Protocol of the Session on February 22, 2002

Erstens. Verhängte Geldstrafen sollen nicht einfach im Staatssäckel versickern, was sie heute auch schon nicht tun, sondern die sollen den Opfern von Straftaten zugute kommen.

Zweitens. Aus dem gleichen Topf sollten auch Präventionsprogramme gefördert werden, um Opferwerdung möglichst weitgehend vorher zu verhindern.

Drittens. Die Möglichkeit des Adhäsionsverfahrens im Strafverfahren, das heißt die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche der Opfer in Strafverfahren durchzusetzen, ohne ein separates Verfahren vor einem Zivilgericht durchfechten zu müssen, muss an den Gerichten mehr Anwendung finden.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

- Sie haben Recht: Die rechtlichen Voraussetzungen sind gegeben. Aber Sie wissen, Herr Kayenburg, auch, welche Probleme es dabei gibt.

Meine Damen und Herren, der Antrag wird dann wohl in den Ausschuss gehen. Sie haben das beantragt, wir werden das mittragen. Vielleicht ist diesmal, Herr Lehnert, der Erkenntnisgewinn für die Antragsteller etwas größer als beim letzten Mal.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Bereits im Sommer vergangenen Jahres überraschte uns die CDU-Fraktion mit einem Antrag zum Opferschutz im Strafverfahren. Heute nun stehen Schutz und Hilfe für Opfer von Straftaten mit dem Ziel im Mittelpunkt, eine Landesstiftung „Opferschutz“ zu gründen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sagen Sie nicht, wir hätten Ihnen ein Thema weggenommen!)

Ein durchaus löbliches Ansinnen. Wir alle sind einer Meinung, dass die Opfer von Straftaten besondere Hilfe brauchen und ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen. Das gilt während eines Strafverfahrens, das gilt selbstverständlich auch nach einem Strafverfahren. Dazu bedarf es emotionaler Zuwendung, sozialer Stabilisierung und natürlich auch finanzieller Unterstützung.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

Nur, vor dem Hintergrund dieses vorliegenden Antrages: Die finanzielle Unterstützung ist nicht alles. Ich behaupte sogar, diese dritte Säule trägt nicht, wenn die ersten beiden nicht hinzukommen.

(Klaus Schlie [CDU]: Völlig richtig!)

Allerdings kann dies nicht der Staat allein und Gesetze können dies auch nicht leisten, da sind wir insgesamt als Gesellschaft gefordert.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, den vielen amtlich und ehrenamtlich Tätigen zu danken, die sich bereits seit Jahren im Opferschutz engagieren und den Opfern in vielfältiger Weise Hilfe leisten.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich möchte den möglichen Nutzen einer Landesstiftung „Opferschutz“ gar nicht in Abrede stellen. Erst im letzten Jahr hat beispielsweise die vom Justizminister des Landes Baden-Württemberg, Professor Goll, errichtete Landesstiftung „Opferschutz“ ihre Arbeit aufgenommen, und zwar mit gutem Erfolg,

(Thorsten Geißler [CDU]: Hört, hört!)

wie den bisherigen Pressemitteilungen zu entnehmen ist. Ich weise allerdings darauf hin, dass dieser Stiftung jährlich 2,5 Millionen DM, also ungefähr 1,3 Millionen €, für den Opferschutz im Land zur Verfügung stehen. Auf dieser Basis lässt sich sicherlich etwas bewerkstelligen. Die entsprechenden Internetseiten lesen sich jedenfalls sehr eindrucksvoll.

Darüber hinaus sollte der Kollege Lehnert aber auch bedenken, dass nicht nur die finanzielle Ausstattung einer solchen Landesstiftung stimmen muss, auch die Konzeption muss stimmen, wenn dies kein Selbstzweck sein soll. Und das ist bestimmt nicht der Fall, wenn Sie - ich zitiere aus Ihrer Pressemitteilung vom 13. Februar - eine Landesstiftung wollen, „die den Opfern Schmerzensgeld oder Schadenersatz gewährt, wenn das Gesetz keinen Anspruch gibt oder der Täter nicht zahlen kann“. Man muss nicht Jurist sein, um dieser Auffassung zu widersprechen. Selbstverständ

(Günther Hildebrand)

lich bedarf es eines Anspruchs. Nur soll das Opfer auf diesem Anspruch nicht sitzen bleiben müssen, nur weil der Täter beispielsweise nicht zahlen kann oder sich nicht in Deutschland aufhält.

