Protocol of the Session on February 20, 2002

Erst nachdem CDU und FDP diese unglaubliche Praxis vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt hatten, sind Sie gestoppt worden, ist dieser Verfassungsverstoß vermieden worden. Dann - das ist fast noch schlimmer, Herr Möller - haben Sie mit Ihrer Stellungnahme vom September 1998 versucht, beim Bundesverfassungsgericht einen falschen Eindruck über die tatsächliche Einnahmesituation des Landes zu erwecken. Dieser Trick ist Gott sei Dank aufgeflogen. Im November 1998 handelten Sie sich die zweite öffentliche Rüge dieses hohen Hauses ein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Drittes Beispiel. Zu Ihrem Katalog von Pleiten, Pech und Pannen zähle ich auch das 35-Millionen-Loch im Bildungsministerium. Sie betreiben in Ihrem Hause zwar ein aufwändiges Personalkostencontrolling, aber Sie haben dieses Millionenloch zumindest nicht rechtzeitig gemerkt.

Viertes Beispiel. Ihre finanzpolitische Laufbahn, Herr Möller, oft am Rande der Legalität, erlebt nun einen weiteren traurigen Tiefpunkt. Die Computeraffäre mit den bereits festgestellten, eindeutigen und von Ihnen sogar zugegebenen Verstößen gegen Recht und Gesetz bringt das Fass nun endgültig zum Überlaufen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie, Herr Möller, haben durch dieses Parlament keine Gnadenfrist mehr. Frau Simonis, es ist Zeit für die rote Karte gegen Herrn Möller. Dies wäre nicht nur die logische, sondern auch die notwendige Konsequenz,

(Martin Kayenburg)

wenn Recht und Gesetz sowie die politische Kultur in diesem Lande noch etwas gelten sollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deshalb fordern wir Sie, Frau Simonis, auf, endlich die eigentlich längst überfällige Trennung von diesem Finanzminister zu vollziehen und ihn zu entlassen. Sie müssen das nicht nur wegen der Rechtsverstöße, sondern eigentlich auch schon deshalb tun, weil Ihr Finanzminister in der letzten Sitzung des Finanzausschusses ein Politikverständnis offenbart hat, das überhaupt nicht mehr zu dem politisch-moralischen Anspruch passt, mit dem die Sozialdemokraten vor 14 Jahren die Regierungsverantwortung übernommen haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ihr Finanzminister, Frau Simonis, hat in den vergangenen Wochen mehrfach erklärt, dass er für die Computeraffäre die politische Verantwortung übernehme. In der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland zieht ein solches Bekenntnis fast automatisch Konsequenzen nach sich. Das war bei dem Sozialdemokraten Georg Leber so. Das war bei dem Freien Demokraten Werner Maihofer, dem CDU-Innenminister Rudolf Seiters und bei Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg so.

(Zurufe von der SPD: Kohl!)

Sie alle haben die politische Verantwortung für Fehler übernommen, die ihnen unterstellte Mitarbeiter begangen hatten. In Schleswig-Holstein scheint es aber jetzt anscheinend Mode geworden zu sein, verbal die politische Verantwortung zuzugestehen, aber dann keine Konsequenzen zu ziehen. Das war beim 35-MillionenLoch bei Ihnen, Frau Erdsiek-Rave, schon so. Aber Herr Möller hat das jetzt noch getoppt. Ich zitiere Herrn Möller aus der Sitzung des Finanzausschusses am 13. Februar: „Politische Verantwortung ja und das war's dann auch.“

(Heinz Maurus [CDU]: Unerhört! - Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren auf der linken Seite, ich weiß ja, dass Ihnen das wehtut. Wir hätten den Punkt zum Tag der Ruhe doch auf der Tagesordnung lassen sollen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Behandlung dieses Punktes ist nicht erforderlich, weil der Umweltminister unserem Antrag bereits folgt und zum Noise Awareness Day im April entsprechende Veranstaltungen, die von uns eingefordert wurden, plant. Ich denke, wir haben an dieser Stelle bereits im Vorfeld Erfolg gehabt.

(Beifall bei der CDU - Renate Gröpel [SPD]: Ihr Antrag war nicht notwendig!)

Angesichts der von Ihnen getroffenen Aussage: „Politische Verantwortung ja und das war’s dann auch“, kann ich Sie nur fragen, Herr Möller: Was haben Sie eigentlich für ein Verständnis von Moral und politischer Kultur? Ich würde mich für eine solche Aussage schämen.

Auch Sie, Frau Simonis, müssen sich heute nach Ihrem politischen Selbstverständnis und auch nach Ihrer ganz persönlichen politischen Verantwortung fragen lassen. Wenn Sie der gerecht werden wollen, bleibt Ihnen überhaupt nichts übrig, als einen Minister zu entlassen, der nachgewiesenermaßen gegen Recht und Gesetz verstoßen hat. Wie sonst wollen Sie beispielsweise Bürgermeistern und Beamten in den Kreisen, Städten und Gemeinden erklären, dass es notwendig ist, sich an das Vergaberecht zu halten

(Beifall bei CDU und FDP - Glocke des Prä- sidenten)

- das ist der letzte Satz, Herr Präsident -, um der Korruption nicht Tür und Tor zu öffnen, wenn Sie in Ihrer eigenen Regierung billigend in Kauf nehmen, dass Ihr Finanzminister dieses Recht nachhaltig verletzt? Handeln Sie endlich, Frau Simonis!

