Protocol of the Session on February 21, 2002

Im Justizministerium - dies ist sicherlich nicht jedem bekannt - gibt es eine hervorragende Kooperation bei der Fortbildung zum Thema Strafvollzug mit Archangelsk, worüber ich sehr viel Positives höre. Weshalb eigentlich beschränken wir dies auf Archangelsk? Gibt es Möglichkeiten, unsere diesbezüglichen Erfahrungen noch in einem größeren Rahmen zu nutzen?

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Das böte die Möglichkeit, auch ein Stück Demokratisierung ins Land zu bringen. Ich sage einmal unge

(Dr. Gabriele Kötschau)

schützt: Ich hatte die Gelegenheit, vor zwei Wochen einige Tage in Usbekistan zu verbringen. Die zentralasiatischen Länder haben ein abenteuerliches Strafvollzugssystem und sind daran interessiert, von den oben genannten Erfahrungen zu profitieren und womöglich in ein entsprechendes Fortbildungssystem einbezogen zu werden. Auch dies sollten wir im Auge behalten und eventuell darüber diskutieren, wie man es umsetzen kann.

Zur Wirtschaftskooperation: Wir haben Wirtschaftszweige, die für viele Staaten wichtig sind und uns lukrative Möglichkeiten eröffnen könnten, beispielsweise die Medizintechnik, die Land- und die Ernährungswirtschaft, die Wasserwirtschaft und die Energiewirtschaft. In Taschkent wurde ich vom Außenwirtschaftsminister gebeten, doch einmal über Möglichkeiten der Kooperation im Bereich der alternativen Energien nachzudenken. In solchen Staaten gibt es riesige Kolchosen, in denen Biomasse anfällt. Da haben wir etwas anzubieten. Tun wir es! Das sind Schritte, die wir gehen können, die beiden Seiten helfen.

Stichwortartig möchte ich nur noch Folgendes erwähnen: Kooperation im Sicherheitsbereich. Es gibt eine sehr gute Sicherheitspartnerschaft im Ostseeraum. Weshalb machen wir an Europas Grenzen eine Vollbremsung? Vielleicht bestehen auch hier Möglichkeiten zur Kooperation.

Als letztes Stichwort erwähne ich die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein, die mit ständiger Unterstützung des Wirtschaftsministeriums in vielen europäischen und außereuropäischen Staaten, zum Beispiel beim Aufbau von Berufsakademien, hervorragende Arbeit leistet. Hier positionieren wir uns, hier bringen wir etwas in Gang, was allein weiterläuft, womit aber Schleswig-Holstein in den Köpfen bleibt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Da müssen wir weitermachen. Lassen Sie uns daran anknüpfen! Wir haben schon Vieles geschafft, aber auch noch viel vor uns.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, FDP und SSW)

Gemäß § 56 Abs. 4 erteile ich jetzt der Abgeordneten Frau Irene Fröhlich das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin noch einmal ans Rednerpult gekommen, weil ich es bemerkenswert und begrüßenswert finde,

dass dieser Konvent gegründet und die Verfassungsdiskussion der Europäischen Gemeinschaft auf den Weg gebracht worden ist und auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll.

Das alles begrüße ich, merke aber Folgendes an: Wer Europa wirklich in die Herzen der Menschen transportieren möchte, darf die Frauen nicht außen vor lassen. Wie es derzeit aussieht, wird es ein reiner Männerkonvent. Er wird nur einen Teil der europäischen Realität widerspiegeln; denn die Hälfte der Bevölkerung sind nun einmal Frauen. Deshalb muss an dieser Stelle das Augenmerk darauf gerichtet werden, dass der Konvent hochkarätig besetzt ist; diesbezüglich mangelt es weiß Gott wirklich nicht an Frauen. Hierzu hätten vonseiten der Bundesrepublik auch andere Entscheidungen getroffen werden können.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte, dass die Europäerinnen und Europäer diesen Gedanken wirklich mitnehmen und weiter transportieren; denn anders können wir es ja nicht bewegen.