Für den besten Opferschutz halte ich gleichwohl nach wie vor die Verhinderung von Straftaten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei CDU und SPD)

Dabei ist mir durchaus klar, dass ich damit den Bogen weit über eine mögliche Stiftung „Opferschutz“ hinaus spanne; denn das ist die Thematik der Kriminalprävention, die Problematik der Suchtprävention, die Frage, welche Folgen und Probleme aus Arbeitslosigkeit erwachsen, insbesondere bei Jugendlichen, aber auch welche Folgen und Verhaltensweisen aus Armut erwachsen und vieles mehr. Wir sollten uns deshalb wirklich sehr genau überlegen, in welche Bereiche wir insbesondere angesichts knapper Kassen vorrangig investieren. Ein Beitrag zum Opferschutz ist aber auch die Resozialisierung und Therapierung der Täter mit dem Ziel, dass diese nicht rückfällig werden. Insbesondere mit Blick auf Baden-Württemberg, um bei meinem Beispiel zu bleiben, ist dies ein keinesfalls zu vernachlässigender Aspekt. Schließlich lagen in knapp der Hälfte aller Fälle, denen Zuwendung zuteil wurde, Sexualdelikte zugrunde.

Die Palette „Opferschutz“ ist vielfältig. Wir sollten uns im Ausschuss sehr ausführlich darüber unterhalten und gegebenenfalls auch sachkundig beraten lassen, auf welche Weise wir in Schleswig-Holstein einen effektiven Beitrag zu mehr Opferschutz leisten können. Gute Ideen sind dafür immer willkommen. Sie müssen nur durchdacht sein.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opfer von Straftaten brauchen unsere Hilfe und unseren Schutz, das ist keine Frage. Unabhängig davon, ob es sich um Opfer von Einbrüchen oder einer Vergewaltigung, egal, ob es sich um Körperverletzung oder um Abzocken von Jugendlichen in der Schule handelt, die Opfer müssen den Schutz und die Hilfe von Politik, Justiz und der gesamten Bürgergesellschaft genießen. Nicht immer gelingt es, die Straftäter zu finden. Selbst wenn man ihnen die Straftat nachweisen kann, ist den Opfern mit der Bestrafung der Täter oft noch nicht geholfen. Wenn die Täter ihre

Strafe gezahlt oder abgesessen haben, kämpfen die Opfer oft noch immer mit den Folgen der Straftat.

Die Landespolitik steht in der Verantwortung, in den Verfahren den Opfern den notwendigen Schutz zu gewähren, damit die Verletzungen und Verunsicherungen, die mit Straftaten immer verbunden sind, auch heilen können. Gleiches gilt für die Justiz. Auch sie muss im Rahmen ihrer Arbeit die Opfer schützen.

Opfer sind erster Linie nicht Zeugen, sondern eben Opfer. Hier bedarf es im Einzelfall immer wieder besonderen Fingerspitzengefühls, aber es bedarf auch besonderer Regelungen. Herr Eichstädt hat diese aufgezählt. Wir können dies im Ausschuss gern noch einmal vertiefen. Dem will ich mich durchaus nicht entziehen. Aber wir haben das alles auch vor nicht allzu langer Zeit schon einmal diskutiert und aufgezeichnet. Aber ich möchte auch sagen, Herr Lehnert: Opferschutz fängt da an, wo prügelnde Männer das Haus verlassen müssen und wo sich der Staat um die geschlagenen Frauen kümmert. Opferschutz bieten Frauenhäuser und auch Kinderschutzzentren, die zum Teil - das muss ich leider sagen - gegen massive Widerstände der Konservativen im Lande eingerichtet und finanziell abgesichert worden sind.

