Protocol of the Session on January 25, 2002

Wir sind uns einig, dass wir hier ein Problem benannt haben, das als Problem zu benennen ist.

Wir sind uns einig, dass es sich um eine Notfalllösung handelt.

Wir sind uns einig, dass wir das nicht in irgendeine Richtung ausweiten wollen - jedenfalls gehe ich davon aus, dass wir uns darin einig sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe in meiner Rede sehr deutlich darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine ganz spezifische Konfliktsituation von Frauen mit ihren ungeborenen

und zu gebärenden Kindern handelt. Das ist eine Situation, die ganz speziell Frauen und ihre ganz spezielle Situation in dieser Gesellschaft betrifft und die natürlich zum Beispiel dann, wenn eine solche Frage angesprochen werden soll, auch ihr Gewissen betrifft. Das ist eine ganz klare Frage.

Ich möchte hier jetzt aber eigentlich die weitere Fachdiskussion nicht vorwegnehmen und ich möchte schon gar nicht die Diskussion um eine neue - so sage ich jetzt einmal - Lebensschutzdebatte ausweiten.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Selbstverständlich ist jeder Mensch, der auf der Welt ist, darauf angewiesen, diese krisenhafte Situation Entbindung, Geburt mit seinem Leben zu überstehen, und die Mütter sind darauf angewiesen, diese Situation zu überstehen. Selbstverständlich muss man alles dafür tun, damit Mütter in einer solchen Situation so stark sind, dass sie die Situation durchstehen, sodass sie ihrem Kind den Schutz aus dem geborgenen Raum heraus ins Leben bieten können. Dazu kann man Frauen nur stark machen, so stark, wie sie dann irgend sein können.

Ich denke, das sollte uns vielleicht gemeinsam einen. Aber das müssen wir dann hier nicht weiter ausführen, sondern ich finde, wir sollten jetzt das tun, was wir wollen, nämlich den Antrag an den Ausschuss überweisen, um dann dort die weitere Debatte zu führen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung erhält jetzt die Justizministerin, Frau Lütkes, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dieser Debatte geht es um das Recht auf Leben, und zwar das Recht auf Leben der Mutter und des Kindes. Es geht um dieses Spannungsverhältnis. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie deutlich gemacht haben, dass das Umgehen mit diesem Spannungsverhältnis eine gesellschaftspolitische Aufgabe der gesamten in der Gesellschaft Verantwortlichen ist und dass es nicht ein individuelles Problem der in einer sehr schwierigen persönlichen Situation stehenden einzelnen Frau sein darf. Die gesellschaftliche Verantwortung geht dahin, Lösungsansätze, Lösungswege nicht nur aufzuzeigen, sondern sie auch zu garantieren. In diesem Kontext sind - ich bin dafür dankbar, dass das hier sehr deutlich und klar geworden ist - auch diejenigen mit in die

(Ministerin Anne Lütkes)

Verantwortung zu nehmen - die Väter -, die in Beziehung zu dem werdenden Kind stehen.

Allerdings - auch das ist deutlich geworden -, die Lösung ist nicht dadurch zu erzielen, dass man das Personenstandsgesetz so, wie es im Bundestag als Antrag der CDU/CSU vorliegt, ändert. Das komplexe Thema - das wollte ich gerade ausführen - kann nicht durch diesen Anfang gelöst werden; die gesamte Debatte muss im Kontext geführt werden. Wir haben eine Situation, in der sich gerade auch in SchleswigHolstein einzelne Kliniken, Ärzte oder auch Hilfe- und Beratungsstellen dem Problem gestellt und durch die Bereitschaftserklärung zur anonymen Geburt Hilfsangebote auf den Weg gebracht haben.

