Protocol of the Session on February 20, 2002

da sich dies störend auf den Therapieprozess auswirken würde. Maßregelvollzugspatienten, denen Vollzugslockerungen gewährt werden, müssen psychisch so stabil sein, dass nicht schon die Anfertigung eines Fotos ein Rückfallrisiko erhöht.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir diese Lücke im Maßregelvollzug schließen und eine einwandfreie Rechtsgrundlage dafür schaffen, dass Untergebrachte im Maßregelvollzug künftig erkennungsdienstlich behandelt werden.

Ich rechne mit einer breiten Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf und möchte meinen besonderen Dank der innenpolitischen Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Kollegin Fröhlich, aussprechen, die zurzeit leider nicht anwesend ist. Sie hat in einer Pressemitteilung vom 13. Dezember des vergangenen Jahres mit mir zusammen die Forderung erhoben, diese Sicherheitslücke umgehend zu schließen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Manchmal kommen gute Gedanken auch von den Grünen, Herr Kollege Kubicki. Das sollten wir doch anerkennen und entsprechend würdigen.

Sie führte wörtlich aus:

„Es ist in der Tat ein Problem, wenn im Maßregelvollzug keine Fahndungsfotos gefertigt werden. Hier besteht eine Sicherheitslücke, die nicht zu rechtfertigen ist. Ein entlaufener gefährlicher Maßregelvollzugspatient muss so schnell wie möglich wieder eingefangen werden. Die präventive Bereithaltung von Fotos ist das Mindeste, was man für eine effiziente Fahndung tun kann. Auch wenn Täter psychisch krank sind, müssen sie mit ihrer Tat konfrontiert werden. Das für den Maßregelvollzug zuständige Sozialministerium sollte die bisherige Praxis dringend ändern.“

Genau das, was Frau Fröhlich hier ausführt, wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erreichen. Lassen Sie ihn uns gemeinsam zügig beraten und auch

(Thorsten Geißler)

beschließen, damit die vorhandenen Versäumnisse im Sozialministerium möglichst schnell beseitigt werden können.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Geißler, ich weiß nicht, warum Sie das Ministerium so aggressiv angegangen sind. Ich gehe davon aus, dass das alles von A bis Z von der Ministerin widerlegt werden wird. Ich habe hier für die Fraktion vorzutragen.

Maßregelvollzug in Schleswig-Holstein betrifft 200 bis 300 Menschen, psychisch kranke Straftäter, darunter Sexual- und Gewalttäter, vor denen wir die Bevölkerung in der Tat in besonderer Weise zu schützen haben. Auch für diese Menschen gilt - wie im Strafvollzug allgemein - das Prinzip der Resozialisierung, verbunden mit dem Anspruch auf medizinische, psychische, therapeutische Betreuung und Behandlung während der Unterbringung in Neustadt oder Heiligenhafen und auch verbunden mit dem Anspruch auf Vollzugslockerungen, die zum zeitweiligen Verlassen der Einrichtung berechtigen, wenn es unter Sicherheitsgesichtspunkten zu verantworten ist.

Die CDU-Fraktion schlägt für den Fall der Gewährung solcher Vollzugslockerungen, aber auch generell bei erhöhter Fluchtgefahr eine Reihe erkennungsdienstlicher Maßnahmen vor. Im Grundsatz sind wir mit der antragstellenden Fraktion einig

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

und sagen Ja zu einer erkennungsdienstlichen Vorsorge im Maßregelvollzug. Einzelfragen können wir in den Ausschussberatungen klären, Herr Kollege Geißler. Dazu gehört zum Beispiel die Frage, ob wirklich alle von der CDU-Fraktion vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen erforderlich und verhältnismäßig sind, sowie die Frage, ob wir in das Gesetz eine Verpflichtung zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen aufnehmen sollten oder ob vielleicht auch eine Ermächtigung ausreichend ist.

