Protocol of the Session on February 20, 2002

Sobald die Frequenzplanungen abgeschlossen sind, werden wir dem Landtag einen Vorschlag für die Verteilung der Übertragungskapazitäten unterbreiten. Dabei sollen öffentlich-rechtliches und privates Fernsehen durchaus gleichberechtigt berücksichtigt werden. Für den privaten Rundfunk wird dann die Unabhängige Landesanstalt für den Rundfunk Zulassungsverfahren nach dem Landesrundfunkgesetz eröffnen. Die ULR wird dabei die Bedingungen für SchleswigHolstein öffentlich ausschreiben. Dies soll - so jedenfalls unsere Hoffnung - schon im Laufe des nächsten Jahres möglich sein. Auf diese Weise kann die ULR den Rahmen für ein vielfältiges Angebot von Programmen und Mediendiensten festlegen, um damit auch die Chancen für regionale Unternehmen zu sichern.

Die ULR ist in Sachen DVB-T handlungsfähig. Ein Mehr an Regulierung ist aus meiner Sicht nicht nötig. Den weiter gehenden Wunsch nach einer Satzungsermächtigung, um weitere Regulierungen zu schaffen, muss die ULR erst einmal konkretisieren und erklären, was sie damit erreichen beziehungsweise was sie über heute bereits Erreichbares hinaus noch erreichen möchte.

Der NDR und das ZDF sind mit der letzten Entscheidung über die Rundfunkgebühr finanziell in die Lage versetzt worden, ihren Beitrag zu einem Innovationsschub zu leisten. Ich danke dem NDR, dem ZDF, der ULR und der Deutschen Telekom für die gute Zusammenarbeit beim Landtagsbericht. Die Landesregierung hatte den Innen- und Rechtsausschuss fortlaufend über den Stand der Beratungen zum Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag unterrichtet. Ich bitte Sie deshalb auf einer der nächsten Sitzungen des Landtages um Ihre Zustimmung zum Ratifizierungsverfahren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Oppositionsführer und Vorsitzenden der

CDU-Fraktion des Schleswig-Holsteinischen Landtages, Herrn Martin Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Simonis, überraschende Vorschläge oder der Auftrag, den Bundesrat im Bereich Medien bei der EU zu vertreten, bedeuten noch lange nicht, dass das von Ihnen erträumte Bild einer medienpolitischen Erneuerin auch Wirklichkeit wird. Offensichtlich sollte hier eine neue Funktion zum politischen Schachzug werden. Und die jüngste Forderung nach Abschaffung der Fernsehwerbebeschränkung, die den Privaten eine größere Flexibilität für die Refinanzierung ihrer Angebote ermöglichen soll, ist noch längst nicht die dringend erforderliche Erneuerung.

Doch kommen wir zunächst zum Gesetzentwurf und dann zu DVB-T. Meine Kritik betrifft einerseits die angebliche Verbesserung der Medienkonzentrationskontrolle und andererseits Aspekte der Förderung des digitalen terrestrischen Fernsehens.

Im Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird der Begriff „vorherrschende Meinungsmacht“ durch einen durchschnittlichen Zuschaueranteil von 30 % pro Jahr an den Programmen eines Unternehmens definiert. Hat das Unternehmen gleichzeitig auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung inne, wird dieser Prozentsatz auf 25 % reduziert. Wenn der Zuschaueranteil diesen Wert erreicht, wird eine vorherrschende Meinungsmacht angenommen. Dieser Grenzwert kann jedoch unterlaufen werden, weil Fensterprogramme und die Aufnahme von Sendezeit für Dritte wieder zugerechnet werden. Es ist also ein kompliziertes Verfahren; wir sollten uns im Ausschuss nochmals damit befassen. Fazit ist jedoch, dass ein durchschnittlicher Zuschaueranteil von 30 % und eine marktbeherrschende Stellung in medienrelevanten verwandten Märkten kaum durch den Einsatz von Fensterprogrammen oder die Freigabe der Sendezeit für Dritte erreicht und der vorgegebene Grenzwert von 30 % dann überschritten wird.

Was also ist mit der Änderung des Rundfunkstaatsvertrages gewonnen? Verhindert diese Änderung die befürchtete Medienkonzentration oder dient sie der Medienvielfalt, wie im Gesetzentwurf der Landesregierung zu lesen? Ich glaube, beides ist nicht der Fall. Weder RTL noch Kirch erreichen zurzeit 25 % durchschnittlichen Zuschaueranteil im Jahr. Also greift diese Regelung in Deutschland zurzeit jedenfalls nicht. Diese Unternehmen werden und müssen also auch keine zusätzlichen Fensterprogramme einrichten. Also wird das Fernsehen durch die Änderung des Rundfunkstaatsvertrages nicht vielfältiger werden.