Aber diese einzelnen Hilfsangebote lösen das Problem gerade nicht. Dabei wird in diesem Kontext sehr deutlich, dass das Thema anonyme Geburt kein isoliertes ist. Das ist in der Diskussion auch gesagt worden. Im Grunde genommen geht es nicht darum, dass die anonyme Geburt als eine Möglichkeit der Garantie der Geburt geregelt wird, sondern darum, dass diese Gesellschaft das Recht der Kinder auf Leben, das Recht der Mutter auf ein Leben mit ihrem Kind derart akzeptiert, dass die entscheidenden sozialen Verhältnisse geschaffen werden, die gerade dieses Leben ermöglichen.

Wir haben anzuerkennen, dass diese Gesellschaft hierzu nicht umfassend in der Lage ist. Es ist in der Diskussion beschrieben worden, dass Mütter gerade in diese Situation kommen, wo sie möglicherweise die Geburt anonym, im herkömmlichen Sinne ohne Hilfe, ohne fachliche Begleitung, einem Weg zum Arzt, zur Ärztin, zum Krankenhaus vorziehen. In dieser für sie persönlich sehr tragischen Situation ist die Gesellschaft, ist der Staat, sind aber auch die einzelnen gesellschaftlichen Hilfeorganisationen nicht in der Lage - wie es eben schon gesagt worden ist -, an diese Frau heranzukommen, ihr die Hilfe so zu gewähren, dass sie sie auch annehmen kann.

Das ist ein ganz entscheidendes Element in der Debatte. Die Hilfe muss so gewährleistet sein, dass Frauen in der Lage sind, sie anzunehmen, dass wir auch dann, wenn wir die anonyme Geburt als ein letztes Mittel garantieren, auch gleichzeitig die Rechtsfolgen für die Frau, auch für das Kind deutlich machen können, für die Frau auch erkennbar machen können.

Natürlich ist es richtig, dass die rechtlichen Möglichkeiten für die anonyme Geburt gegeben sind, aber gerade die Rechtsfolgen der anonymen Geburt sind nicht geregelt. Das ist etwas - deshalb auch meine Bitte, eben nicht einen einzelnen Schritt zu sehen -, was auch für die Frau die Zukunft sehr schwer planbar

macht, aber - „kalkulierbar“ wäre der falsche Ausdruck - ahnbar machen lässt.

Die Frau muss wissen, was auf sie rechtlich möglicherweise zukommt. Dazu gehört eine ganze Fülle von einzelnen Rechtsfragen. Ich möchte deutlich machen, dass das Problem ein grundsätzlich soziales Problem ist und die Rechtsfragen nicht das Entscheidende sind.

(Beifall der Abgeordneten Silke Hinrichsen [SSW])

Ich bin zwar die Justizministerin, aber eben auch die Jugend-, Frauen- und Familienministerin. An dem Thema wird deutlich: Das Recht hat sich der Konfliktlösung in den Dienst zu stellen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Deshalb ist es richtig, dass die Konferenzen der Frauenministerinnen und der Jugendminister und ministerinnen Mitte letzten Jahres - insofern sollten wir nicht über die Frage der Urheberschaft und des Anstoßes diskutieren; es läuft eine breite gesellschaftliche Debatte - deutlich gemacht haben, dass auf Bundesebene nicht nur das Personenstandsrecht geklärt werden muss, sondern die Fülle der einzelnen unterschiedlichen Rechtsfolgen zu diskutieren sind, bis hin zum Unterhaltsrecht. Denn es ist auch eine Form der Exkulpation für die Väter, die aus dem Unterhaltsrecht herausgehen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und SSW)

Die gesamte Ermessensfrage muss geklärt werden. Aber - ich bin dankbar für den Hinweis, den das Plenum gegeben hat - es ist in erster Linie eine soziale Frage. In der Rolle der Justizministerin bin ich gern bereit, weiter mitzuarbeiten. Insbesondere sollten die Initiativen, die im Deutschen Bundestag als interfraktionelle Arbeitsgruppen laufen, aber auch die unterschiedlichen Fachministerkonferenzen - die Gesundheitsminister sind ebenso involviert - nicht nur beachtet, sondern unterstützt werden. Das tun wir alle in der Landesregierung und wir tun es weiter.