Mein zweiter Punkt dazu: Die Debatte war interessant, ich bin ihr aufmerksam gefolgt. Der Unterhaltungswert - Rainder Steenblock hat es gesagt - war nicht sehr hoch; die Debatte war sehr abstrakt. Der Abstraktionsgrad sollte vermindert werden. Ich wünsche mir auch eine detailliertere Debatte um das, was dann im Verfassungskonvent diskutiert werden wird, damit sich die Menschen, die unseren Reden hier folgen, sich auch einen Reim darauf machen können und nicht eine Aneinanderreihung hochspezifischer Termini um die Ohren gehauen bekommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erhält jetzt der Abgeordnete Uwe Greve.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Jetzt wird Englisch gesprochen!)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ist in dieser Diskussion der Begriff der Subsidiarität noch nicht klar genug herausgearbeitet.

(Zuruf von der SPD: Was heißt das auf Deutsch?)

Was heißt Subsidiarität? - Das heißt, dass das kleinere Organ tun muss und soll, was das kleinere Organ tun kann, und das größere nur das, was nicht im kleineren

(Uwe Greve)

Organ entschieden werden kann. Leider sind wir auf einem gegenteiligen Weg. 20 Kommissare suchen derzeit nach immer neuen Arbeitsmöglichkeiten und Entfaltungsmöglichkeiten, auch nach neuen Entscheidungsmöglichkeiten für sich. Sie ziehen immer mehr Entscheidungen an sich, die eigentlich auf nationaler, auf Landes- oder auf Kommunalebene besser aufgehoben sind.

Mit der Erweiterung der EU sollen sieben weitere Kommissariate eingeführt werden. Ich ahne schon, dass sich diese neue Arbeitsfelder suchen werden. Ich frage dann, was bleibt für den Kommunalsektor, für den Landessektor oder für den Bundessektor überhaupt noch übrig? Deshalb ist es von zentraler Wichtigkeit, dass wir endlich einmal darüber diskutieren, wo welche Entscheidungen gefällt werden sollen. Deshalb ist die Frage der Kompetenzabgrenzung für uns von ungeheurer Bedeutung und muss in den nächsten Jahren hier intensiv debattiert werden.

(Beifall bei der CDU)

Noch eines zum Kollegen Fischer.

(Lothar Hay [SPD]: Guter Mann!)

Die Türkei ist kein europäisches Land,

(Lothar Hay [SPD]: Was?)

sondern ein kleinasiatischer Staat,

(Lothar Hay [SPD]: Sie haben im Erdkunde- unterricht nicht gut aufgepasst!)

von dem 1/17 - Sie können sich die Landkarte anschauen - zu Europa und 16/17 zu Kleinasien gehören.

(Lothar Hay [SPD]: Geographisch!)

- Geographisch! Die gesamte Geschichte - ich weiß, dass Sie da vielleicht einige Defizite haben, lieber Herr Hay

(Lachen bei der SPD - Jutta Schümann [SPD]: Es gibt Leute, die haben ganz viele Defizite!)

und Kultur sowie die religiöse Prägung der Türkei sind eindeutig nicht europäisch.

(Lothar Hay [SPD]: Wie ist es mit den übri- gen Balkanstaaten?)

Richtig ist, dass die Türkei ein bedeutender Sicherheits- und Wirtschaftspartner Europas ist. Hier gilt ist es, eine spezifische Form der Partnerschaft zu finden. Das ist gar keine Frage. Aber wer glaubt, dass die Türkei ein Teil dieser Europäischen Union werden kann, muss sich einmal vorstellen, dass diese Europäische Union dann Grenzen mit Syrien, Iran und Irak hat. Wenn Sie allein die Namen dieser Staaten hören,

wird Ihnen die Absurdität dieser Forderung deutlich werden.

Für die Türkei muss eine urtümliche eigene intensive Form der Assoziation mit der Europäischen Union gefunden werden.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht -

(Zurufe: Doch!)

- Ein Beitrag nach § 56 Abs. 4. Herr Abgeordneter Steenblock, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern einige Sätze zu dem Beitrag des Kollegen Greve sagen.

(Jutta Schümann [SPD]: Du nimmt ihn viel zu wichtig!)

Lieber Kollege Greve, wenn man einmal in die europäische Geschichte eintaucht - wir sollten gar nicht versuchen, uns gegenseitig Nachhilfeunterricht zu erteilen; das ist trotz PISA bei uns allen eher Gemeinwissen -, weiß man nicht nur, woher Europa eigentlich kam,

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Eine Frau nämlich!)