Protocol of the Session on March 20, 2002

Die Landesregierung fördert darüber hinaus auch außergerichtliche Verfahren zur Streitbeilegung. Insbesondere beim Täter-Opfer-Ausgleich ist SchleswigHolstein bundesweit ein Vorreiter. Der Täter-OpferAusgleich ist nicht nur eine Alternative zu Freiheitsstrafen im Bereich der kleinen und mittleren Kriminalität und damit eine Entlastung des Justizvollzugs, sondern er trägt auch dem Interesse des Opfers an Wiedergutmachung des erlittenen Schadens Rechnung und führt dem Täter die Folgen seines Handelns vor Augen. Solche Ansätze bewirken sicherlich mehr bei Straffälligen als der gewöhnliche Strafvollzug.

Die engagierte Umsetzung des Gesetzes zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs durch die Landesregierung spiegelt sich in gestiegenen Fallzahlen von über 700 im Jahr 1998 auf 1.145 Fälle im Jahr 2000 wider. Ich kann die Justizministerin nur dazu ermuntern, auf diesem Weg fortzufahren. Allerdings lohnt sich auch, in das uns heute zugegangene himmelblaue Heftchen des Vereins für Bewährungs- und Straffälligenhilfe zu schauen. Da sagen die Praktiker, die mit dem Täter-Opfer-Ausgleich praktisch umgehen: Vorsicht, Vorsicht! Wir könnten zu prozentual noch besseren Ergebnissen kommen, wenn schon bei der Staatsanwaltschaft klarer ermittelt würde und klarer festgestellt würde, welche Fälle sich denn wirklich für den Täter-OpferAusgleich eignen. Dazu gibt es inzwischen auch schon feststehende Erfahrungen, die wir uns auch zunutze machen sollten. Aber das alles kann noch im Innenund Rechtsausschuss diskutiert werden. Das finde ich auch besonders spannend.

Gerade weil wir das Verfahren Täter-Opfer-Ausgleich besonders unterstützen wollen und für besonders wichtig halten, finde ich es auch hier richtig, genau hinzugucken, was wir eigentlich tun, wie wir es tun

und wie wir es denn gegebenenfalls verbessern können.

Nicht ganz so erfreulich sind die Erfahrungen mit dem Adhäsionsverfahren. Trotz vielfältiger Bemühungen konnte sich dieses Verfahren, bei dem der Schadenersatz an das Strafverfahren gekoppelt werden kann, nicht durchsetzen. Prinzipiell erscheint dieser Ansatz jedoch sehr sinnvoll, steht doch auch hier der Opferschutz im Vordergrund des Verfahrens.

Ich kann auch an dieser Stelle die Landesregierung nur ermuntern, an der Weiterentwicklung und Verbesserung des Verfahrens weiter zu arbeiten. Aber das wird sicherlich etwas schwieriger sein, jedenfalls soweit ich das erkennen kann.

Nicht angesprochen wurde in der Großen Anfrage das vorrangige Jugendverfahren, das aber in diesem Zusammenhang auch zu nennen ist. Bei der heutigen Debatte zur Straffälligkeit von Kindern und Jugendlichen ist es kurz angeklungen. Ich habe es in meiner Rede leider vergessen. Darum ist es mir ganz recht, dass ich es hier noch einmal einbringen kann. Das vorrangige Jugendverfahren hat sich aus meiner Sicht sehr bewährt. Wir sollten es wirklich landesweit ausdehnen. Dazu müsste man dann auch noch einmal Herrn Wille hören.

(Thorsten Geißler [CDU]: Das kann man ma- chen!)

Denn in Lübeck wollen wir auch gern dazu kommen, dass dies dann wirklich auch das Regelverfahren ist, das angewandt wird, wenn Jugendliche straffällig geworden sind.

Die Vorrangigkeit ist an dieser Stelle also eine wichtige Schwerpunktsetzung. Auch das gehört aus meiner Sicht zur Modernisierung, nämlich Klärung dessen, was Priorität haben muss. Jugendverfahren müssen dann sicherlich Priorität haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Strafvollzug mit all seinen Problemen, wie sie die Liste der Fortbildungsmaßnahmen für Gerichts- und Bewährungshelferinnen und -helfer auf Seite 91 der Antwort widerspiegelt, kann nicht mit einfachen Lösungen arbeiten. Von EDV über Schuldnerberatung, Drogenabhängigkeit, Sexual- und Gewaltproblematik bis hin zu Themen wie Qualitätssicherung und Datenschutz sind Themen, mit denen die Helferinnen und Helfer zu tun haben.

Ich kann die Landesregierung auch hier nur darin bestärken, einen Strafvollzug weiter zu fördern, der differenzierte Ansätze verfolgt und auf Resozialisierung setzt. Ziel muss es sein - in jeder Strafvollzugseinrichtung; nicht nur in Lübeck -, Strafgefangene

(Irene Fröhlich)

wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Einfache Lösungen gibt es hierfür nicht - nirgendwo.