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es bei dem vermeintlichen Skandal, der in Wahrheit keiner ist, sondern von interessierter Seite dazu gemacht werden soll?

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh!)

Ich werde im Rahmen meiner Rede einmal die Fakten nennen und keine Wahlrede halten.

Erstens. Es sind immer wieder Hinweise auf mögliche Korruption ins Spiel gebracht worden. Zur Untersuchung dieser Frage ist ein staatsanwaltschaftliches Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wer hat das ei- gentlich angestrengt?)

Hier haben sowohl die Landesregierung als auch der Landtag die Ergebnisse abzuwarten und danach zu

(Lothar Hay)

bewerten. Das wäre Achtung des Rechtsstaates, Herr Kollege Klug.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein Handlungsbedarf vonseiten des Landtags ist derzeit in keiner Weise vorhanden. Zum Schutz der ins Blickfeld geratenen Personen muss die Feststellung erlaubt sein, dass in der bisherigen öffentlichen Debatte nicht ein einziger Beleg vorgebracht worden ist oder vorgebracht werden konnte.

(Martin Kayenburg [CDU]: Er hat es doch zugegeben!)

Zweitens. Die Konsequenzen aus den Beraterverträgen, die der ehemalige Staatssekretär im Finanzministerium, Dr. Lohmann, mit der Firma debis/SAP eingegangen ist, müssen durch die Landesregierung, in diesem Fall also durch das Finanzministerium, geklärt werden.

(Heiterkeit bei der CDU - Klaus Schlie [CDU]: Lieber nicht!)

Die Ministerpräsidentin hat bereits am 5. Februar deutlich gemacht, dass der ehemalige Staatssekretär aus der Sicht der Landesregierung gegen das Beamtenrecht verstoßen hat, da er nach § 85 a des Landesbeamtengesetzes seinen früheren Dienstherrn von der beabsichtigten Nebentätigkeit formell korrekt hätte informieren müssen beziehungsweise sogar eine schriftliche Genehmigung hätte einholen müssen. Dies ist offenbar nicht erfolgt.

(Klaus Schlie [CDU]: Offenbar! - Weitere Zurufe von der CDU)

In der Zwischenzeit sind eine staatsanwaltschaftliche Prüfung und eine disziplinarrechtliche Vorermittlung im Finanzministerium eingeleitet worden. Der Rechtsstaat verlangt, dass wir dieses Verfahren abwarten und erst danach bewerten, also keine Vorverurteilungen vornehmen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass gerade an dieser Stelle, an der Spekulationen und bunten Geschichten Tür und Tor geöffnet werden, bei Ihnen und bei den Medien ein großes Interesse vorhanden ist. Diesem Interesse werden weder die Regierung noch die SPDLandtagsfraktion in irgendeiner Form gerecht werden.

(Beifall bei der SPD - Klaus Schlie [CDU]: Das ist eine Frage des Anstands!)

Drittens. Kommen wir zum Kern der Sache. Als eines der ersten Bundesländer hat sich Schleswig-Holstein in den 90er-Jahren auf den Weg gemacht, das bisherige System - das ausschließlich ausgabenorientierte kameralistische Rechnungswesen - um die Kostenund Ergebnisermittlung zu ergänzen. Diese Grundsatzentscheidung wurde von allen im Landtag vertretenen Parteien grundsätzlich begrüßt. Wegen der großen politischen und finanziellen Bedeutung des Vorhabens sind Parlament und Rechnungshof über jeden Schritt der Landesregierung laufend und umfassend informiert worden.

(Zurufe von der CDU: Stimmt doch gar nicht!)

Bei der Auswahl unter mehreren Anbietern ging es auch darum, einen Partner zu finden, der in der Lage ist, das Land bei einer umfassenden Organisierung des Haushaltswesens auch langfristig verlässlich zu begleiten. Mit dem SAP-Verfahren hat man sich für ein zukunftssicheres Verfahren entschieden, das dabei ist, sich zu einem Standardverfahren für die öffentliche Verwaltung zu entwickeln. Viele Bundesländer und Städte haben dieses System in der einen oder anderen Form inzwischen übernommen.

Die zentrale Frage der Erörterungen im Finanzausschuss am 7. und 13. Februar 2002 war das Problem des Vergabevermerks. Minister Möller hat am 13. Februar im Finanzausschuss erklärt, dass ein aktuell in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis kommt, dass die Kabinettsvorlage kein ausreichender Vergabevermerk ist, weil nicht alle erforderlichen Verfahrensschritte dokumentiert sind und somit das Verfahren formal rechtsfehlerhaft ist. Dies hat der Finanzminister ohne Wenn und Aber zugestanden.

(Zurufe von der CDU)

Da es aber 1998 aufgrund eines fehlerhaften Vergabevermerks noch keinen Rechtsschutz für die Mitbewerber gab, ist der abgeschlossene Vertrag eindeutig rechtswirksam. Somit bestehen keine Schadenersatzansprüche Dritter gegen das Land.

Die SPD-Fraktion teilt die Auffassung, dass mit der Kabinetts- und Finanzausschussvorlage sowie den ausführlichen Behandlungen im Kabinett und im Finanzausschuss die Entscheidung zugunsten von debis/SAP unter Abwägung aller Gesichtspunkte transparent begründet worden ist. Die umfassende Einbeziehung des Landesrechnungshofs hat es ihm jederzeit ermöglicht, sich an jedem Punkt des Verfahrens einzuschalten. Dies hat er übrigens auch getan.