(Martin Kayenburg)

Für Fensterprogramme im Regionalbereich hätten zusätzliche Anreize geschaffen werden müssen. Aber dies wird durch diesen Staatsvertrag nicht gewährleistet. Die sechste Änderung hätte dafür genutzt werden können, Regionalfenster fest zu verankern. Diese Chance ist schlichtweg verpasst worden.

(Beifall bei der CDU)

Positiv ist allerdings der Auftrag für die Berichterstattung an die Landtage zu vermerken; dies wollen wir durchaus anerkennen.

Mit erstaunlichem Optimismus, Frau Simonis, machen Sie sich aber neuerdings auch zur Förderin der Einführung des digitalen terrestrischen Fernsehens. Nicht, dass die CDU-Landtagsfraktion gegen eine Förderung von DVB-T wäre, aber es ist doch immer wieder erstaunlich, was Sie und Ihr Kabinett dann tatsächlich tun, wenn Sie von Förderung gesprochen haben. Womit wollten Sie auch fördern, nachdem der Landeshaushalt pleite und auch für neue Technologien kein Geld mehr da ist? Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erhält sein Geld für DVB-T nämlich aus den Rundfunkgebühren.

Die Privaten in Schleswig-Holstein haben das Glück, dass die ULR eine Rücklage für Infrastrukturmaßnahmen angesammelt hat, die so angewachsen sein wird, dass zumindest ein erster Einstieg möglich ist. Aber insgesamt sind auch das nur Peanuts, wenn man die Fläche Schleswig-Holsteins berücksichtigt. In Nordrhein-Westfalen wurden dafür sehr viel mehr Mittel eingesetzt, als Schleswig-Holstein zur Verfügung stellen kann. Die Förderung, die Sie hier für sich reklamieren, ist doch gar keine Förderung des Landes, sondern erfolgt als indirekte Subventionierung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, nämlich aus ehemaligen DAB-Mitteln. Das heißt, eine Förderung des Landes findet nicht statt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man dies bedenkt, erscheint Ihre Forderung nach Abschaffung der Fernsehwerbebeschränkung natürlich in einem ganz anderen Licht, Frau Simonis. Was steckt denn dahinter? Hier soll über Werbemittel - das sagen Sie ehrlicherweise auch im Bericht - DVB-T mitfinanziert werden, weil öffentliche Mittel nicht zur Verfügung stehen. Die größere Flexibilität, die Sie bei der Platzierung von Werbung bei den Privaten zur Refinanzierung ihrer Angebote erwähnen, ist doch nicht zu kompensieren, indem Sie sagen, die Verbraucher seien nicht unmündig und könnten selbst entscheiden, wann sie wegzappen wollten. Mir scheint also, dass die DVB-Technik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Kosten der Bürger und im privaten

Rundfunk auf Kosten der Industrie eingeführt werden soll.

Schließlich kann ich nicht erkennen, dass die nicht flächendeckende Einführung - Sie hatten 24 statt der bisherigen 7 Programme von Kiel bis Schleswig erwähnt - für dieses Land wirklich die Herstellung gleicher Lebenschancen bedeutet. Wir müssen also sehr viel tiefer in dieses Thema einsteigen, als in Ihrem Beitrag deutlich wurde.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt der Abgeordneten Frau Gisela Böhrk das Wort.

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es geht in dieser ersten halben Stunde des Nachmittages der Landtagssitzung um des Deutschen liebstes Freizeitvergnügen, nämlich das Fernsehen. Es geht um Meinungsvielfalt und Pluralismus sowie darum, wie diese bei der Globalisierung der Medienwirtschaft gesichert werden können.

Herr Kayenburg, mit diesem Klein-Klein-Gemäkel mit Verlaub - bei einem so bedeutsamen Thema kommen wir wirklich nicht weiter.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sollten aus auf die zentralen Punkte konzentrieren.

(Zurufe)

- Ich komme nachher noch einmal auf das Thema Ausschuss zu sprechen.

Wir können gern über die Frage der Anteile für Konzentration sprechen. Die Tatsache, dass mir außer Ihnen weit und breit weder bei Schwarz noch bei Rot bisher jemand bekannt geworden ist, der Ihre Kritik vorträgt,

(Roswitha Strauß [CDU]: Weil die alle keine Ahnung haben!)

bringt mich dazu, eine sehr intensive Beratung dieses Themas mit Ihnen anzuregen.

(Klaus Schlie [CDU]: Das kann interessant werden!)