Juristisch-handwerkliche Mängel, Herr Kollege Geißler, sollten wir ebenfalls gemeinsam im Ausschuss ausbügeln. Ich verweise auf die etwas unsystematische Aneinanderreihung von Sonderfällen, für die es nach Ihrem Gesetzentwurf erkennungsdienstliche Maßnahmen geben soll, nämlich bei erhöhter Fluchtgefahr, zur Feststellung der Identität sowie vor Gewährung einer

Vollzugslockerung. Es wird also Modales, Finales und Temporales durcheinander gewürfelt. Deshalb ist das Ganze auch juristisch unsauber und schwer handhabbar. Aber wir können dieses sprachliche Kauderwelsch im Ausschuss ausbügeln.

Die SPD-Fraktion schlägt vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Sozialausschuss und zur Mitberatung in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort erteile ich dem Herrn Abgeordneten Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir wissen, dass Hessen in seinem Maßregelvollzugsgesetz eine Bestimmung hat, wie sie von Ihnen vorgeschlagen wird. Wir nehmen dazu aber eine differenzierte Stellung ein und halten es wie andere Bundesländer, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, die sich bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen im Maßregelvollzug auf die Polizeigesetze und die Strafprozessordnung beziehen.

Zweck einer Maßregel ist es, unabhängig von der Schuld den gefährlichen Täter zu bessern oder darüber hinaus die Allgemeinheit vor ihm zu schützen. Langfristiges Ziel ist aber auch hier die Resozialisierung.

Das Maßregelvollzugsgesetz Schleswig-Holsteins regelt dabei die Unterbringung von Straftätern in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie in einer Erziehungsanstalt und die einstweilige Unterbringung in einer der beiden Institutionen. Voraussetzung für die Unterbringung ist dabei, dass ein Straftäter aufgrund einer geistigen Erkrankung oder aus einem anderen Grund schuldunfähig oder vermindert schuldfähig und somit für die Allgemeinheit gefährlich ist oder dass jemand aufgrund seines Hanges zum Trinken oder zum Drogenkonsum eine Straftat begangen hat und zukünftig die Gefahr erheblicher Straftaten besteht. Wir reden also über kranke Menschen, die straffällig geworden sind.

Neben dem Schutz der Allgemeinheit ist also von entscheidender Wichtigkeit, wie diese Menschen auf eine selbstständige Lebensführung außerhalb der Fachklinik vorbereitet werden können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Günther Hildebrand)

Das sollte der Schwerpunkt des Handelns sein und nicht, bei den erkennungsdienstlichen Maßnahmen im Maßregelvollzugsgesetz gegenüber den geltenden Regelungen im Strafprozessrecht und im allgemeinen Polizeirecht Verschärfungen vorzunehmen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nach dem Polizeirecht können Beamte beispielsweise bereits zur Feststellung der Identität von verdächtigen Personen die Abnahme von Fingerabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, Messungen sowie die Feststellung körperlicher Merkmale vornehmen. Nach der Strafprozessordnung dürfen die gleichen Maßnahmen durchgeführt werden, soweit sie zur Durchführung eines Strafverfahrens oder zu erkennungsdienstlichen Zwecken notwendig sind. Wenn sich also jemand weigert, seine Personalien feststellen zu lassen, ist es bereits aufgrund der geltenden Rechtslage möglich, ihm Fingerabdrücke abzunehmen oder ein Foto von ihm zu fertigen. Das Gleiche gilt, wenn dies zur Überführung eines Täters notwendig ist.

Hinzu kommt, dass erkennungsdienstliche Maßnahmen zu präventiv-polizeilichen Zwecken bei Rückfalltätern bereits heute in Betracht kommen, also auch im Maßregelvollzug und bei Personen, bei denen die Gefahr für künftige Straftaten besteht.

Die CDU geht in ihrem Gesetzentwurf aber erheblich weiter. Sie will erreichen, dass nicht nur zur Feststellung der Identität, sondern auch zur Sicherung des Vollzuges der Maßregeln sowie vor Gewährung einer Vollzugslockerung zwingend erkennungsdienstliche Maßnahmen durchgeführt werden. Dabei ist es völlig uninteressant, ob die betreffende Person Anlass zu der Annahme gegeben hat, dass sie sich beispielsweise aus dem Staub machen will. Diese Differenzierung wollen wir aber grundsätzlich beibehalten.