Die Gesamtsituation ist allerdings derart komplex, dass wir den Frauen, aber auch den Kindern keinen Gefallen tun, wenn wir die Frist verlängern und die Anmeldefrist auf die Beratungsstellen übergehen lassen. Das ist zu wenig für die Frauen.

(Beifall im ganzen Haus)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich die Beratung. Wir treten in die Abstimmung ein.

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU, Anonyme Geburten, Drucksache 15/1510, an den Innen- und Rechtsausschuss und den Sozialausschuss zu überweisen. Welcher der Ausschüsse soll bei der Beratung federführend sein?

(Zurufe)

- Wir nehmen als federführenden Ausschuss den Innen- und Rechtsausschuss wegen der im Antrag verankerten Personenstandsrechtsänderung, Mitberatung im Sozialausschuss mit der Bitte, weil es um eine eng zusammenhängende Materie geht, sich möglichst gleichberechtigt und zeitnah abzustimmen, damit es zu einer gemeinsamen Wiedervorlage im Parlament kommt.

Wer zustimmt, den Antrag federführend an den Innenund Rechtsausschuss und außerdem an den Sozialausschuss zu überweisen, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist vom Haus einstimmig so beschlossen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Es ist jetzt 12:45 Uhr. Die Behandlung des nächsten Tagesordnungspunktes würde mindestens 30 Minuten dauern. Ich darf die Fraktionen fragen -

(Lothar Hay [SPD]: Ich schlage vor, den nächsten Punkt noch vor der Mittagspause aufzurufen, in der Hoffnung, dass es etwas schneller geht! - Unruhe)

- Wenn es der Wille des Hauses ist, das Thema „Landwirtschaftlicher Wirtschaftswegebau“ noch vor der Mittagspause zu beraten, steht das Präsidium nicht an, diesem Willen nicht nachzukommen. Ich rufe also Tagesordnungspunkt 20 auf:

Landwirtschaftlicher Wirtschaftswegebau

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1511

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

(Unruhe)

- Ich habe nicht ohne Grund gefragt, ob wir das noch beraten wollen. Die einhellige Meinung war, dass wir das noch vor der Mittagspause beraten sollen. Dann tun wir das aber bitte auch mit der notwendigen Ruhe.

(Beifall)

Das Wort für die antragstellende CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Jürgen Feddersen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Förderung des landwirtschaftlichen Wegebaus wird im Jahr 2002 heruntergekürzt auf nur noch 390.000 €. Hierbei handelt es sich ausschließlich um EU-Mittel. Die mittelfristige Finanzplanung der EAGFL-Zuschüsse weist für dieses Jahr Mittel in Höhe von 570.000 € aus.

Immer wieder ist der Landesregierung von Gemeinden signalisiert worden, notfalls auch ohne Beteiligung des Landes die Finanzierung für den Wirtschaftswegebau auf die Beine zu stellen. Mittlerweile gibt es sowieso keine Landesmittel mehr, aber die EU-Mittel werden vom Land dennoch nicht in entsprechender Höhe beantragt. Es ist daher notwendig, das Programm „ZAL“ zu überprüfen und gegebenenfalls anders zu gewichten. Es ist mehr möglich, wenn die Landesregierung nur will.

Die klägliche Restförderung von 390.000 € muss im Verhältnis zum Bedarf betrachtet werden. Allein der Kreis Schleswig-Flensburg hat bis zum Jahr 2006 einen Mittelbedarf von rund 7,5 Millionen € - fast 20mal mehr, als für ganz Schleswig-Holstein zur Verfügung steht. Bereits im Jahr 2000 hat der Kreis Nordfriesland - nur für die Bestandserhaltung der Wirtschaftswege - eine Bausumme von rund 1,2 Millionen € für erforderlich gehalten.

Ich habe keine Übersicht über den gesamten Bedarf in Schleswig-Holstein, aber bereits diesen Zahlen belegen, dass ein sehr hoher Investitionsbedarf besteht.