An dieser Stelle möchte ich den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern für ihr wichtiges Engagement in diesem Bereich danken. Sie ermöglichen den Gefangenen den Kontakt zur Außenwelt und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Integration in den Alltag jenseits des Strafvollzuges. Dafür haben sie unsere volle Anerkennung verdient.

Zu einer modernen Justiz gehört schließlich auch, dass beide Geschlechter in gleicher Weise vertreten sind. Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist gerade in diesem Bereich sehr wichtig. Die Männerdomäne Justiz hat sich in den letzten Jahrzehnten für die Frauen geöffnet und der Frauenteil beim Richterdienst und bei den Staatsanwaltschaften ist auch in den vergangenen sechs Jahren weiter gestiegen. Das ist ein erfreulicher Trend.

Insgesamt bleibt festzuhalten: Trotz knapper Kassen kommt die Modernisierung der Justiz voran. Sicherlich sind in vielen Bereichen noch keine Idealzustände erreicht worden, aber die Landesregierung ist auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass Sie hier sind, um der Stellungnahme unserer Fraktion zur Antwort zu lauschen. - Sehr schön; vielen Dank an Sie alle.

(Thorsten Geißler [CDU]: Wir sind ganz Ohr!)

Bei der Vorbereitung für unseren heutigen Meinungsaustausch habe ich mir zunächst noch einmal die Debatte zur letzten Großen Anfrage im Jahre 1995 angesehen. Damals mussten die Parlamentarier um viele der wichtigsten Zahlen kämpfen. Die standen nämlich leider nicht direkt in der Antwort der Landesregierung und mussten dem Justizminister sehr langsam aus der Nase gezogen werden. Das ist heute glücklicherweise anders.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke deshalb allen Beteiligten für die Arbeit, die sie sich mit dieser Antwort gemacht haben, und für die umfangreiche Stellungnahme. Vielen Dank!

(Beifall beim SSW)

Die Kernfragen bei der Situation der Justiz sind natürlich weiterhin die Arbeitsbelastung der Justiz und die daraus folgenden Konsequenzen für die Bevölkerung. Es geht besonders um die Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger mit einer zügigen Bearbeitung ihrer Anliegen rechnen können.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage zeigt, dass die durchschnittliche Dauer eines gerichtlichen Verfahrens in Schleswig-Holstein etwas länger ist als im Bundesvergleich - mit Ausnahme beim Finanzgericht und beim Verwaltungsgericht.

Bei genauerem Hinsehen offenbart sich aber auch, dass dies seine Ursachen in örtlichen Gegebenheiten haben kann. Im Prinzip ist es so, dass der Unterschied im Bundesvergleich sehr gering ist.

Wichtig ist für uns, dass auch der Personalstamm im Bereich der nicht richterlichen Tätigkeiten gehalten beziehungsweise verbessert wird, um auch so die etwas längere Verfahrensdauer zu verkürzen; denn wenn in diesem Bereich ein Ausfall zum Beispiel aufgrund von Krankheit erfolgt, kann die Arbeitsbürde nicht weiter verteilt werden. Wie sich auch aus dem Pensenschlüssel ergibt, sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits mehr als voll ausgelastet.

Während es im Jahr 1995 noch so aussah, als würde die Streitlust der Menschen stetig steigen, zeigt die vorliegende Statistik, dass sich dies in den letzten Jahren nicht fortgesetzt hat. Die Eingangszahlen bei den Amtsgerichten - ohne Mahnverfahren - gehen zurück. Auch beim Landgericht sind die Eingangszahlen nicht im selben Maße gestiegen, wie die Eingänge bei den Amtsgerichten zurückgegangen sind. Die Streitlust ist also wirklich gebremst.

Wir erwarten deshalb mit Spannung, wie die Entwicklung hier angesichts des neu eingeführten Schlichtungsverfahrens weitergehen wird. Dies dürfte ja möglicherweise zu einer weiteren Entlastung in diesem Bereich führen.

Zu dieser Entwicklung kommt noch sehr positiv hinzu, dass gerade bei den Amtsgerichten die Anzahl der Erledigungen durch Vergleiche im Verhältnis zu den Eingangszahlen gestiegen ist. Auf diese Weise können Streitigkeiten beim Amtsgericht auf eine für alle Beteiligten befriedigende Weise beigelegt werden.

Weniger erfreulich stellt sich die Entwicklung der Fälle bei den Familiengerichten dar. Die Eingangszahlen sind in den letzten fünf Jahren um 19 % gestiegen. Hier kann man aber die Familienrichterinnen und -richter und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur

(Silke Hinrichsen)

loben: Gleichzeitig ist nämlich auch die Zahl der Erledigungen um 17 % gestiegen.

