Funktionalreform, was ist das? Frau Kollegin Happach-Kasan, Sie haben zutreffenderweise darauf hingewiesen, dass bereits nach der geltenden Fassung des § 26 des Landesverwaltungsgesetzes die Zuordnung öffentlicher Aufgaben den Grundsätzen einer zweckmäßigen, wirtschaftlichen und ortsnahen Verwaltung entsprechen soll. Auch Wissenschaft und Praxis sind sich darin einig, dass für die Zuordnung von Verwaltungsaufgaben im Grunde drei Kriterien gelten müssen: a) die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, b) die Orts-, Sach- und Bürgernähe der Entscheidung, also die Kundenfreundlichkeit der öffentlichen Verwaltung,
und c) gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen auf allen Ebenen die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung.
Damit komme ich zur dritten Frage: Wie kann man das nun umsetzen? Auch das steht in unserem Koalitionsvertrag, nämlich zum Beispiel durch einen zweistufigen Aufbau der Landesverwaltung.
Die vom Landtag eingesetzte Enquete-Kommission Frau Happach-Kasan hat auch darauf hingewiesen hat bereits 1994 empfohlen, die notwendigen von der öffentlichen Verwaltung selbst zu erfüllenden Aufgaben grundsätzlich auf zwei Ebenen zu verteilen. Durch die unmittelbare Landesverwaltung, das heißt durch oberste oder obere Landesbehörden, sollten nur Aufgaben der politischen und administrativen Proklamierung und Steuerung der landesweiten Förderung, Kontrolle, Richtliniengebung und Vorbereitung gesetzgeberischer Aktivitäten erfüllt werden. Die Vollzugsaufgaben sowie die Aufgaben mit nur begrenztem räumlichen Bezug sollten grundsätzlich auf regionaler und örtlicher Ebene erledigt werden. Wir teilen diese Auffassung auch heute noch.
Gleichwohl möchten wir der Landesregierung für ihren Bericht danken, denn dieser Bericht enthält in der Tat eine in den Ausschussberatungen sehr gut verwertbare Auflistung aller bisherigen Bemühungen zur Funktionalreform. Wir werden dort Weiteres besprechen müssen. Wir sind der Auffassung, dass es richtig war, die Diskussion über die Funktionalreform durch Beschluss des Landtags im parlamentarischen Bereich anzusiedeln, denn natürlich herrscht in den Regierungs- und Verwaltungsapparaten der Landesregierung ein Beharrungsvermögen vor. Es ist richtig, dass die Kontrollinstanz darüber entscheidet, wie der Verwaltungsaufbau im Bereich der Landesregierung und der Landesverwaltung auszusehen hat. Deshalb ist es richtig, diese Diskussion in den parlamentarischen Ausschüssen anzusiedeln.
Auch die Vorstellung, dass die Richtigkeitsgewähr der Aufgabenerfüllung umso größer ist, je weiter oben die Aufgabenerledigung angesiedelt ist, ist eine Vorstellung, die so nicht zu teilen ist.
Wir sollten im Innen- und Rechtsausschuss sowie in den begleitenden und mitberatenden Ausschüssen das Problem konzeptionell und systematisch angehen. Wir sollten dann mit konkreten Vorschlägen ins Parlament kommen. Wir schlagen vor, den Bericht der Landesregierung so, wie Frau Happach-Kasan es vorgeschlagen hat, an den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wegen der Umweltbezogenheit sollte mitberatend Überweisung an den Umweltausschuss sowie an die anderen Ausschüsse erfolgen. Es ist nicht nur der Umweltbereich betroffen.
Sollen wir den FDP-Antrag im ersten Punkt für erledigt betrachten? - Haben Sie den zurückgezogen? Wir würden ihn sonst ablehnen. Er betrifft die Staatlichen Umweltämter. Wir wollen hier und heute in dieser Parlamentsdebatte noch keine Entscheidung treffen, auch nicht in einem ersten Schritt. Wir wollen in den zuständigen Ausschüssen beraten. Das gilt insbesondere für den CDU-Antrag, den wir insgesamt an die Ausschüsse überweisen wollen, die darüber zu beraten haben. Lassen Sie uns gemeinsam mit der Landesregierung und den kommunalen Landesverbänden in den Ausschüssen ein Konzept erarbeiten und konkrete Vorschläge vorlegen. Ich wünsche uns eine konstruktive und erfolgreiche Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Puls, meinen Respekt! Vielleicht haben Sie ja bei der großen Kabinettsumbildung im Herbst Glück.
Der Bericht der Enquetekommission zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Verwaltung stammt aus dem Jahr 1994.
- Bestimmte Dinge, die im Kopf ablaufen, sind zeitverzögert da. Seitdem liegen auf 200 Seiten konkrete Vorschläge zur Aufgabenreduzierung, Privatisierung und Verwaltungsstrukturreform vor. Eine der Kernaussagen dieses wegweisenden Berichts ist die Empfehlung, von der Verwaltung selbst zu erfüllende Aufgaben grundsätzlich auf zwei Ebenen zu verteilen. Als unmittelbare Landesverwaltung sollten nur Aufgaben der politischen und administrativen Programmierung beziehungsweise Steuerung, der landesweiten Förderung, der Kontrolle, der Richtliniengebung und der Vorbereitung gesetzgeberischer Arbeit erfüllt werden. Kollege Puls hat dies bereits gesagt. Vollzugsaufgaben sowie Aufgaben mit nur begrenztem räumlichen Bezug sind grundsätzlich auf regionaler und örtlicher Ebene also auf kommunaler Ebene - zu erfüllen.