(Beifall bei der SPD)

Opferschutz bedeutet, dass Opfer als Zeugen im Gerichtsprozess nicht allein gelassen werden. Wir machen dafür Programme. Die prozessbegleitenden Programme für Kinder und erwachsene Opfer von Sexualdelikten haben sich im Lande bewährt. Opferschutz ist die Wiedergutmachung im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleiches. Dies halte ich mit Blick auf die Täter für die wichtigste und produktivste Sache unter dem Stichwort der Resozialisierung, weil das eigentlich der Knotenpunkt ist. So sieht rot-grüne Opferschutzpolitik aus. Wir halten nichts von leeren Versprechungen.

Wichtig ist natürlich die Hilfe im Alltag. Opferschutzverbände und Selbsthilfegruppen bieten hier wichtige Hilfsangebote an. Viele Bürgerinnen und Bürger zeigen ein außerordentlich großes ehrenamtliches Engagement. Wir begrüßen dies sehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Eines ist allerdings nicht möglich, nämlich dass wir hier eine Landesstiftung gründen. Alle reden von Staatsverschuldung und blauen Briefen, aber die CDU will noch eine Landesstiftung errichten. Wie viele sollen es denn noch werden? Meine Damen und Herren von der CDU, ich bitte Sie sehr, hier keine falschen Hoffnungen zu wecken. Mehr finanzielle Unter

(Irene Fröhlich)

stützung wird - so fürchte ich - nicht möglich sein, obwohl wir alle dies gern wollten.

Ich habe nichts dagegen, eine Stiftungsinitiative anzuregen, aber die sollte dann auf dem eingeschlagenen Weg voranschreiten und eine freie, bürgerschaftliche Stiftung - und keine Landesstiftung - im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe sein.

Die Grünen im Bundestag haben sich erfolgreich für eine Modernisierung des Stiftungsrechts eingesetzt; das kann für einen solchen Zweck gut genutzt werden. Auf dem Weg könnte man vielleicht weiter fortfahren, weil eine Stiftung sicherlich auch ein verlässliches Instrument zur Finanzierung von Lasten ist, die sonst schwer zu schleppen wären. Insofern könnte man über alles noch einmal ausführlich beraten und auch mit den Menschen, die ehrenamtlich für den Opferschutz tätig sind, ins Gespräch kommen. Vielleicht gibt es auch Möglichkeiten, Mittel zu bündeln. Vielleicht besteht da noch Gesprächsbereitschaft, die mir noch nicht bekannt ist; das will ich nicht ausschließen. Wir werden sehen, was wir im Ausschuss zu diesem Thema erreichen können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus gegebenem Anlass noch einmal sagen: Das Handyverbot im Plenarsaal gilt. In dem Moment, in dem ich es lokalisieren kann, werde ich einen Ordnungsruf erteilen. Ich bitte, dies ernst zu nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Hinrichsen, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie meine Kolleginnen und Kollegen schon gesagt haben, stellt uns die CDU erneut eine Initiative zum Thema Opferschutz vor. Es freut uns, dass die CDU gerade in diesem Bereich so aktiv ist und hoffentlich auch bleibt; denn es geht um ein ernstes und wichtiges Thema.

Die Hilfen für Opfer in Schleswig-Holstein sind in den letzten Jahren zwar erhöht worden, können aber ohne Zweifel noch ausgeweitet werden. Bereits im letzten Jahr haben wir uns mit einem mangelhaften Antrag der CDU zu diesem Thema beschäftigt. Damals haben die meisten Redner die guten Absichten des Antrages begrüßt, der dann in den Ausschuss überwiesen wurde. Bei den Beratungen wurden viele Anregungen gebracht, wie aus dem unsinnigen Antrag

der CDU ein sinnvoller Beitrag zu diesem Thema werden könnte.

(Beifall bei SPD und SSW)