Es ist aber für uns wichtig, dass hier ein Signal gegeben wird, das in der Familienpolitik besonders beachtet werden sollte. Wir sollten uns im Rechtsausschuss darüber hinaus der Frage des Zusammenhangs - ob da ein Zusammenhang besteht - mit den weiteren Veränderungen bezüglich Elternund Kindschaftsrecht widmen. Dabei möchte ich einmal lobend erwähnen, dass das Familiengericht Niebüll weiterhin Spitzenreiter ist, was die durchschnittliche Verfahrensdauer in diesem Bereich betrifft. Die halten weiterhin mit drei bis vier Monaten bei Familiengerichtsverfahren die Spitze. Das ist erstaunlich, wenn man sich die Zahlen aus den anderen Amtsgerichten anschaut.

Diese Verfahrensdauer ist aber nur eine Seite der Medaille; sie sagt etwas darüber aus, ob die Justiz dem Interesse der Beteiligten an einer Gewissheit durch eine möglichst zügige gerichtliche Entscheidung gerecht wird. Neben dem Gedanken möglichst guter Dienstleistung für den Kunden ist die Qualität der Arbeit aber natürlich ebenso wichtig, weil nur so die Rechtssicherheit gewährleistet ist. Die Qualität kann man unserer Ansicht nach zum Teil aus den Eingangszahlen bei den Berufungen erkennen. Diese nehmen erfreulicherweise ab.

Der Erhöhung der Eingangszahlen bei den Landgerichten um 8 % steht nur eine Erhöhung um 3 % bei den Berufungen gegenüber. Damit zeigt sich, dass unsere Gerichte auch in schwierigen Zeiten gute Qualität liefern können. Das verdient unseren Respekt.

(Beifall bei SSW, SPD und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Der Bericht der Landesregierung zeigt aber auch, dass die Zahl der Zwangsversteigerungen und -verwaltungen im Berichtszeitraum um 19 % zunahm. Das deutet eigentlich auf eine zunehmende weitere Verschuldung der Menschen hin. Hinzu kommen Insolvenzverfahren. Aber der Rückgang bei den Vollstrekkungen, insbesondere bei den Zwangsvollstreckungsaufträgen, hat mich etwas verwundert. Deshalb - so denke ich - sollten wir auch hier im Ausschuss noch einmal nachforschen, welches die Ursachen sind.

Der Service für die Bürgerinnen und Bürger ist aber natürlich nur eine Seite der Justizpolitik. Auf der anderen Seite haben wir die Verantwortung dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz die Aufgaben unter zufrieden stellenden Bedingungen erledigen können. Hier wird viel über eine zu hohe Arbeitsbelastung gesprochen und auch wir sind der Ansicht,

dass die Pensenschlüssel für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf keinen Fall mehr steigen dürfen.

EDV spart zum Beispiel nicht nur einfach Arbeitskraft ein; sie hat auch die Arbeitsfelder des Einzelnen erweitert, ermöglicht eine bessere Qualität für die Rechtssuchenden; diese muss ebenfalls beibehalten werden.

Wir können diese Qualität auch in außergewöhnlichen Situationen liefern, zum Beispiel angesichts der Ankündigung von MobilCom, zirka 100.000 Mahnanträge einzureichen. Wir begrüßen ausdrücklich die Entscheidung des Ministeriums, hier nicht einfach das Problem auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukommen zu lassen, sondern zu versuchen, eine Lösung zu finden. Es ist nach unserer Ansicht im Sinne aller Antragsteller von Mahnverfahren reagiert worden und nicht nur für die MobilCom.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In diesem Sinne habe ich sehr wenig Verständnis für die Kritik der CDU; denn am Ende wäre doch gerade das einzelne kleine Mahnverfahren liegen geblieben.

Die Überlegungen im Bericht zum automatisierten Mahnverfahren waren und sind richtig. Es geht nämlich nicht unbedingt schneller im automatisierten Mahnverfahren. Ich verweise nur auf persönliche Erfahrungen mit dem zentralen Mahngericht in Berlin. Dort wartet man sehr lange, bis man einen Mahnbescheid zugestellt bekommt.

Die grundsätzliche Länge der Verfahrensdauer - ob sich die Verfahren in 20 Monaten, in zwölf Monaten oder innerhalb von drei Monaten erledigen lassen - ist aufgrund der verschiedenen Zählweisen etwas schwer zu überschauen. Aber unabhängig davon ist für die Beteiligten eine Verfahrensdauer von über 24 Monaten nicht erträglich. Je höher die Belastung zum Beispiel durch höhere Pensen wird, desto mehr ergeben sich daraus auch Verfahrensverlängerungen. Das leuchtet ein.

Was mir bei diesem Bericht aber nicht nachvollziehbar war, ist bei den Sozialgerichten das Ansteigen der über 24 Monate dauernden Verfahren von 398 auf heute 1.253 innerhalb des Berichtszeitraumes, also innerhalb der letzten fünf Jahre. Wir werden im Ausschuss sicherlich noch darüber reden müssen, wieso die Verfahren so lange dauern.

Die Fülle des Materials, die wir mit diesem Bericht bekommen haben, gibt mir nur noch die Möglichkeit zu einem kurzen Ausflug in den Justizvollzug. Seit 1996 sind die Widerrufe und Rücknahmen von Freigängen rückläufig. Erfreulich ist ebenso die Entwick