hamburg und SchleswigHolstein gemeinsam mit den Tochtergesellschaften der Bundesbahn zusammensetzen und die Dinge zwingend

voranbringen, wie wir sie auch auf Länderebene vorantreiben wollen. Dazu zählen nicht nur Appelle, die AKN möge zu Weihnachten auch einmal nach Hamburg durchgeleitet werden, sondern es müssen harte Fakten auf den Tisch, damit die AKN bis zum Hamburger Hauptbahnhof durchfahren kann. Diese Maßnahmen müssen angepackt werden, weil sie nämlich mit erheblichen Investitionen verbunden sind. Dazu gehört auch das dritte Gleis von Elmshorn nach Hamburg Hauptbahnhof. Es nützt überhaupt nichts, wenn wir diskutieren und uns vor Ort immer wieder aufblasen, jeder für seine Partei, wenn aber nichts passiert, nichts umgesetzt wird. Wir hören, dies hänge davon ab, ob eine feste Fehmarnbelt-Querung kommt. Ich muss sagen: Das hat überhaupt nichts damit zu tun. Genauso muss die Schaffung eines Schnellbahnanschlusses von Pinneberg zum Hauptbahnhof nach dem Modell des regionalen Jungfernstiegexpress - insoweit wurden ja Modelle aufgezeigt - überhaupt einmal diskutiert werden, und genauso ist die Aufnahme der Planfeststellung für das dritte S-Bahn-Gleis von Hamburg nach Ahrensburg voranzubringen.

Herr Nabel, Sie wissen ja, dass wir uns schon seit drei Wahlkämpfen den Kremerberg vornehmen, dass aber trotzdem nichts passiert. Wir nehmen das Thema auch in den nächsten Wahlkampf und versprechen wieder dasselbe, bloß es kommt nichts dabei heraus.