Dieser Grundsatz ist nach wie vor unbestritten richtig, wenngleich ich einräumen will, dass ein lupenreiner zweistufiger Verwaltungsaufbau in allen Bereich in Schleswig-Holstein - auch aufgrund der traditionell gewachsenen Aufgabenerfüllung - nicht ohne weiteres umzusetzen ist. Ich glaube, das gehört zu einer ehrlichen Debatte.
1996 haben CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN jeweils eigene Konzepte zum Thema Entbürokratisierung, Verwaltungsstrukturreform und Aufgabenabbau vorgelegt. Gemeinsam haben wir das Kostenausgleichsprinzip in der Landesverfassung Schleswig-Holsteins verankert. Dies ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um eine Funktionalreform durchführen zu können, die nicht zu Lasten der kommunalen Ebene geht. Eigentlich waren alle Voraussetzungen geschaffen, um daran zu gehen, unseren Ver
waltungsaufbau schlank und effektiv zu gestalten. Ich wiederhole noch einmal: Der Bericht der Enquetekommission stammt aus dem Jahr 1994. Die Konzepte der Fraktionen stammen aus dem Jahr 1996. Dann begann der Budenzauber. Die Ministerpräsidentin ließ sich bundesweit als die Speerspitze der Verwaltungsmodernisierung feiern.
Ihre Verkaufsabteilung stilisierte sie zur Inkarnation des schlanken Staates. In jedem Ministerium, in jeder Landesbehörde, ja selbst in der Staatskanzlei diskutierten alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wochenund monatelang über ein Leitbild der modernen Verwaltung. Hunderte von Arbeits- und Projektgruppen wurden eingesetzt und fast täglich wurde der erstaunten Öffentlichkeit mitgeteilt, dass der Modernisierungsprozess der öffentlichen Verwaltung in Schleswig-Holstein nun bundesweit beispielgebend sei und fast vor dem krönenden Abschluss stehe.
Hunderte von Vorschlägen zur Funktionalreform, also zur Aufgabenübertragung auf die kommunelle Ebene, wurden aufgelistet, geprüft, diskutiert und anschließend fast immer verworfen. Einige wurden auch umgesetzt. Ein Normen-TÜV wurde eingerichtet. Ganze Stabsabteilungen waren und sind damit beschäftigt, auf Formblättern nachzuweisen, warum doch immer wieder neue Gesetze, neue Verordnungen und neue Richtlinien notwendig sind.
Dann aber kam der ganz große Wurf. In einer so genannten großen Verwaltungsstrukturreform wurden aus den Ämtern für Land- und Wasserwirtschaft die Ämter für ländliche Räume und die Staatlichen Umweltämter. Hans Wiesen und Rainder Steenblock freuten sich diebisch, hatte doch jeder jetzt - entsprechend dem Koalitionsproporz - seine eigene Landesbehörde zu verwalten. Endlich hatten sie auch einmal etwas zu sagen!
Dann war da noch die revolutionäre Diskussion über die Standardfreigabe. Wir erinnern uns: Ohne jedes Tabu, so der sich voller Elan neu im Amt befindliche SPD-Fraktionsvorsitzende Lothar Hay, wollte man alle Standards auf den Prüfstand stellen. Die meisten stehen da heute noch. Zum Stichwort „Tabu“: Bei diesem wichtigen Thema sei an die Aussage der Ministerpräsidentin aus dem Jahr 1997 erinnert, die der Landkreistag dankenswerterweise dokumentiert hat:
„Bei der Frage der Aufgabenverlagerung vom Land auf die kommunale Ebene werden keine Tabubereiche mehr akzeptiert.“
„Ziel jeder Aufgabenverlagerung müsse eine wirtschaftliche Aufgabenerledigung und insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer bürgernahen Verwaltung - eine konsequente Verwirklichung des zweistufigen Verwaltungsaufbaus in Schleswig-Holstein sein.“
Donnerwetter, die Frau hat Mut! Sie sagt ihren Ministern und den Regierungsfraktionen, wo es lang geht. Das war 1997. Nun, im Jahr 2002, hört sich das im Bericht des Innenministers folgendermaßen an:
„Dementsprechend prüft die Landesregierung bei allen in Rede stehenden Aufgaben stets, auf welcher Ebene der Verwaltung und durch welche Behörde eine Aufgabe am besten wahrgenommen werden sollte.“
Die Landesregierung prüft also stets. Sie hat - wie sie sagt - dabei die Wahl zwischen folgenden „organisatorischen Konstruktionen“: Die Weisungsstränge laufen in der Regel direkt von den obersten Landesbehörden nur zu den Landesoberbehörden, zu den unteren Landesbehörden oder zu den Kommunalbehörden. Eine der drei Ebenen ist also einfach zur zweiten Ebene erklärt worden. Herzlichen Glückwunsch, Herr Minister! Das ist also ein zweistufiger Verwaltungsaufbau!
„Bei der Aufgabenverlagerung vom Land auf die kommunale Ebene werden keine Tabubereiche mehr akzeptiert.“
Der Innenminister kommt in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass es sich bei seinem Vier-Phasen-Modell des zweistufigen Verwaltungsaufbaus im Kern so wörtlich - „um eine funktionalreformerische Fragestellung handelt.“ Das ist doch eine dolle Geschichte.