Ich will zum politischen Thema kommen. Bei der Erörterung über den Verkauf der Kabelnetze haben wir feststellen müssen, dass für politische Gestaltung praktisch alle Züge abgefahren sind. Wir können der

(Gisela Böhrk)

zeit nur abwarten, wie die Pokerpartie zwischen Texas-Malone und Ron Sommer und dem Kartellamt zum Ende des Monats ausgeht. Wir können nur abwarten, welche Preise sich für die Kabelnutzer ergeben werden und welche Programmbouquets dann in den Kabeln sein werden. Der politische Zug ist da abgefahren. Gestalten können wir aber bei DVB-T. Die wirkliche Bedeutung der Vorlage und dessen, was die Ministerpräsidentin sagt, ist, dass DVB-T in der Tat eine gute Alternative zum Kabel werden kann. Deswegen sollten wir an einem beschleunigten Ausbau dieser Chance arbeiten.

Das digitale Antennenfernsehen müssen wir nutzen. Es ist gut, dass die Landesregierung ein klares Signal zum Ausbau gegeben hat. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es für uns alle einen wirklich guten, praktischen Vorteil gibt, wenn man DVB-T hat, also ein digitales Antennenfernsehen, mit dem man 24 - einige sagen: 30 - Programme in der Endstufe anschauen kann, und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch auf der Terrasse, im Wohnwagen, im Ferienhaus,

(Martin Kayenburg [CDU]: Im Bad!)

und man damit unabhängig ist, also einen wirklichen Mehrwert hat. Das ist anders als beim DAB. Wir sollten auch festhalten, dass DVB-T in ganz besonderem Maß für regionales und lokales Fernsehen geeignet ist

(Lothar Hay [SPD]: Sehr gut!)

und dass es - anders als beim Kabel - keine vorgefertigte Bouquet-Auswahl gibt, bei dem Herrn Malone oder Herrn Murdoch - wer auch immer es ist - den Blumenstrauß zusammenstellt, den wir uns als Programm zu Gemüte führen sollen.

Wahr ist, dass es bei der Einführung noch einige Hürden zu überwinden gibt. Sie sind aber überwindbar, wenn es ein abgestimmtes und verlässliches Einführungsszenario gibt. Das allerdings ist wichtig. Hier kann und muss die Landesregierung eine treibende und moderierende Rolle übernehmen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Berlin ist derzeit dabei, den gesamten Bereich Berlin/Brandenburg auf DVB-T umzustellen. Sie wollen im Sommer des nächsten Jahres fertig sein. Unsere Planungen gehen derzeit davon aus, dass wir mit Kiel/Schleswig im Herbst des nächsten Jahres eine erste Einstiegsinsel haben werden. Wir müssen einmal sehen, ob es - auch aufgrund der Berliner Erfahrungen und der Kooperation mit Berlin - möglich ist, dass wir diese Entwicklung in Schleswig-Holstein beschleunigen können, und dass zu der ersten Einstiegsinsel zum

Beispiel Lübeck in Kooperation mit Hamburg - das ist im Gespräch - als weitere Einstiegsinsel hinzukommen kann.

Wir werden im Ausschuss nicht nur die Frage vertiefen müssen, welches Einstiegsszenario realistisch ist, sondern auch, ob es sinnvoll ist - wie beispielsweise Ministerpräsident Gabriel in Niedersachsen vorgeschlagen hat -, den Zeitraum, in dem analoges und digitales Fernsehen parallel laufen müssen, gesetzlich festzulegen, sodass allen klar ist, wann abgeschaltet wird, und einen Zeitpunkt festzulegen, zu dem tatsächlich abgeschaltet wird, wie es in Berlin derzeit wohl der Fall ist.

Ich danke der Staatskanzlei sehr für den Bericht zu DVB-T. Ich möchte mir dazu folgende Anregung erlauben. In Anbetracht der Tatsache, dass wir Medienpolitik nicht als Expertenveranstaltung betreiben wollen, sondern einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollen, wäre es wünschenswert, wenn der Bericht noch ein bisschen lesbarer für normal begabte, politisch interessierte Menschen wäre, als er es ohnehin schon ist.

(Vereinzelter Beifall im ganzen Haus)

Ein letzter Punkt, Herr Präsident - wenn ich noch darf. In der Debatte um die Kabelnetze habe ich unter dem Beifall des gesamten Hauses gefordert, dass Medienpolitik einem Ausschuss zugeordnet wird, der sich auch zeitlich in der Lage sieht, das Thema angemessen zu behandeln. Unter Beifall des gesamten Hauses! Tatsächlich scheitert derzeit eine adäquate, vernünftige parlamentarische Behandlung der medienpolitischen Probleme und Fragen daran, dass sich die beiden Teile der CDU-Fraktion gegenseitig nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen und jede vernünftige Lösung blockieren.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD] - Klaus Schlie [CDU]: Das ist abso- luter Quatsch!)

Ich spreche Sie beide, die Sie so nett da vorn sitzen, deshalb noch einmal direkt an,

(Martin Kayenburg [CDU]: Das macht noch keinen Unterausschuss!)