(Beifall bei der FDP)

Für uns gibt es keinen Generalverdacht, auch nicht bei bereits straffällig gewordenen Personen, sofern diese keinen besonderen Anlass für eine solche Maßnahme geben.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Bei Annahme des Gesetzentwurfs in der vorliegenden Form besteht die Gefahr, dass wir den Menschen suggerieren, es könnte durch solche Gesetzesverschärfungen absolute Sicherheit hergestellt werden. Das ist falsch. Eine solche Illusion sollten wir nicht nähren, wenngleich wir in Ihrem Gesetzentwurf sehr wohl das Bemühen erkennen, die Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Liberale Rechtspolitik orientiert sich an der

Balance, die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und trotzdem Sicherheit zu gewährleisten. Wir sollten daher im Maßregelvollzug den Schwerpunkt auf die Behandlung der kranken Täter setzen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich der Frau Abgeordneten Birk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner von den Liberalen und der SPD haben maßgebliche Gründe vorgetragen, die auch unsere Haltung skizzieren. An dieser Stelle möchte ich deutlich sagen: Wir müssen einmal genau hinschauen, wer im Maßregelvollzug ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die meisten haben die Vorstellung, es handele sich überwiegend um Mörder oder Täter, die sehr schwere Straftaten - Körperverletzungen, Vergewaltigung und so weiter - begangen haben. Im Maßregelvollzug sind aber auch Menschen, die solche Taten nicht begangen haben. Natürlich wären diese Menschen wegen ihrer Vergehen normalerweise trotzdem in einer Justizvollzugsanstalt. Sie sind dies deshalb nicht, weil sie vermindert oder gar nicht schuldfähig sind. Auch solche Menschen sind im Maßregelvollzug.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Mehrheit des Hauses den Gesetzentwurf in den Sozialausschuss überweisen will. Wir müssen uns nämlich sehr genau darüber klar sein, für welche Patienten- beziehungsweise Häftlingsgruppe welche Maßnahme richtig ist.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich finde es richtig, in diesem Zusammenhang zunächst einmal ganz neutral von Untergebrachten im Maßregelvollzug zu sprechen. Wir finden in der Tat, dass der Rechtsstaat auch in diesem Bereich beachtet werden muss. Das gilt gerade für diesen Bereich, in dem die Freiheits- und Persönlichkeitsrechte sehr stark eingeschränkt sind. Nicht umsonst muss eine Maßnahme immer wieder neu in zeitlichen Abständen daraufhin überprüft werden, ob sie noch notwendig ist, ob sie einen Therapieerfolg gebracht hat, ob das Absitzen einer Reststrafe eventuell im Strafvollzug erfolgen kann, oder ob die Vorbereitung auf die Freiheit erfolgen soll. Auch diese Menschen haben ein Recht auf Resozialisierung und auf Rehabilitation. Das sage ich

(Angelika Birk)

ganz bewusst auch als gesundheitspolitische Sprecherin meiner Fraktion.

Deshalb finden wir es richtig, zu Beginn einer Maßnahme im Maßregelvollzug zu gucken, bei welchen Untergebrachten Fotos notwendig sind. Die CDU spricht hier ganz lapidar von serienmäßigen Fingerabdrücken und dem Erfassen von Körpermerkmalen. Das haben wir im Justizvollzug nicht regelhaft. Ich denke, es ist auch gut so, dass wir das nicht regelhaft haben. Insofern weiß ich nicht, warum wir das regelhaft im Maßregelvollzug einführen sollten.

Kollege Puls hat es schon kritisiert: Sie haben eine ganze Reihe von Bestimmungen genannt, bei denen Sie diese Merkmale erfasst haben wollen. Wir müssen uns genau angucken, ob das die richtige Kategorisierung ist. Ich glaube, das ist ein gutes Thema für eine Fachdebatte im Sozialausschuss. Ich danke dafür, dass die Debatte bisher so sachlich verlaufen ist. Ich hoffe, dass sie das weiterhin tun wird und wir an diesem Punkt gemeinsam zu einer tatsächlich praktikablen Gesetzesänderung kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])